Paketversand der Hilfsstelle westdeutscher Kirchen
9. März 1965
Einzelinformation Nr. 208/65 über den organisierten Paketversand westdeutscher evangelischer Kirchenkreise nach der DDR
Eine zuverlässige Quelle berichtete Einzelheiten über eine interne Besprechung, die am 23.2.1965 in der Hauptstadt der DDR stattfand und an der einige führende Vertreter der Ev. Kirche der DDR und der ehemalige Superintendent Leutke1 (vor 1961 Kyritz, [Bezirk] Potsdam, jetzt Rheinland) teilnahmen. Auf dieser Besprechung wurden das System und der Modus für den Paketversand an Vertreter der evangelischen Kirche der DDR im Jahre 1965 beraten und festgelegt.
Leutke unterbreitete den Plan für den Paketversand in diesem Jahr. Er führte sinngemäß aus, dass er, Leutke, von Präses Scharf2 für die Organisierung und Durchführung des Paketversandes verantwortlich gemacht wurde. Vor dem 13.8.1961 habe sich jeder ev. Pfarrer in der DDR ein sog. Westgeldgehalt abholen können, das er entweder auf einem Westkonto deponierte oder für Einkäufe verwandte. Nach dem Wegfall dieser Möglichkeit habe er von Westdeutschland aus den Paketversand organisiert. Der Umfang der für diese Zwecke bereitgestellten Mittel habe sich von Jahr zu Jahr erhöht. Die Mittel würden von der sog. Bruderhilfe zur Verfügung gestellt, wobei jede Landeskirche in Westdeutschland einen bestimmten Beitrag leiste. 1964 seien von der »Bruderhilfe« für den Paketversand 5,7 Mio. DM zur Verfügung gestellt worden. Sie verfüge noch über größere Summen, über deren Verwendungszweck noch keine Klarheit bestehe. Die »Bruderhilfe« habe in Westdeutschland 1964 bereits größere Summen für Bauprojekte in den Entwicklungsländern bereitgestellt. Der direkten Unterstützung der evangelischen Kirchen in der DDR über staatliche Vereinbarungen sind bestimmte Grenzen gesetzt. Eine Unterstützung durch den sog. Geschenkdienst sei ebenfalls nur in beschränktem Maße möglich.
Leutke führte weiter aus, dass das »Kuratorium der Bruderhilfe« unter Leitung von Präses Scharf beschlossen habe, im Jahre 1965 die Mittel für Paketsendungen nach der DDR unter Wahrung strengster Geheimhaltung gegenüber den Organen der DDR auf 6 Mio. DM zu erhöhen. Die Durchführung der Paketaktionen werde von den einzelnen Dienststellen des Hilfswerkes vorgenommen. Um den organisierten Charakter dieser Aktionen zu verschleiern, würden Privatpersonen zwischengeschaltet bzw. fingierte Absender genannt.3
Der Kreis der Paketempfänger in der DDR – bisher Pfarrer und aktive Kirchenangestellte – soll in diesem Jahr erweitert werden und zwar auf Pfarrvikare und Pfarrer im Ruhestand sowie Pfarrerwitwen. In den Empfängerkreis könnten auch aktive Gemeindemitglieder aufgenommen werden. Es sei vorgesehen, dass jede Person jährlich Pakete oder Päckchen im Werte von 300 DM erhält. Bei Verheirateten mit Kindern erhöhe sich dieser Betrag für jeweils zwei Kinder um 100 DM bis zu insgesamt 600 DM. Die einzelnen Landeskirchen sollen Listen mit Adressen zusammenstellen und diese dem Büro der VELKD, Oberkirchenrat Heidler,4 übergeben. Leutke werde die Kurierverbindung mit dem Büro aufrechterhalten und dafür sorgen, dass im Rahmen der sog. Patenschaftsverbindungen die Paketsendungen organisiert werden.
Wie weiter berichtet wurde, wandte sich ein Vertreter der Kirchenleitung Dresden gegen die Erweiterung des Empfängerkreises, weil dadurch die Geheimhaltung nicht mehr gewährleistet werde. Er führte dazu aus, dass staatliche Organe der DDR über den organisierten Charakter der Paketsendungen zwar Hinweise hätten, er habe jedoch noch nicht bemerkt, dass diese staatlichen Stellen darüber konkrete Angaben besitzen. Er halte es für besser, den Anteil je Person zu erhöhen und es den Empfängern zu überlassen, nach eigenem Ermessen weitere Personen einzubeziehen. Durch ein solches Vorgehen würde außerdem eine bessere Verbindung zu diesem Personenkreis ermöglicht. Wie in diesem Zusammenhang bekannt wird, gehören dem Kuratorium der sog. Bruderhilfe in Westdeutschland, neben den bereits genannten Präses Scharf und Superintendent Leutke, Präsident Wagemann, Hannover (als Vorsitzender),5 Präsident Zimmermann, Westberlin, und Oberkonsistorialrat Hammer, Westberlin, an.
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