Haltung westdeutscher Politiker zu den innerdeutschen Sportbeziehungen
20. Dezember 1965
Einzelinformation Nr. 1137/65 über die Haltung führender Bonner Politiker zu sportlichen Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten
Nach der Information einer zuverlässigen Quelle äußerten sich führende Bonner Politiker zu einigen Fragen, die nach ihrer Meinung in den künftigen sportlichen Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten eine Rolle spielen würden. Danach würde die von den westdeutschen Länder-Innenministern getroffene Vereinbarung zu Fragen des »gesamtdeutschen« Sportverkehrs grundsätzlich bestehen bleiben. Das würde bedeuten, dass bei sportlichen Begegnungen weder die DDR-Flagge noch das Staatsemblem der DDR gezeigt werden dürften. Außerdem dürften keine gegen die Bundesrepublik gerichteten Druckschriften verteilt werden. Bei sog. neutralen Schriften über den Aufbau des Sports usw. wolle man dagegen großzügig verfahren. Auf westdeutscher Seite werde man alles unterbinden, was »gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik« gerichtet ist, jedoch »nicht mit dem Gummiknüppel«.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Benda1 verfolge die Absicht, über den rechtspolitischen Ausschuss des Bundestages eine Änderung der Bonner sog. Staatsschutzgesetzgebung herbeizuführen. Es dürfe beim »gesamtdeutschen« Sportverkehr zu keinen Störungen kommen. Benda befrage zu diesem Zweck verantwortliche westdeutsche Sportfunktionäre nach ihrer Meinung zum zweckmäßigsten Verhalten gegenüber der DDR. (In welche Richtung die Vorstellungen Bendas tendieren ist nicht in bekannt.)
Einige Bonner Minister und Bundestagsabgeordnete würden die Einbeziehung Westberlins in den »gesamtdeutschen« Sportverkehr »allgemein kritisch sehen«. Sie würden immer wieder auf diesen Fragenkomplex hinweisen und aufmerksam beobachten, ob Westberlin hier einbezogen werde.
Wie weiter berichtet wird, würden nach der Bewerbung Münchens um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 1972 westdeutsche politische Stellen wieder aktiver die Möglichkeiten und die Wirksamkeit des Sports für sog. menschliche Gespräche in Rechnung stellen. Sie würden vieles unternehmen, um die Sportorganisationen in Westdeutschland zu größerer Aktivität in dieser Richtung zu ermuntern.
Nach Äußerungen führender Politiker versuche Daume2 etwas bremsend zu wirken. Daume habe den Fraktionsvorsitzenden zu verstehen gegeben, dass er als falsch ansehe, wenn sich die politischen Parteien durch Abgabe von Stellungnahmen zu sehr in den anlaufenden »gesamtdeutschen« Sportverkehr einschalten. Durch die Einschaltung der Parteien könne der Verdacht aufkommen, dass dieser Sportverkehr zu sehr unter politischen Aspekten betrachtet werde.
Ähnlich habe Daume im Hinblick auf Äußerungen führender Bonner Politiker über die Möglichkeit der Durchführung der Olympischen Sommerspiele 1972 in München reagiert.
Durch die Münchner Beschlüsse und durch die vom Bundeskabinett beschlossene Vorfinanzierung des Ausbaues des Olympischen Zentrums auf dem ehemaligen Militärflughafen Oberwiesenfeld erscheine die Frage zwar realer, jedoch seien Strauß3 und Erler4 schon wieder zu weit vorgeprellt. Beide Politiker hätten politische Gesichtspunkte so stark in den Vordergrund gerückt, dass Daume befürchte, die Olympischen Sommerspiele 1972 könnten von vornherein zu sehr auf einen »gesamtdeutschen Wirkungseffekt abgestellt« werden. Es sei falsch, schon jetzt zu sagen, dass Zehntausende von Touristen aus der DDR dann als Gäste nach Westdeutschland eingeladen würden. Daume wolle das zwar auch, jedoch müsste diese Diskussion vorläufig verdrängt werden, um mögliche Störfaktoren auszuschalten.
Nach Ansicht eines führenden Sportfunktionärs dürfe die Bonner Aktivität im Hinblick auf die Bewerbung Münchens nicht unterschätzt werden, zumal die Bonner Regierung trotz finanzpolitischer Schwierigkeiten stillschweigend den Betrag von 500 Mio. DM gebilligt habe. Erhard5 habe diese Entscheidung im Kabinett herbeiführen können, weil er die politischen Gesichtspunkte in den Vordergrund gerückt habe. Die Bonner Regierung verfolge außerdem die Absicht, bei dieser Gelegenheit die Jugend der Welt im Bonner Sinne zu beeinflussen.
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