Störungen beim Kosmonautenbesuch in Westberlin (1. Fassung)
13. Oktober 1965
Einzelinformation Nr. 882a/65 über Provokationen gegen den Besuch der sowjetischen Kosmonauten Leonow und Beljajew in Westberlin am 12. Oktober 1965 (1. Fassung)
Anlässlich der von der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Westberlin mit den sowjetischen Kosmonauten1 am 12.10.1965 im Filmtheater »Humboldthain«, Wedding, durchgeführten Veranstaltung kam es zu folgenden Provokationen:
Bereits vor Beginn der Veranstaltung hatten sich zahlreiche Westberliner Bürger vor dem Kino eingefunden, um die Kosmonauten zu empfangen. Als kurz nach 19.00 Uhr die Wagen der Kosmonauten, die vom Passieren der GÜST Friedrich-/Zimmerstraße an von drei Pkw der französischen Militärpolizei eskortiert worden waren, vor dem Kino eintrafen, kam es zu Tumulten unter den vor dem Kino versammelten Personen – in der Mehrzahl Jugendliche. Die von der Duensing-Polizei2 durchgeführte Absperrung wurde an mehreren Stellen durchbrochen. Zwei männliche Personen trugen selbstgefertigte Hetzplakate, deren Inhalt sich gegen den antifaschistischen Schutzwall3 richtete. Dem älteren der beiden Männer gelang es, sein Plakat auf den Wagen der Kosmonauten zu legen, bevor beide von Duensing-Polizisten zurückgewiesen wurden. Beide Personen ließen sich jedoch nicht festhalten, sondern warfen sich vor den Wagen der Kosmonauten, wobei sie ihre Plakate hochhielten. Erst danach gelang es den Polizisten, beide an den Straßenrand zu bringen, wo sich sofort eine Menschenansammlung bildete.
Die Reaktion der Westberliner Bürger auf diese Provokation war unterschiedlich. Ein Teil der Westberliner Bürger unterstützte diese Handlungen durch Zurufe wie »Mörder«, »Schweine« und gab zu verstehen, dass es richtig sei, »wenn es den Russen einmal gezeigt würde«. Dabei handelte es sich zum großen Teil offensichtlich um aufgeputschte Jugendliche. Diese hatten ursprünglich weitere Hetzplakate mit sich geführt, die jedoch von der Duensing-Polizei beschlagnahmt worden waren. Von diesen Jugendlichen wurde auch laufend geäußert, dass es sich bei den Veranstaltungsteilnehmern nur um Kommunisten und Angehörige der Staatssicherheit handeln würde.
Andere Westberliner Bürger brachten dagegen zum Ausdruck, man könne durch solche Handlungen die Passierscheinverhandlungen gefährden.
Die Provokation der beiden männlichen Personen wurde von anwesenden Reportern und Filmleuten sofort gefilmt. Nach Beendigung der Veranstaltung gegen 21.15 Uhr wurden von einem Teil der vor dem Kino versammelten Personen die Provokationen fortgesetzt. U. a. wurden einzelne Veranstaltungsteilnehmer tätlich angegriffen, in Schlägereien verwickelt, mit roter Farbe begossen und gemein beschimpft. Zu diesem Zeitpunkt begann vom Dach eines angrenzenden Hauses aus eine männliche Person mit einem Handlautsprecher die Provokateure durch Parolen gegen die Staatsgrenze und die Kosmonauten aufzuputschen. Von Mitarbeitern der Agentenzentrale »Vereinigung 17. Juni 1953«4 wurden Flugblätter verbreitet, in denen zum »Widerstand« gegen die DDR und die Mauer aufgerufen wird. Derartige Flugblätter wurden auch an den während der Veranstaltung durch die Provokateure beschädigten Fahrzeugen des Deutschen Fernsehfunks angebracht.
Als die Fahrzeugkolonne der sowjetischen Kosmonauten den Hof des Kinos verlassen wollte, drängten die Provokateure gegen diese Fahrzeuge und versuchten sie zu stoppen. Dabei wurden erneut die bereits vor Beginn der Veranstaltung gerufenen Hetzparolen gegen die Kosmonauten und die Versammlungsteilnehmer verbreitet. Der Pkw der sowjetischen Kosmonauten wurde an der vorderen Windschutzscheibe und auf dem Dach mit roter Farbe beschmiert. Die Westberliner Polizei schritt gegen diese Handlungen nicht ein und unternahm auch nichts, um die Fahrbahn freizumachen.
Nur durch das Eingreifen eines Pkw der französischen Militärpolizei, der die Provokateure abdrängte und den Weg freimachte, konnte die Fahrzeugkolonne mit den sowjetischen Kosmonauten die Fahrt zur GÜST Friedrich-/Zimmerstraße, die gegen 21.45 Uhr passiert wurde, fortsetzen. Gegen 21.45 Uhr wurden durch die Westberliner Polizei die Provokateure von der Badstraße in die Stettiner Straße abgedrängt. Danach löste sich die Menschenansammlung auf.