Oppositionelle Äußerungen Berliner Schüler
19. November 1965
Einzelinformation Nr. 1028/65 über staatsgefährdende Vorkommnisse mit Schülern der Oberstufe der Berliner Schulen
Seit Herbst 1964 mussten durch die Organe des MfS und der VP in der Hauptstadt der DDR zahlreiche, ausschließlich von Schülern der Oberstufe der Berliner Oberschulen begangene Vorkommnisse untersucht und wegen ihres gesellschaftsgefährdenden Charakters zum Teil strafrechtlich verfolgt werden.
Im Wesentlichen handelte es sich dabei um Verbrechen der schriftlichen Hetze, vor allem des Anschmierens von Hetzparolen und faschistischen Schmierereien, des Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, des Angriffs auf die Staatsgrenze sowie um Sittlichkeitsverbrechen, mit denen diese Schüler ihrer äußerst labilen, teilweise direkt feindlichen gesellschaftlichen Einstellung Ausdruck gaben.
Obwohl diese Vorkommnisse unabhängig voneinander und zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftraten, war ihnen gemeinsam, dass sie in der Mehrzahl von regelrechten, wenn auch nicht festorganisierten Gruppen von Schülern begangen wurden, von denen wiederum ein Teil schon öfter rowdyhaft und kriminell angefallen ist.
Außerdem zeigte sich bei der Aufklärung all dieser Vorkommnisse, dass die
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mangelnde Überzeugungskraft und Lebendigkeit bei der Darlegung des Unterrichtsstoffes im Geschichts- und Staatsbürgerkunde-Unterricht dieser Schulen sowie
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das mangelnde Zusammenwirken zwischen Elternhaus und Schule bei der staatsbürgerlichen Erziehung dieser Schüler
nicht unwesentlichen Einfluss auf die Schüler, ihr Verhalten und ihre Motive hatten.
Im Einzelnen handelte es sich dabei um folgende Vorkommnisse:
An der 4. Oberschule in Berlin-N 112, Driesener Straße, verfasste am 15.9.1964 der Sohn des Vorsitzenden vom »Bund der Evangelischen Freikirchlichen Gemeinde« in der DDR, [Vorname Name 1], geb. am [Tag, Monat] 1949 einen Schulaufsatz zum Thema »Wir sind jung wie unsere Republik« mit völlig negativer Tendenz und provokatorischem Charakter gegen die DDR. Diesen Aufsatz verlas er vor Übergabe an den Klassenlehrer in der Pause vor den Schülern seiner Klasse. Bei einer daraufhin durchgeführten Aussprache mit den Schülern dieser Klasse wurde bekannt, dass der [Name 1] eine illegale Gruppe mit der Bezeichnung »Antiko« (»Gruppe der Antikommunisten«) gegründet und sich sechs weitere Schüler zur Mitarbeiter in dieser Gruppe bereiterklärt hatten. [Name 1] hatte bereits zwei von ihm selbstverfasste und unterzeichnete Ehrenurkunden sowie zwei Abzeichen mit den Initialen »AK« für diese Gruppe im Besitz.
Diese Unterlagen übergab der Direktor der Schule der Abt. K der VP-Inspektion Prenzlauer Berg zur weiteren Bearbeitung. An der Schule wurde dieser Vorfall im Beisein von Angehörigen der VP am 19.9.1964 in der Klasse des [Name 1] und am 23.9.1964 in einer Elternversammlung ausgewertet. Von einer strafrechtlichen Verfolgung wurde abgesehen.
Am 3.5.1965 wurde an der 14. Oberschule Berlin-Karow bei der Übergabe der Geschichtsbücher »Bildband zur Geschichte des deutschen Volkes 1929–1960«1 von der Klasse 10a an die Klasse 10b festgestellt, dass ein großer Teil dieser Geschichtsbücher mit Hetzlosungen bzw. faschistischen Symbolen beschmiert war. Insgesamt wurden bei Durchsicht dieser Geschichtsbücher 63 Hetzlosungen und eine größere Anzahl faschistischer, vorwiegend Hakenkreuzschmierereien, festgestellt. U. a. waren Bilder von führenden Persönlichkeiten der DDR und der SU beschmiert, entstellt oder mit hetzerischen Aufschriften versehen. Die unter dieses Foto geschmierten Hetzlosungen richteten sich gegen den Vorsitzenden des Staatsrates und die Maßnahmen vom 13.8.1961.
Außerdem waren Bilder und Textstellen dieser Geschichtsbücher so mit Werbesprüchen des Westfernsehens beschmiert, dass sich eine Verunglimpfung führender Persönlichkeiten des Staates, der internationalen Arbeiterbewegung sowie der Kämpfer gegen den Faschismus ergab.
Durch Schriftenvergleiche wurden insgesamt elf Schüler der Klassen 10a und 10b als Täter dieser Schmierereien ermittelt. Der überwiegende Teil dieser Schüler war in der Vergangenheit noch nicht negativ in Erscheinung getreten und lebt in geordneten häuslichen Verhältnissen. Die schulischen Leistungen der Schüler sind befriedigend bis gut. Eine direkte negative Haltung gegenüber unserem Staat wurde nur bei zwei Elternteilen dieser Schüler ermittelt. Von der Einleitung eines EV wurde wegen der Masse der beteiligten Schüler Abstand genommen. Über diese staatsfeindlichen Vorkommnisse wurde im Kollektiv der beteiligten Klassen an der Schule eine Aussprache durchgeführt.
In der Andreas-Oberschule Berlin-Friedrichshain wurden am 16.6.1965 in zwei Klassenräumen selbstgefertigte Hetzplakate angebracht, die den faschistischen Putsch vom 17.6.1953 verherrlichten. Als Täter wurde ein Schüler der 11. Klasse dieser Oberschule ermittelt und gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Am 14.9.1965 wurden im Gebäude der 10. Oberschule Berlin-Pankow und in den angrenzenden Straßen mehrere Hakenkreuze geschmiert. Die bisher durchgeführten Überprüfungen an den Tatorten sowie zur Einschränkung der Tatzeiten ergaben, dass es sich bei den Tätern um Schüler dieser Oberschule handeln muss. Die Ermittlungen zur Feststellung der Täter sind noch nicht abgeschlossen.
Am 2.5.1965 wurden durch die Grenzsicherungsorgane der DDR im Bereich Glienicke-Nordbahn insgesamt sieben Jugendliche festgenommen, als sie versuchten, illegal die DDR zu verlassen. Bei diesen Jugendlichen handelte es sich um [Name 2, Vorname] und [Name 3, Vorname], beide Schüler der 7. Oberschule, Berlin N 58, Gleimstraße, [Name 4, Vorname] und [Name 5, Vorname], beide Schüler der 26. Oberschule Berlin N 58, Greifenhagener Straße, [Name 6, Vorname], Schülerin der 5. Oberschule Berlin-Weißensee, [Name 7, Vorname], Schüler der 2. Sonderschule, Berlin N 58, Dunckerstraße, und [Name 8, Vorname], Hofarbeiter des VEB »7. Oktober« Berlin-Weißensee.
Diese Jugendlichen wollten, ihren Angaben zufolge, wegen schlechter Lernergebnisse in der Schule und aus Abenteuerlust illegal die DDR verlassen. Sie kennen sich bereits seit längerer Zeit und haben sich mit noch anderen Jugendlichen in der Freizeit ständig im Wohngebiet zusammengefunden. Bei derartigen Zusammenkünften, wie u. a. auch im Jugendclubhaus Gleimstraße, wurde auch über Pläne und Absichten für ein illegales Verlassen der DDR gesprochen. Als Wortführer traten dabei die Jugendlichen [Name 9, Vorname], Lehrling im VEB Tiefbau Berlin-Mitte, und [Name 10, Vorname], Schüler der 7. Oberschule, Prenzlauer Berg, in Erscheinung, die wegen begangener krimineller Straftaten am 28.4.1965 im Raum Glienicke-Nordbahn die Staatsgrenze nach Westberlin durchbrachen. Vom Gelingen dieses Grenzdurchbruchs erhielten die Schüler durch westliche Rundfunkmeldung und Hinweise aus dem Bekanntenkreis dieser Grenzverletzer Kenntnis. Dadurch wurden sie in ihrem Vorhaben bestärkt, gleichfalls illegal die DDR zu verlassen, und sie begannen in Glienicke-Nordbahn günstige Möglichkeiten für einen Grenzdurchbruch auszukundschaften, wobei ihre Festnahme erfolgte.
Die beteiligten Schüler wurden, bis auf den noch im Kindesalter stehenden [Name 7, Vorname], am 19.6.1965 wegen Passvergehens zu bedingten Freiheitsstrafen von neun bzw. sechs Monaten mit zweijähriger Bewährungsfrist sowie entsprechenden Weisungen nach der Jugendgerichtsverordnung (§ 1, 4, 9, 11)2 verurteilt.
Für den Schüler [Name 4, Vorname] wurde Heimerziehung angeordnet, da ihm im Verlaufe des Verfahrens außerdem Diebstahlsdelikte nachgewiesen werden konnten.
[Name 9] und der ehemalige Schüler der 8. Oberschule Prenzlauer Berg, [Name 11], denen am 28.4.1965 der Durchbruch nach Westberlin gelungen war, durchbrachen am 18.9.1965, von Westberlin kommend, erneut die Staatsgrenze der DDR, um in der Hauptstadt weitere Jugendliche anzusprechen und für einen Grenzdurchbruch nach Westberlin zu gewinnen.
Unter den angesprochenen Personen befand sich erneut der wegen versuchten Grenzdurchbruchs am 19.6.1965 verurteilte Schüler [Name 2, Vorname] von der 7. Oberschule Berlin N 58, Gleimstraße, der sich auch dazu bereiterklärte, weil er keine Lust mehr hatte, die Schule zu besuchen.
Insgesamt sprachen [Name 9] und [Name 11] weitere zehn, bereits im Lehrverhältnis stehende Jugendliche an, um sie für den Grenzdurchbruch nach Westberlin zu gewinnen. Bis auf einen Jugendlichen, der ablehnte, erklärten sich alle anderen bereit, daran teilzunehmen.
Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.
An der 10. Oberschule in Berlin-Mahlsdorf explodierte am 24.9.1965 in einer mit dem Bild des Staatsratsvorsitzenden dekorierten »Roten Ecke« ein selbstgefertigter Sprengkörper. Infolge der Druck- und Brandwirkung dieses Sprengkörpers wurde das Fahnentuch leicht versengt und die Fahne aus der Halterung gerissen.
Im Verlaufe der Untersuchung stellten sich die Täter, zwei Schüler von 14 und 15 Jahren, selbst. Beide sind begeisterte Bastler. Aus einem in einer Kiste eingebauten Wecker hatten sie einen Zeitzünder konstruiert, der, mithilfe von zwei Kontakten durch einen Motorrad-Akku gezündet, ein Gemisch von Magnesium-Pulver und einer Kalium-Verbindung zur Entzündung brachte. Ein politisches Motiv für ihre Handlungsweise konnte den Schülern nicht nachgewiesen werden. Da auch die verwendeten Chemikalien nicht unter das Sprengmittelgesetz fallen, wurden sie nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Mit den Schülern wurde deshalb durch die Sicherheitsorgane im Beisein der Schuldirektion eine ernsthafte Aussprache geführt.
An der 9. Oberschule Berlin-Prenzlauer Berg wurde im Klassenzimmer der Klasse 8b am 11.6.1965 eine Brandstiftung verübt. Der Täter hatte einen Schal der Übergardine heruntergerissen und verbrannt und außerdem im Klassenschrank ein Porträt von Mitgliedern des Staatsrates angezündet.
Tatverdächtig war ein Schüler, gegen den bereits ein Gerichtsverfahren wegen Einbruchdiebstahls läuft. Da mangels exakter Spuren am Brandort eine einwandfreie Nachweisführung zur Überprüfung des Täters nicht möglich war, wurde von der VP eine Aussprache mit dem verdächtigen Schüler geführt.
Im Verlaufe der Aufklärung eines am 1.6.1965 erfolgten Einbruchdiebstahls im Munitionsbunker der Kampfsporteinheit Hoppegarten des SC Dynamo Berlin wurden als Täter die Schüler der 10. Oberschule Berlin-Mahlsdorf, [Name 12, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1949 und [Name 13, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1949 ermittelt. Die nach dem Einbruch erfolgte Überprüfung der Munitionsbestände hatte einen Fehlbestand von 505 Wurftaubenpatronen ergeben. Davon wurden bei der Tatortuntersuchung in dem in der Nähe des Munitionsbunkers befindlichen Wäldchen zwei Verstecke mit insgesamt 150 Stück gestohlenen Wurftaubenpatronen gefunden.
Die weitere Untersuchung ergab, dass der [Name 12] am 1.6.1965 nach der Teilnahme am Kindersportfest der Schule sich zum Gebäude des Tontaubenschießplatzes begeben hatte. Nachdem er auf einem Schrottplatz in der Nähe des Munitionsbunkers eine verrostete Stoßstange und einen Meißel fand, fasste [Name 12] den Entschluss, im Munitionsbunker einzubrechen und Munition zu entwenden. Um jedoch keine Fingerspuren zu hinterlassen, holte er sich vor der Tatausführung von zu Hause Handschuhe. Erst danach verübte er den Einbruch. Die gestohlene Munition sowie die Einbruchswerkzeuge nahm er mit nach Hause, wo er sie im Keller versteckte.
Da er wusste, dass [Name 13] Interesse an verschussfähiger Munition hatte, erzählt er ihm noch am gleichen Tage von dem gelungenen Einbruch und erklärte sich bereit, mit [Name 13] noch einen zweiten Einbruch durchzuführen, den beide dann auch gegen 13.00 Uhr ausführten. Die dabei entwendete Munition wurde nur zum Teil noch in der Laube der Großeltern des [Name 13] gefunden, wo dieser sie versteckt hatte. Außerdem wurden bei dieser Durchsuchung in einem Schrank noch zwei unvollständige von [Name 13] selbstgebaute Pistolen gefunden. Als Motiv für die Diebstähle gaben beide Schüler an, dass sie sich Sprengkörper und Munition herstellen und damit herumknallen wollten.
Wie außerdem festgestellt wurde, haben beide auch Verbindungen zu einer unorganisierten Gruppe von Jugendlichen in Mahlsdorf, die wiederholt bereits durch ruhestörenden Lärm, unberechtigtes Benutzen von Kfz, Widerstand gegen Staatsgewalt und wegen anderer Delikte angefallen sind.
Das Ermittlungsverfahren gegen [Name 12] und [Name 13] wurde mit einer bedingten Verurteilung der beiden Täter abgeschlossen. Außerdem wurden vom Gericht entsprechende Maßnahmen zur Auswertung dieses Vorkommnisses mit den gesellschaftlichen Organisationen und der Schule getroffen.
Am 25.9.1965 wurden durch die VP sechs Oberschüler der 10. Klasse der 21. Oberschule Berlin-Prenzlauer Berg festgenommen, weil sie an Unzuchthandlungen im Volkspark Friedrichshain beteiligt waren.
Die Festnahmen erfolgten auf frischer Tat und durch Beschuldigungen der Inhaftierten untereinander. Durch die Beschuldigungen untereinander erhöhte sich die Zahl der Verfahren gegen die an diesen Unzuchthandlungen beteiligten Schüler auf insgesamt 38. Diese Schüler waren jedoch zum Teil nur passiv an diesen Handlungen beteiligt. Die aktive Beteiligung an durchgeführten Überfällen auf jüngere weibliche Personen und an Unzuchthandlungen an diesen Personen ist nach den bisherigen Ermittlungen 17 Schülern nachzuweisen. Zu Vergewaltigungen ist es dabei nicht gekommen.
Allerdings werden die Ermittlungen des Dezernats 2 des Präsidiums der VP Berlin in diesem Verfahren erschwert, da von den geschädigten weiblichen Personen keine Anzeigen und Aussagen zu den Vorkommnissen im Volkspark Friedrichshain vorliegen. Die beschuldigten Schüler sind bisher nicht vorbestraft. Unter ihnen befinden sich auch keine Rückkehrer oder Neuzuziehenden. Die Untersuchungen sind infolge der erschwerten Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, sodass auch über die Motive und Ursachen für die Handlungsweise dieser Schüler noch keine endgültige Einschätzung gegeben werden kann.
An der 11. Oberschule Berlin-Mitte trat eine Gruppe von fünf Schülern in Erscheinung, die besonders westdeutsche und ausländische Bürger anbettelte und sich mit älteren Mädchen herumtrieb. Durch die VP, die wiederholt einzelne Mitglieder dieser Gruppe auf frischer Tat stellte, wurden mit der Schulleitung gemeinsam mit diesen Schülern Aussprachen durchgeführt und die Schüler verwarnt.
Neben diesen Vorkommnissen strafrechtlichen Charakters wurden jedoch auch noch andere Vorkommnisse mit Oberschülern bekannt, die gleichfalls auf erhebliche ideologische Unklarheiten unter den Schülern dieser Oberschulen hinweisen und bestätigen, dass auch an diesen Schulen die staatsbürgerliche Erziehung in Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Organisationen und dem Elternhaus nicht mit der erforderlichen Überzeugung erfolgt.
An der 9. Oberschule in Berlin-Pankow z. B. schrieb der Schüler [Vorname Name 14] in der schriftlichen Abschlussprüfung im Fach Deutsch einen Aufsatz, in dem als Thema der Ausspruch von Christa Wolf »Von der Kraft vieler wird es abhängen, wie die Zukunft wird«3 erläutert werden sollte.
Diesen Aufsatz beendete der Schüler [Name 14] mit dem Resümee, dass man die Menschen in der DDR »vorläufig noch nicht« vom Sozialismus überzeugen könne, und wenn die Lage so bleibe, »es zu einem zweiten 17. Juni kommen« würde. Dafür könnten dann nicht »westliche Aggressoren« verantwortlich gemacht werden, denn »der Grund für diesen Aufstand wäre die Forderung für ein besseres Leben«. Als Schlusswort enthielt der Aufsatz den Satz: »So wird erst die Zukunft in Deutschland den Menschen neue Kraft geben«.
In der Konzeption zu diesem Aufsatz war [Name 14] von dem Gedanken ausgegangen, »in ganz Deutschland wäre ein dritter Weg möglich, vorausgesetzt, dass sich die Sowjetunion nicht einmischt«. Diese Behauptung hat er jedoch in seiner Reinschrift weggelassen. [Name 14] war bis zu diesem Tage mit einer derartigen Haltung an der Schule nicht aufgefallen. Sein Vater war Grenzgänger. Von der Abt. Volksbildung wurde veranlasst, nach Abschluss der Prüfung diesen Aufsatz in einer Aussprache mit den Schülern dieser Klasse gründlichst auszuwerten.
An der 9. Oberschule Berlin-Prenzlauer Berg wurde mit den 10. Klassen am 16.9.1965 ein Jugendforum durchgeführt, an dem etwa 50 Schüler teilnahmen. Diesen Schülern wurde vor Beginn des Forums die Möglichkeit gegeben, schriftliche Fragen ohne Unterschrift des Fragestellers bei der Schulleitung abzugeben. Ca. 80 % der daraufhin schriftlich eingereichten Fragen befassten sich in negativer Form mit Problemen der Staatsgrenze, der Wehrpflicht, der Lebenslage und dem Lebensstandard in der DDR. Bei der Beantwortung der Fragen durch die Forumleitung wurde sichtbar, dass der überwiegende Teil der Jugendlichen eine vorgefasste negative Meinung hatte und der Inhalt ihrer Fragen und Zwischenrufe starken gegnerischen politisch-ideologischen Einfluss erkennen ließ. Versuche des Schulleiters, das Forum auf Probleme der sozialistischen Rechtspflege und der volkspolizeilichen Tätigkeit zu lenken, scheiterten am Auftreten der anwesenden Jugendlichen. Das Forum wurde zum Anlass ernster politisch-ideologischer Auseinandersetzungen in diesen Klassen und an der Schule genommen.