Gruppenfahnenflucht in Oschersleben
2. Dezember 1965
Einzelinformation Nr. 1073/65 über eine Gruppenfahnenflucht von drei Angehörigen des Pionierzuges des GR Oschersleben, 7. Grenzbrigade, am 30. November 1965
Am 30.11.1965 wurden die NVA-Angehörigen Soldat [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1945, NVA: 3.5.1965; Soldat [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1945, NVA: 3.5.1965, und Soldat [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1944, NVA: 3.5.1965, Angehörige des Pionierzuges des GR Oschersleben, 7. Grenzbrigade, beim Einsatz zur Durchführung pioniertechnischer Arbeiten unter Mitnahme einer MPi und 30 Schuss Munition im Abschnitt der Kompanie Morsleben, GR Oschersleben, nach Westdeutschland fahnenflüchtig.
Die durch das MfS eingeleiteten Untersuchungen ergaben bisher Folgendes:
Die genannten NVA-Angehörigen waren seit dem 29.11.1965 zusammen mit drei weiteren Angehörigen des Pionierzuges im Abschnitt der Kompanie Morsleben – ca. 500 m von der Staatsgrenze entfernt – zu Pionierarbeiten eingesetzt.
Aufgrund einer Empfehlung des Pionieroffiziers des GR Oschersleben, Hptm. Reichelt, wurde die Gruppe entgegen den Weisungen geteilt und am 30.11.1965 unter Leitung des Gefr. [Name 4] an zwei Stellen des genannten Grenzabschnittes getrennt eingesetzt. Angeblich sollte dadurch eine schnellere Beendigung der befohlenen Arbeiten – Schlagen einer Trasse – erreicht werden.
Da die Versorgung mit Mittagessen nicht geklärt war, äußerten die vorgenannten NVA-Angehörigen, die zusammen in einer Gruppe eingesetzt waren, gegenüber dem eingesetzten Gruppenführer Gefr. [Name 4], dass sie gegen 12.00 Uhr zur Kompanie zurückkehren wollen, um dort ihr Mittagessen einzunehmen. Gefr. [Name 4] wies dieses Ansinnen zurück und begab sich unmittelbar danach zur zweiten Gruppe, um diese zu kontrollieren. Dabei verlor er aufgrund des unübersichtlichen Geländes die Kontrolle über die erste Gruppe.
Als Gefr. [Name 4] gegen 12.15 Uhr zum Einsatzort der ersten Gruppe zurückkehrte, waren die Soldaten [Name 1], [Name 2] und [Name 3] nicht mehr im Abschnitt aufzufinden. In der Annahme, sie seien zur Kompanie zum Mittagessen gegangen, begab sich Gefr. [Name 4] ebenfalls zum Kompaniestützpunkt. Da er die Soldaten im Objekt der Kompanie jedoch nicht antraf, kehrte er in den Grenzabschnitt zurück, ohne in der Kompanie das Fehlen der Soldaten gemeldet zu haben. Die nachfolgende Suche im Grenzgebiet verlief ebenfalls erfolglos. Erst gegen 16.30 Uhr verständigte Gefr. [Name 4] den Chef der Kompanie Morsleben, der sofort Suchmaßnahmen einleitete, in deren Ergebnis die Spuren der Fahnenflüchtigen in unmittelbarer Nähe ihres Arbeitsbereiches in Richtung Westdeutschland festgestellt wurden.
Die Gruppenfahnenflucht wurde nach den bisherigen Untersuchungen durch folgende Umstände begünstigt:
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Entgegen bestehender Befehle, Weisungen und Absprachen wurden die Arbeiten im Grenzgebiet nicht unter Leitung eines verantwortlichen Offiziers durchgeführt und nicht durch Kräfte der Grenzkompanie abgesichert.
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Entgegen dem Befehl zum Einsatz eines Unteroffiziers wurde der Gefr. [Name 4] mit der Leitung der Gruppe beauftragt. Gefr. [Name 4] ist Kammerverwalter des Pionierzuges und hat keine Erfahrungen in der Durchführung von Pionierarbeiten und im operativen Grenzdienst.
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Der zuständige Mitarbeiter des MfS wurde durch die Bataillonsleitung nicht über die Arbeiten im Grenzgebiet in Kenntnis gesetzt.
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Die am 30.11.1965 im Bereich der Kompanie eingesetzten Grenzposten der Kompanie Morsleben hatten keine konkrete Kenntnis davon, wann, wo und durch wen im Kompanieabschnitt Pionierarbeiten durchgeführt werden.
Die Untersuchungen zur Feststellung der näheren Ursachen, Umstände und Zusammenhänge der Gruppenfahnenflucht werden durch das MfS in Verbindung mit Offizieren des Brigade- und Regimentsstabes fortgesetzt.