Schlägerei Jugendlicher auf dem Weihnachtsmarkt in Gera
11. Dezember 1965
Einzelinformation Nr. 1107/65 über Ausschreitungen von Jugendlichen auf dem Weihnachtsmarkt in Gera am 8. Dezember 1965
Am 8.12.1965, gegen 18.00 Uhr, kam es auf dem Weihnachtsmarkt in Gera zu einer Schlägerei zwischen den Jugendlichen [Name 1] und [Name 2], die von [Name 1] absichtlich provoziert worden war. Beide Personen wurden sofort von einer großen Anzahl von Jugendlichen umringt. Da die Initiative zu diesem Vorkommnis offensichtlich von [Name 1] ausging, wurde dieser von einem Angehörigen der VP aufgefordert, seine Handlungen einzustellen und den Weihnachtsmarkt zu verlassen. Dieser Aufforderung leistete [Name 1] nicht Folge, sondern griff den VP-Angehörigen mehrmals tätlich an. [Name 1] wurde daraufhin zunächst vom Weihnachtsmarkt abgedrängt und dann dem nächstliegenden VP-Revier zugeführt. Im Verlaufe dieser Handlungen rotteten sich ca. 50 Jugendliche zusammen, die pfeifend und johlend ebenfalls zum VP-Revier zogen. Zu Ausschreitungen gegen VP-Angehörige ist es dabei nicht gekommen.
Außer gegen den Jugendlichen [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1950, wohnhaft Gera, [Straße Nr.], Betonbauerlehrling (Mitglied der FDJ, jedoch nicht aktiv tätig. Wegen Erziehungsschwierigkeiten im Elternhaus erfolgte Unterbringung im Internat der BBS – dort wiederholt Verstöße gegen die Heimordnung und deshalb öfters Ausgangssperre), wurden auch gegen [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1937, Betonbauer, [Name 4, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1946, Gleisbauer (häufig Arbeitsstellen gewechselt) sowie [Name 5, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1948, Transportarbeiter (bis Frühjahr 1965 Jugendwerkhof wegen Diebstahl), die maßgeblich an der Zusammenrottung beteiligt waren, Ermittlungsverfahren wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt bzw. Aufruhr eingeleitet. (Die EV gegen [Name 1], [Name 4] und [Name 5] werden mit Haft durchgeführt.)
Weitere zwölf Jugendliche wurden dem VPKA zugeführt und nach eindringlichen Aussprachen den verständigten Eltern übergeben.
Die Untersuchungen durch das MfS ergaben bisher Folgendes:
Die Schlägerei zwischen den Personen [Name 1] und [Name 2] erfolgte aus rein persönlichen Motiven, wobei der Beschuldigte [Name 1] aussagte, dass er bereits mit dem Vorsatz zum Weihnachtsmarkt gegangen sei, eine Schlägerei zu beginnen.
Der gegen die Volkspolizei gerichtete Widerstand sowie die anschließende Zusammenrottung der Jugendlichen vor dem VP-Revier stellten keine zielgerichteten Handlungen gegen die Sicherheitsorgane dar. Die beschuldigten Personen betonten, dass sie lediglich aus dem Bedürfnis heraus, etwas »erleben« zu wollen, gehandelt hätten. Der größte Teil der dem VPKA zugeführten Jugendlichen ist zwischen 15 und 17 Jahre alt und besucht noch die Schule. Drei der betreffenden Jugendlichen sind jedoch bereits wegen krimineller Delikte bzw. versuchter Republikflucht vorbestraft.
Bei den am Vorkommnis beteiligten Jugendlichen handelt es sich nicht um Angehörige einer Gruppierung, sondern der Geraer Weihnachtsmarkt stellt gegenwärtig einen Konzentrationspunkt der Jugendlichen dar.
Am 7.12.1965 war es ebenfalls auf dem Weihnachtsmarkt in Gera bereits zu einer Schlägerei zwischen zwei Jugendlichen und einer Ansammlung von Jugendlichen gekommen. Diese Schlägerei trug gleichfalls keinen organisierten Charakter, die dadurch hervorgerufene Ansammlung löste sich nach Beendigung der Schlägerei ohne Eingreifen der Sicherheitsorgane wieder auf.
Die eingeleiteten EV sollen nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft bis 15.12.1965 abgeschlossen sein.
Zur Verhinderung ähnlicher Vorkommnisse wurden in Verbindung mit der VP zusätzliche Sicherungsmaßnahmen eingeleitet.