Kesselzerknall und Verpuffung im Elektrochemischen Kombinat
29. März 1965
Einzelinformation Nr. 276/65 über einen Kesselzerknall am 25. März 1965 und eine Verpuffung am 28. März 1965 im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld (EKB)
Am 25.3., gegen 12.20 Uhr, ereignete sich im Bau 279 – Versuchsanlage für Schädlingsbekämpfungsmittel BI 581 – des EKB ein Kesselzerknall.
Der Sachschaden einschließlich Gebäudeschaden beträgt nach vorläufigen Angaben ca. 50 TMDN, der Produktionsausfall wird voraussichtlich 250 TMDN betragen.
Zum Zeitpunkt des Kesselzerknalls befanden sich drei Personen im Gebäude, die teilweise erhebliche Verletzungen erlitten:
- 1.
Anlagenfahrerin [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1920, erlitt schwere Verletzungen, es besteht Lebensgefahr;
- 2.
Dipl.-Chemiker [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1928 und
- 3.
Laborant [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1931
erlitten leichtere Verletzungen und werden voraussichtlich am 31.3. wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden können.
Die bisherigen Untersuchungen zur Aufklärung dieses Vorkommnisses erbrachten folgendes vorläufiges Ergebnis: Der Kesselzerknall wurde durch eine bisher unbekannte und unkontrollierbare Reaktion im Innern des Neutralisierkessels ausgelöst. Beim Zerknall wurde der gusseiserne Deckel des Kessels zerstört und durch das Dach des Gebäudes geschleudert. Infolge des Zerknalls wurden sämtliche am Neutralisierkessel befindlichen Ventile zerstört, sodass eine nachträgliche Kontrolle der Ventilstellungen zum Zeitpunkt des Zerknalls nicht mehr möglich war. Für den Zerknall werden aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse folgende Ursachen in Betracht gezogen:
- 1.
Zu hoher Anfall von Phosphorpentasulfid2
- 2.
Katalytischer Effekt infolge defekten Kessels
- 3.
Unzulässiger Wassereintritt in den defekten Kessel
- 4.
Vorzeitiger Zutritt von Pottaschelösung durch einen Bedienungsfehler
- 5.
Aufheizung des Kessels bei geschlossenem Entlüftungsventil und dadurch bedingt Reaktionsunterdruck.
An der endgültigen Klärung der Ursachen wird weiter gearbeitet.
Am 28.3.1965, gegen 15.45 Uhr, ereignete sich im Phosphorpentasulfidbetrieb – Produktionsabteilung für Schädlingsbekämpfungsmittel – des EKB eine Verpuffung. (Phosphorpentasulfid ist das Ausgangsprodukt für die Herstellung des Schädlingsbekämpfungsmittels BI 58.)
Die Verpuffung ereignete sich in einem ca. 1 000 Liter fassenden Raffinationsbehälter, in dem gelber Phosphor3 auf etwa 80°C erwärmt und mittels Schwefelsäure gereinigt (raffiniert) wird. Der Reinigungsvorgang läuft unter normalen Druckverhältnissen ab.
Bei der Verpuffung wurden die beiden in der Betriebsabteilung befindlichen Arbeiter Burkhardt, Klaus, 24 Jahre alt, verh., 2 Kinder und [Name 4, Vorname], 20 Jahre alt, schwer verletzt.
Burkhardt verstarb bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus Bitterfeld. [Name 4] wurde mit einer Gehirnerschütterung, Verbrennungen 3. Grades, Platzwunden und einem Schock ins Krankenhaus eingeliefert. Er ist noch nicht vernehmungsfähig.
An der Aufklärung der Ursachen wird gegenwärtig noch gearbeitet.