Flugblattabwurf aus der S-Bahn im Ostberliner Grenzgebiet
[Ohne Datum]
Einzelinformation Nr. 659/65 über Hetzschriftenverbreitung aus einem fahrenden S-Bahnzug auf dem Streckenabschnitt Friedrichstraße–Westberlin
Am 15.7.1965, gegen 18.25 Uhr, wurden im Bereich des Humboldthafens aus einem vom Bahnhof Friedrichstraße nach Westberlin fahrenden S-Bahnzug Hetzschriften geworfen. In der Umgebung der Abwurfstelle sind insgesamt 200 Hetzschriften sichergestellt worden. Es handelt sich dabei um Ormig-Abzüge in der Größe DIN A5 mit folgendem mit Schreibmaschine geschriebenen Text:
»Grenzsoldaten der Volksarmee, kämpft für ein freies wiedervereinigtes Deutschland. Hört auf mit dem Morden! Denk immer, es kann Dein Bruder sein, den Du umbringst. Hört auf, an der Mauer auf Flüchtlinge zu schießen, helft mit, in Frieden und Freiheit zu leben. Befreit Euch von der Diktatur des Kommunismus. Denkt immer daran: Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!«
Die Reisenden der von Westberlin nach dem Bahnhof Friedrichstraße führenden S- und U-Bahnstrecken, auch der o. g. Strecke, werden von unseren Grenzsicherungsorganen, sofern sie auf den Westbahnsteigen nur umsteigen, die Westbahnsteige nicht verlassen und sich nur kurze Zeit dort aufhalten, nicht kontrolliert. Dadurch ist es möglich, dass Reisende bei ihrer Einreise mit der S- und U-Bahn Hetzschriften einschleusen und, wenn sie den Bahnhof Friedrichstraße nicht verlassen, ohne einer Kontrolle unserer Grenzsicherungskräfte unterlegen zu haben, sie bei der Rückfahrt auf der genannten Strecke aus dem fahrenden Zug zu werfen [sic!]. Da die Verbreitung der Flugblätter aus dem fahrenden Zug unmittelbar vor der Staatsgrenze erfolgte, war auch ein Stoppen des Zuges auf dem Territorium der DDR nicht mehr möglich.
Vom MfS werden weitere Untersuchungen zur Aufklärung der Täterkreise geführt.