Gewalttätige Zusammenstöße von Jugendlichen mit Militär und Polizei
23. Juli 1965
Einzelinformation Nr. 694/65 über Zusammenrottungen und provokatorische Auseinandersetzungen Jugendlicher mit Sowjetarmeeangehörigen, NVA-Angehörigen und VP-Angehörigen
Am 18. und 19.7.1965 kam es zu mehreren provokatorischen Handlungen Jugendlicher, die jedoch, wie die Untersuchungen ergaben, unabhängig voneinander geschahen und bei denen auch keine politischen Motive ermittelt werden konnten. Diese Vorkommnisse, drei davon wurden im Rapport des MdI vom 19.7. angeführt, ereigneten sich im Zusammenhang mit Tanzveranstaltungen bzw. Gaststättenbesuchen, wo es auch in der Vergangenheit aus verschiedenen Motiven und Umständen heraus zu ähnlichen Erscheinungen kam.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorkommnisse:
In der Nacht vom 18. zum 19. Juli 1965 kam es gegen 3.00 Uhr anlässlich des Heimatfestes in der Gemeinde Klossa, Kreis Jessen, zu einer Schlägerei zwischen dem Betonfacharbeiter [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1946 in Annaburg, wohnhaft Annaburg, [Straße Nr.] (Mitglied der FDJ seit 1961 und der GST seit 1963, bisher nicht negativ in Erscheinung getreten), und Angehörigen der Sowjetarmee.
[Name 1] hatte mit einigen Freunden das Tanzzelt auf dem Gelände des Heimatfestes aufgesucht und bemerkt, dass am Ausschank ein Sergeant und ca. sechs Soldaten der Sowjetarmee mit Uhren handelten. [Name 1], der aufgrund seines 10-klassigen polytechnischen Oberschulbesuchs einige russische Sprachkenntnisse besitzt, schaltete sich, da die Angehörigen der Sowjetarmee aufgrund ihrer mangelhaften deutschen Sprachkenntnisse Schwierigkeiten hatten, in den Handel mit ein. U. a. wurde von einem sowjetischen Armeeangehörigen eine goldene Damenarmbanduhr mit einem Kettenband für 110 MDN angeboten. [Name 1] zeigte diese Uhr mehreren im Zelt anwesenden Zivilisten. Da ein junger unbekannter Mann Interesse an dieser Uhr zum Ausdruck brachte, überreichte ihm [Name 1] die Uhr zum Begutachten. [Name 1] selbst verließ danach das Zelt für kurze Zeit. Als er wiederkam, sah er noch, wie diese ihm unbekannte Person die Uhr der Kellnerin anbot, die jedoch den Kauf ablehnte. Danach verschwand die unbekannte Person mit der Uhr.
Die Angehörigen der Sowjetarmee forderten jedoch von [Name 1] die Uhr zurück.
Aufgrund der mangelnden Verständigungsmöglichkeiten versuchte [Name 1] ihnen zu erklären, dass er die Uhr der unbekannten Person übergeben habe. Die Angehörigen der Sowjetarmee glaubten dies jedoch nicht, sondern verlangten auch weiterhin von [Name 1] die Uhr. Gleichzeitig hinderten sie ihn daran, mit seinem Moped wegzufahren. [Name 1] gelang es jedoch, sich loszureißen und vom Gemeindeamt in Klossa aus das VPKA Jessen anzurufen.
Vom VPKA erhielt er die Zusage, dass sofort jemand erscheint, worauf er sich zum Festplatz zurückbegab.
Die Angehörigen der Sowjetarmee waren inzwischen mit seinem Moped und in Begleitung seines Freundes bis an das Dorf herangekommen, wobei das Moped mehrmals umgeworfen und beschädigt wurde. [Name 1] erklärte seinem Freund, dass sofort die Polizei und die Kommandantur kommen würden. Vier Soldaten der Sowjetarmee begaben sich daraufhin sofort in Richtung Kremitz, wo zzt. ihre Einheit liegt. Zurück blieben nur der Sergeant und der Besitzer der Uhr. Beide forderten von [Name 1] in einer heftigen Auseinandersetzung immer wieder die Herausgabe der Uhr. Nachdem auch der Sergeant in Richtung Kremitz davongelaufen war, kam es zwischen dem Angehörigen der Sowjetarmee, dem die Armbanduhr gehörte, und [Name 1] zu einer Schlägerei. Dabei schlug [Name 1] dem Angehörigen der Sowjetarmee mehrmals mit der Faust ins Gesicht und stieß ihn in den Chausseegraben. Danach verließ [Name 1] mit seinem Freund den Ort der Schlägerei. Nach Aussagen des [Name 1] entfernte sich auch der Angehörige der Sowjetarmee in Richtung Kremitz.
Wie die bisherige Untersuchung ergab, lagen der Auseinandersetzung mit den Angehörigen der Sowjetarmee keine politischen Motive zugrunde.
Zur Auffindung des Täters, der die Uhr des sowjetischen Armeeangehörigen an sich genommen hat, werden im Zusammenwirken und zur weiteren Aufklärung des gesamten Vorkommnisses mit den sowjetischen Organen weitere Maßnahmen eingeleitet.
Am 19.7.1965, gegen 0.30 Uhr, kam es in der Nähe des Kino-Kaffees Halberstadt zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen vier männlichen und zwei weiblichen Jugendlichen und einer sowjetischen Militärstreife, bestehend aus einem Offizier und zwei Soldaten. Die Jugendlichen hatten im Kino-Kaffee gezecht, nachdem sie bereits vorher in der Gaststätte »Sternwarte« Alkohol getrunken hatten.
Als die sowjetische Streife nach ihrem Kontrollgang das Kino-Kaffee verließ, kamen sie mit den zwei weiblichen Jugendlichen, die ebenfalls das Kaffee verließen und bei denen es sich um HWG-Personen handelt, ins Gespräch. Einer der männlichen Jugendlichen, der beabsichtigte, die beiden Mädchen nach Hause zu bringen und kurze Zeit darauf das Kaffee verließ, ging daraufhin auf einen Soldaten der sowjetischen Streife zu und versuchte ihm die Mütze ins Gesicht zu ziehen. Daraus entwickelte sich eine tätliche Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Offizier der Streife acht Warnschüsse abgab und die Jugendlichen der sowjetischen Stadtkommandantur zuführen ließ. Wie die gemeinsamen Untersuchungen des MfS, der zuständigen sowjetischen Stellen und der örtlichen VP ergaben, lagen keinerlei politische Hintergründe vor und fielen im Zusammenhang mit der tätlichen Auseinandersetzung auch keinerlei hetzerische Äußerungen. Gegen die Jugendlichen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Am 18.7.1965, nach 24.00 Uhr, kam es in Plauen/Vogtland im Anschluss an eine Tanzveranstaltung im Postsaal zu einer Konzentration von 20 Jugendlichen, die versuchten, den Pkw einer an der Tanzveranstaltung teilnehmenden männlichen Person umzuwerfen. Trotz der Aufforderung der anwesenden NVA-Streife auseinanderzugehen, ließen die Jugendlichen von ihrem Vorhaben nicht ab, sodass ein Jugendlicher von der NVA-Streife vorläufig festgenommen wurde. Die übrigen Jugendlichen begaben sich daraufhin zum Lkw der NVA-Streife und postierten sich dort. Dadurch war es der Streife nicht möglich, weiterzufahren.
Erst nach geraumer Zeit gaben die Jugendlichen den Weg frei. Während dieser Zeit kam es zu keinen tätlichen Auseinandersetzungen. Die Jugendlichen verhielten sich der Streife gegenüber ruhig. Lediglich ein Jugendlicher warf eine Bierflasche auf den Lkw, ohne dass dabei eine Person zu Schaden kam. In der Folgezeit wurde jedoch von einem Jugendlichen dieser Gruppe ohne ersichtlichen Grund der [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1943, wohnhaft Plauen, [Straße Nr.], geschlagen. [Name 2] musste in das Krankenhaus eingeliefert werden. Außerdem zerschlugen die Jugendlichen auf ihrem Heimweg die Scheibe einer Glasvitrine.
Wie in der Untersuchung ermittelt wurde, war der Jugendliche [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1946, wohnhaft Plauen, Stahlbauhelfer, der Ausgangspunkt dieser Zusammenrottung.
[Name 3] hatte bereits am Nachmittag des 18.7.1965 Eifersuchtsszenen mit seiner Freundin und sie dabei tätlich angegriffen. Da seine Freundin befürchtete, nach der Tanzveranstaltung wieder geschlagen zu werden, bat sie eine ihr bekannte Person, sie mit dem Pkw nach Hause zu bringen. [Name 3] bekam von diesem Vorhaben Kenntnis und begab sich nach Schluss der Veranstaltung zum Pkw dieser Person in der Absicht, seine Freundin herauszuholen. Dabei kam es zu der geschilderten Zusammenrottung.
Gegen [Name 3] wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Am 18.7.1965, gegen 21.00 Uhr, kam es im Kulturpark »Rote Horn« in Magdeburg anlässlich einer Tanzveranstaltung durch zwei Jugendliche zu Tätlichkeiten untereinander. Diese Schlägerei gab den Anlass, dass sich ca. 50 Jugendliche zusammenfanden. Unter Einsatz des Skdo. und zwei Funkwagenbesatzungen konnte die Ordnung und Sicherheit wieder hergestellt werden. Bei der Herstellung der Ruhe und Ordnung durch die VP traten jedoch vier Jugendliche gegen die Volkspolizei auf. Einer der Jugendlichen, [Name 4, Vorname], 18 Jahre alt, E-Karrenfahrer im VEB Ernst-Thälmann-Werk, beschimpfte die einschreitenden VP-Angehörigen und trieb staatsgefährdende Hetze und Propaganda. Er wurde vorläufig festgenommen. Die anderen drei Jugendlichen, [Name 5, Vorname], 17 Jahre alt, Maurerlehrling, [Name 6, Vorname], 18 Jahre alt, Maschinenarbeiter und wegen Raubes, Diebstahls und Sachbeschädigung drei Mal vorbestraft, und [Name 7, Vorname], 18 Jahre alt, benahmen sich sehr rowdyhaft und leisteten den Weisungen der VP nicht sofort Folge. Gegen sie wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Weitere Untersuchungen werden geführt.