Presseinstruktion des Senats von Berlin zur Passierscheinfrage
2. August 1965
Einzelinformation Nr. 724/65 über vertrauliche Presseinstruktionen des Westberliner Senats zur Passierscheinfrage und zu den Autobahn-Instandsetzungsarbeiten bei Dreilinden
Zuverlässig wurden Angaben über eine vertrauliche Instruktion von Westberliner Pressevertretern durch den stellv. Senatspressechef Herz1 zur Passierscheinfrage bekannt. Herz teilte mit, dass am 19.7. ein Fernschreiben von Staatssekretär2 Dr. Kohl eingegangen sei, aus dem hervorgehe, dass die Regierung der DDR noch immer auf eine befriedigende Antwort auf den Brief von Ministerpräsident Stoph vom 14.6.1965 wartet.3 Die Pressevertreter wurden aufgefordert, auf dieses Fernschreiben4 nur dann einzugehen, wenn die DDR es veröffentlicht. Nach vorheriger Konsultation mit der Bundesregierung und Beratung mit dem Bonner Staatssekretärausschuss würde es am 23. oder 26.7. beantwortet werden.
Herz erklärte dazu, dass Korber5 wahrscheinlich nur kurz mitteilen würde, über den Brief von Ministerpräsident Stoph könne bei der nächsten Zusammenkunft gesprochen werden. Korber werde bei dieser Zusammenkunft wieder den bekannten vorbereiteten Protokollentwurf vorlegen.
Zur Einschätzung des Fernschreibens der DDR äußerte Herz, da die Frage der Bevollmächtigung von Korber darin nicht aufgeworfen worden sei, nehme man an, sie habe sich erledigt. Der Senat halte es für sehr wesentlich, dass die DDR sich überhaupt wieder gemeldet habe. Er glaube darin ein Anzeichen zu sehen, dass sie an einer Fortsetzung des Passierscheinabkommens interessiert ist. Der Senat werde sehr behutsam reagieren. Es komme darauf an, in den nächsten Wochen den Kontakt nicht abreißen zu lassen.
Der Senat rechne nicht mehr mit einer neuen Vereinbarung vor Ablauf des alten Abkommens. Er sei jedoch zuversichtlich, dass ein neues Abkommen zustande kommt.
Herz äußerte die Auffassung, dass in den nächsten Wochen noch mit weiteren Vorstößen der DDR in der Deutschlandfrage zu rechnen sei. Er messe entsprechenden Andeutungen führender Persönlichkeiten der DDR konkrete Bedeutung bei. Er sprach dabei besonders von den Äußerungen Minister Winzers.
Die Koordinierung dieser Maßnahmen und Vorstöße würde im Staatssekretariat von Dr. Kohl erfolgen und systematisch und genau abgewogen betrieben werden. Es sei zu vermuten, dass sich die DDR anschicke, alle möglichen Hebel gegenüber der Bundesrepublik und Westberlin zu benutzen, um die bestehenden Verbindungen neu zu gestalten und Regelungen zwischenstaatlichen Charakters zu erreichen. Herz schussfolgerte daraus die Notwendigkeit, bei der Bundesregierung ebenfalls eine Koordinierungsstelle zu schaffen.
Auf Fragen der Pressevertreter ließ sich Herz nicht ein. Er wich auch der Frage aus, weshalb es der Senat für möglich hielt, die Antwort auf das erwähnte Fernschreiben der DDR mit der Bundesregierung abzustimmen.
In einem weiteren vertraulichen Pressegespräch nahm Bausenator Schwedler6 aufgrund der gegen ihn in einigen Westberliner Blättern vorgetragenen Angriffe zu seinen Kontakten mit den zuständigen Behörden der DDR über die Instandsetzungsarbeiten an der Autobahnbrücke bei Dreilinden Stellung. Diese Kontakte seien nicht nur wegen der gegenwärtigen Arbeiten an der Straßenoberfläche der Brücke nötig. Untersuchungen der Brücke hätten ergeben, dass auch weitere Überholungsarbeiten erforderlich seien.7 Auf Fragen besonders des Vertreters der »BZ«8 erklärte Schwedler, dass er im Auftrage des Bundesverkehrsministeriums gehandelt habe, da die Westberliner Autobahn der Bundesautobahnverwaltung unterstehe. Die DDR würde damit akzeptieren, dass für die Westberliner Autobahn das Bundesverkehrsministerium zuständig sei.
Schwedler betonte mehrfach, dass er sich von den Kontakten zum Verkehrsministerium der DDR mehr als nur die jetzige Brückenreparatur verspricht. Er habe es aber bisher bewusst unterlassen, auf weitere ihn interessierende Fragen einzugehen. Die Fragen sollten in persönlichen Kontakten vorgebracht werden.
Schwedler äußerte in diesem Zusammenhang, dass er in der nächsten Zeit auch wegen Bauarbeiten im Stadtinnern die Unterstützung der Presse brauche, um mit der DDR ins Gespräch zu kommen. Diese Angelegenheit sei viel heikler als die Arbeiten bei Dreilinden. Konkrete Einzelheiten dazu teilte Schwedler nicht mit.
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