Kontaktaufnahmen von Grenztruppen mit westdeutschen Zöllnern
8. November 1965
Einzelinformation Nr. 992/65 über Kontaktaufnahmen von NVA-Angehörigen der 1. Bootsgruppe Dömitz mit Besatzungen westdeutscher Zollboote und Fahrgastschiffe
Durch die Tätigkeit des MfS wurde bekannt, dass die NVA-Angehörigen der 1. Bootsgruppe Dömitz Meister [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1942, NVA: 13.9.1961, Bootsführer in der 1. Bootsgruppe Dömitz, und Obermaat [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1944, NVA: 4.5.1963, Bootsführer in der 1. Bootsgruppe Dömitz, während des Grenzdienstes in mehreren Fällen zu westdeutschen Zollbooten und Fahrgastschiffen auf der Elbe aufgenommen haben.
In Vereinbarung mit dem Minister für Nationale Verteidigung wurden die genannten NVA-Angehörigen von der Staatsgrenze West abversetzt und dem MStA zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens übergeben.
In der Untersuchung wurde bekannt, dass der Obermaat [Name 2] schon des Öfteren im Besitz von Genussmitteln westlicher Herkunft, wie Zigaretten, Bier usw. sowie westlicher Zeitungen und Zeitschriften, war, die aus Kontaktaufnahmen zu westdeutschen Personen stammten. U. a. hatte [Name 2] zur Besatzung des westdeutschen Zollbootes »Lüchow« während seines Dienstes auf der Elbe Verbindung aufgenommen. Die westzonale Bootsbesatzung warf einen wasserdichten Beutel mit Zigaretten in die Elbe, der durch [Name 2] aus dem Wasser geholt wurde.
Die weiteren Kontaktaufnahmen zu den westzonalen Zollbooten »Berlin« und »Lüneburg« erfolgten meist an einer Stelle auf der Elbe, die von den an Land eingesetzten NVA-Grenzposten nur schlecht eingesehen werden konnte.
Besondere Aktivität zur Kontaktaufnahme entwickelte die Besatzung des westdeutschen Zollbootes »Berlin«. Diese Besatzung hat in mehreren Fällen nach vorangegangener Zeichengebung (Winken) in der Nähe des Bootes von [Name 2] Zigaretten und Zeitungen abgeworfen, die anschließend von [Name 2] aus der Elbe gefischt wurden. Diese Kontakte fanden oftmals am Elb-km 527,5 statt. Weitere Kontakte wurden auf der Elbe zwischen dem Elb-km 508 und 509 durchgeführt. Anfang Juni 1965 lief das westdeutsche Zollboot »Berlin« extra den westdeutschen Hafen Damnatz an, um für die Besatzung des Bootes von [Name 2] Zigaretten und Bier zu holen. Die Übergabe erfolgte im Vorbeifahren auf der Elbmitte.
Neben den Kontaktaufnahmen zu den westzonalen Zollbooten hat [Name 2] auch von Fahrgästen des westdeutschen Fahrgastschiffes »Roland« Zigaretten entgegengenommen. Diese Kontakte ergaben sich beim Überholen bzw. Vorbeifahren durch gegenseitiges Winken.
Die aufgenommenen Westzeitungen und Zeitschriften wurden von der Besatzung des S-Bootes G 40 Obermaat [Name 2], Maat [Name 3] und Matrose [Name 4] gelesen und zum Teil in der Rückenlehne des Bootes versteckt.
Von diesem Versteck hatte auch der Bootsführer Meister [Name 1] Kenntnis, der ebenfalls Kontakte zu westzonalen Booten unterhielt und Genussmittel, Zeitungen und Zeitschriften entgegennahm.
Im September 1965 ging [Name 1] mit seiner Besatzung, Obermaat [Name 5] und Matrose [Name 6], auf Kontaktversuche der Besatzung des westdeutschen Bootes »Nixe« vom Wasserstraßenamt Hitzacker ein, wobei sie von der Besatzung der »Nixe« zwei Flaschen Schnaps, Zigaretten und eine Büchse Bockwurst übernahmen.
Anschließend führ [Name 1] mit seinem Boot zu dem Boot G 511 mit der Besatzung Obermaat [Name 7], Maat [Name 8] und Matrose [Name 9], wo beide Besatzungen die Genussmittel gemeinsam verzehrten.
Am 29.9.1965 hörte die Besatzung [Name 1] während des Grenzdienstes über Kofferradio den »Deutschlandfunk«. Während einer Nachrichtensendung wurde durch den Sender mitgeteilt, dass zwei Unteroffiziere der Grenztruppen wegen Kontaktaufnahmen festgenommen worden seien. [Name 1] äußerte dazu, dass es auch keinen Zweck habe, Kontakte zu westdeutschen Posten aufzunehmen, da dies zu gefährlich sei.
Entgegen dieser Feststellung nahm [Name 1] am 23.10.1965 erneut Kontakt zu einem westdeutschen Zollboot auf. [Name 1] befand sich mit dem Obermaat [Name 5] und Matrose [Name 10] im Grenzeinsatz. Während des Dienstes erschein das westzonale Zollboot »Alt-Garge«, wobei die Zöllner dem [Name 1] zuwinkten. [Name 1] fuhr daraufhin mit seinem Boot neben die »Alt-Garge« und übernahm Zigaretten und Westzeitungen.
Die Kontaktaufnahmen bestanden fast ausschließlich im Zuwinken und in der Annahme von Geschenken, die bei einer bewusst dichten Annäherung an westdeutsche Boote im Vorbeifahren übergeben bzw. zugeworfen wurden.
Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen wurden bei der Übernahme derartiger Geschenke keine Gespräche geführt. Es wurden auch keine Vereinbarungen zu weiteren Begegnungen getroffen.
Insgesamt wurden 13 NVA-Angehörige als Beteiligte und Mitwisser festgestellt. Initiatoren waren die Bootsführer [Name 2] und [Name 1], die dem MStA übergeben wurden. Gegen die anderen Beteiligten und Mitwisser werden die Untersuchungen weitergeführt bzw. Disziplinarmaßnahmen eingeleitet.
Die Untersuchungen werden weitergeführt.