Großbrand im VEB Otto Grotewohl
5. Januar 1965
Einzelinformation Nr. 9/65 über den Großbrand in der Destillation, Abteilung Niederdruck, des VEB Kombinat »Otto Grotewohl« Böhlen, [Kreis] Borna, [Bezirk] Leipzig, am 4. Januar 1965
Am 4.1.1965, gegen 10.25 Uhr, brach in der Destillation, Abteilung Niederdruck, des VEB Kombinat »Otto Grotewohl« Böhlen1 ein Großbrand aus.2 Durch den Großeinsatz der Feuerwehr gelang es gegen 14.00 Uhr den Brand unter Kontrolle zu bringen. Die Destillationskolonnen B und C glühten vollständig aus, während die durch eine Brandmauer geschützten Kolonnen A und D infolge Hitzestrahlungen am Kopfteil beschädigt wurden. Nach vorläufigen Schätzungen beträgt der Sachschaden etwa 3 Mio. MDN.3
Die Benzindestillation musste vorerst eingestellt werden. Durch Umstellung der verschiedenen Verfahrenswege wird voraussichtlich am 5.1.1965 die Produktion mit etwa 50 % der vorhandenen Kapazität wieder aufgenommen werden können.
Der bisher ermittelte wertmäßige Produktionsausfall beträgt ca. 6 Mio. MDN (berechnet auf 6 Monate Stillstand).
Die vom MfS in Zusammenarbeit mit anderen Untersuchungsorganen eingeleiteten Ermittlungen zur Klärung der Brandursachen hatten folgendes Ergebnis:
Aufgrund eines Auftrages des Kombinats Böhlen wurden am 4.1.1965 von den Montagearbeitern des VEB Brücken- und Stahlbau Leipzig, [Name 1], [Name 2] und [Name 3], Erneuerungsarbeiten an den Laufplatten der Destillationsanlage durchgeführt. Zum Entfernen der alten Laufplatten – geriffelter Stahlguss – benutzten sie einen Flaschenzug.
Kurz nach 10.00 Uhr begannen sie eine Platte des Laufsteges am Wärmeaustauscher zu entfernen. Der Monteur [Name 3] hob die Platte mittels eines Flaschenzuges an. Er erhielt dabei laufend von den beiden anderen genannten Monteuren Hinweise. Sie bemerkten dabei auch, dass die Oberkante der Platte einen Blindstutzen am Wärmeaustauscher berührte. Daraufhin stellten sie das Hochwinden der Platte ein, um irgendwelche Beschädigungen zu vermeiden. Trotz gemeinsamer Anstrengungen gelang es ihnen nicht, die Platte herauszuheben. Sie versuchten deshalb, durch Schläge mit einem Vorschlaghammer, die Platte zu lösen, knickten dabei jedoch den Blindstutzen – ein 1-Zoll-Rohr – ab. Mit einem Druck von 4 atü trat ein Rohprodukt (Benzin-Bitumen-Teer-Gemisch) aus, welches sich an den etwa 250°C heißen Heizungsrohren sofort entzündete. Da keine Möglichkeiten vorhanden waren, den Austritt des Produktes zu verhindern, griff der Brand sehr schnell um sich und erfasste dabei die Kolonnen C und B.
Als die drei Monteure den Austritt des Produktes feststellten, verließen sie fluchtartig das Gerüst und meldeten einem Anlagenfahrer den Schaden. Als dieser sich vom Umfang des Schadens überzeugen wollte, konnte er nur noch den Ausbruch des Feuers feststellen. Über die Verhaltensregeln im Werkgelände des VEB Kombinat »Otto Grotewohl« Böhlen wurden nach den Erklärungen der Montagearbeiter nur allgemeine Hinweise durch verantwortliche Mitarbeiter des Kombinates gegeben (Rauchen, Umgang mit Feuer usw.).
Über eventuelle Gefahren bei Beschädigung von Anlagen im eigenen Arbeitsbereich sind sie, obwohl es Pflicht des Kombinates gewesen wäre, nach bisherigen Feststellungen nicht unterrichtet worden.