Grenzdurchbruch mit Wirtschaftsflugzeug bei Gadebusch
21. Oktober 1965
Einzelinformation Nr. 926/65 über einen Grenzdurchbruch nach Westdeutschland mit einem Wirtschaftsflugzeug der Interflug am 21. Oktober 1965
Durch Grenzposten der 9. Grenzkompanie Groß-Thurow wurde am 21.10.1965, gegen 12.50 Uhr, im Raum Groß-Thurow, Krs. Gadebusch, der Überflug eines Eindeckers der Interflug über die Staatsgrenze nach Westdeutschland beobachtet. Das Flugzeug flog die Staatsgrenze in einer Höhe von ca. 150 m aus Richtung Gadebusch kommend unmittelbar an und wurde von den Grenzposten erst vor dem Überfliegen der Staatsgrenze gesichtet, sodass von dieser Stelle aus keine weiteren Handlungen zur Verhinderung des Grenzdurchbruches möglich waren.
Sofort eingeleitete Überprüfungen ergaben, dass es sich um eine Maschine der Interflug GmbH, Abt. Wirtschaftsflug, vom Typ L-60,1 Kennzeichen: DM-SIK (Düngemittelstreuer) handelt, die auf dem Arbeitsflugplatz Ganzow bei Gadebusch stationiert war. Der Arbeitsflugplatz liegt etwa 8 km von der Staatsgrenze nach Westdeutschland entfernt.
Das Flugzeug wurde vom Stationsmechaniker [Name 1, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1943 in Zittau, tätig als Stationsmechaniker der Interflug, Stützpunkt Kyritz, wohnhaft Zittau, [Straße, Nr.], Familienstand: ledig, Mitglied der FDJ, des FDGB, der DSF, geführt.
Weitere Personen befanden sich nach den bisherigen Ermittlungen nicht an Bord der Maschine.
Der Grenzdurchbruch konnte unter nachstehend aufgeführten Umständen erfolgen:
Nachdem im Verlaufe des Vormittags der Flugzeugführer [Name 2, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1941, wohnhaft Karl-Marx-Stadt, [Straße, Nr.], mehrere Arbeitsflüge absolviert hatte, beauftragte er gegen 12.00 Uhr den [Name 1], in der Zeit der Mittagspause die Maschine technisch zu warten, aufzutanken und zum Startpunkt zu rollen.
Der Flugzeugführer [Name 2] verließ die Maschine, ohne die lt. Arbeitsanweisung vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet zu haben und begab sich zu der ca. 150 bis 200 m entfernten Funkstation.
Dort sprach er über Funk mit dem Flugstützpunkt Kyritz, um Bestellungen aufzugeben. Während des Funksprechverkehrs rief der Stationsmechaniker dem Flugzeugführer noch zu, er solle auch Schnüre und Plomben bei der Bestellung mit berücksichtigen.
Nach Beendigung des Funkgespräches begab sich der Flugzeugführer in die ca. 500 m entfernt gelegene Gemeinde Ganzow zum Mittagessen.
In der Zwischenzeit wurden von [Name 1] offensichtlich die entsprechenden Flugvorbereitungen getroffen. Der Start erfolgte, nach Aussagen des auf dem Arbeitsflugplatz beschäftigten Kranführers, der keine Kenntnis von den Absichten des [Name 1] hatte und auch dessen Vorbereitungen nicht als solche erkannte, gegen 12.30 Uhr.
An den vorhergehenden Tagen hatte der Flugzeugführer [Name 2] seinen Stationsmechaniker mehrmals zu Flügen mitgenommen, um ihm die Auswirkungen eines Landeklappenschadens, mit dessen Beseitigung [Name 1] beauftragt war, praktisch zu demonstrieren.
Bei diesen Flügen zeigte sich [Name 1] an der Bedienungsweise des Flugzeuges sehr interessiert.
Der Flugzeugführer [Name 2] gab zu Einzelfragen auch bereitwillig Auskünfte, ohne jedoch dabei einen Verdacht zu schöpfen.
Der 21.10.1965 war für den Flugzeugführer und den Stationsmechaniker der letzte Einsatztag, danach sollte ein mehrtägiger Wochenendurlaub beginnen.
Am Nachmittag des 21.10. traf bereits die ablösende Besatzung auf dem Arbeitsflugplatz Ganzow ein.
Zur Person des [Name 1] gab es bisher keine negativen Hinweise. Nach erfolgreichem Abschluss der Lehre als Kfz-Schlosser im VEB Robur Zittau war [Name 1] bis Ende November 1962 Angehöriger der NVA.
Während der Dienstzeit wurden seine gute und vorbildliche Einsatzbereitschaft, sein fachliches Können in der Kraftfahrzeugtechnik und sein korrektes Auftreten gegenüber Vorgesetzten besonders gewürdigt.
Nach seiner Dienstzeit in der NVA erhielt er beim VEB Robur Zittau keine Arbeit, sodass er eine Tätigkeit im VEB Kraftverkehr Zittau aufnahm.
In dieser Zeit bewarb er sich bei der Interflug als Stationsmechaniker. Seine Einstellung erfolgte am 24.10.1963 auf dem Stützpunkt Kyritz.
[Name 1] wurde als zuverlässig eingeschätzt. Im privaten Leben war er sehr zurückhaltend.
Politisch trat er kaum in Erscheinung.
Weitere Untersuchungen werden geführt.