Synode der Evangelischen Kirche der Union in Berlin (3)
4. Dezember 1965
Einzelinformation Nr. 1082/65 über die Synode der »Evangelischen Kirche der Union« und den von ihr gefassten Beschluss
Am letzten Tag der Synode der EKU in Berlin-Weißensee (2.12.1965) wurden zunächst die Beratungen in den Ausschüssen fortgesetzt.
Im Berichtsausschuss setzten Präsident Hildebrandt1 und der Vertreter der Kirchenkanzlei der EKU in Westberlin, Dr. Jonson, ihre Auffassung durch, wonach die Synoden in Weißensee und in Spandau in getrennten Abstimmungen einen einheitlichen Beschluss fassen sollten. Unter Hinweis auf die inhaltliche Angleichung der beiden Beschlussentwürfe wurde die »Notwendigkeit eines Kompromisses« betont.
Im Plenum der Synode in Weißensee wurde dann der »einheitliche« Beschluss der beiden Berichtsausschüsse in Weißensee und Spandau bei einer Stimmenthaltung angenommen.2 In Spandau wurde dieser Beschluss ebenfalls angenommen (Einzelheiten über das Abstimmungsverhältnis und über vorausgegangene Diskussionen in Spandau sind noch nicht bekannt).
Der Beschluss, in dem einleitend die »Einheit der EKU« und die »Aufgabe der Versöhnung« hervorgehoben werden, ist in sieben Punkte untergliedert.
Im Beschluss wird dargelegt, dass der Ökumenische Rat der Kirchen und insbesondere seine Kommission für Internationale Angelegenheiten »sich beharrlich um die Erhaltung des Friedens in der Welt bemühen«. Dieser ökumenische Friedensdienst sei in der Kirche noch zu wenig bekannt und werde nur unzureichend verantwortlich mitgetragen. Die Leitungen der Gliedkirchen, die Pfarrer und Gemeinden werden aufgerufen, über diesen Friedensdienst besser zu informieren und zum Mitarbeiten anzuregen.
Die EKD habe ihre Kammer für Öffentliche Verantwortung beauftragt, sich der Erörterung der »Probleme des Friedens in der Welt zuzuwenden«. Sie habe beschlossen, eine deutsche Unterkommission von CCIA (Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten)3 zu bilden. Die Synode bittet den Rat zu prüfen, »ob gegebenenfalls eine eigene Friedenskommission zu bilden ist, die im Zusammenwirken mit beiden Gremien einem christlichen Friedensdienst den Weg bereiten könnte. Ferner möge der Rat (gemeint ist der Rat der EKU) in Verbindung mit dem Rat der EKD prüfen, ob ein christliches Friedensinstitut hierzu als wissenschaftliche Forschungsstelle notwendige Dienste leisten könnte.«
Die Passage zur sog. Denkschrift »Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn«4 ist sehr allgemein gehalten und geht – wie der Inhalt der Denkschrift selbst – einer klaren Entscheidung aus dem Wege. Im Beschluss heißt es dazu, die Denkschrift habe »ein Gespräch in Gang gebracht, das schon lange fällig ist. Die Synode ist dankbar für diesen Beitrag, der zur Versachlichung der Diskussion und zur allseitigen kritischen Urteilsbildung dienen soll. Sie bittet die Gliedkirchen, das Gespräch über die damit aufgebrochenen Fragen zu fördern und die damit verbundenen seelsorgerischen Aufgaben ernst zu nehmen. Sie bittet den Rat, Verbindungen zu den östlichen Nachbarvölkern und insbesondere zu deren Kirchen stärker zu suchen.« In einem weiteren Abschnitt wird dazu aufgerufen, die »Aktion Sühnezeichen«5 noch mehr zu unterstützen.
Zur Frage der Wehrdienstverweigerer wird angeführt, dass junge Christen heute ernstlicher als früher fragen würden, ob sie Wehrdienst leisten können. »Die Synode beauftragt den Rat, dahin zu wirken, dass ein Ersatzdienst auch außerhalb der Streitkräfte sowie außerhalb der Staatsgrenzen bei Völkern anerkannt wird, die lebenswichtige Aufbauarbeiten in Angriff nehmen.«
Das Zustandekommen des »freilich nur befristeten Passierscheinabkommens« wird als ein Verdienst »Gottes« bezeichnet. Weiter heißt es im Beschluss dazu: »Noch aber sind viele schmerzliche Wunden durch die Zerteilung unseres Volkes vorhanden. Wir bitten immer wieder und immer dringlicher darum, nicht den Menschen politischen Prinzipien zu opfern. Die Synode denkt dabei besonders an die je länger je mehr unerträgliche Trennung von Eheleuten und Verlobten.«
Der siebente und letzte Punkt des Beschlusses über die sog. politische Propaganda wird nachstehend wörtlich wiedergegeben:
»Eine politische Propaganda in beiden Teilen Deutschlands, die durch einseitige Berichterstattung Hass erzeugt, hindert die Entspannung und führt zu gefährlichen Entwicklungen. Christen dürfen sich an einem solchen Tun nicht beteiligen, sie sollen im Gegenteil an jedem Platz, an dem sie stehen, für eine auch dem Gegner gerecht werdende Berichterstattung eintreten und damit dem Frieden unter den Menschen dienen.«
Die der Plenartagung vorausgegangene Diskussion im Berichtsausschuss konzentrierte sich am 2.12. – neben der Behandlung des Beschlussentwurfs – auf den von Pfarrer Hamel6 aus Naumburg am 1.12. vorgelegten Entwurf eines Briefes an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR. Ergänzend zu den in der letzten Information über die Synode angeführten Einzelheiten wurde darüber bekannt, dass dieser Brief-Entwurf von den im Berichtsausschuss vertretenen drei Ärzten sehr massiv angegriffen wurde, besonders der Teil über die ärztliche Betreuung und Kurverschickung nach Westdeutschland. Bei diesen drei Synodalen handelt es sich um Dr. [Name 1], Naumburg, Dr. [Name 2], Lehnin, und einen namentlich noch nicht bekannten Sanitätsrat.
Die genannten drei Synodalen wandten sich mit folgenden Argumenten gegen den Briefentwurf:
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die westdeutsche sog. Medikamentenfrage sei eine Psychose.
Über die Kreisapotheken könnten bei den Bezirksapotheken alle dringend benötigten Medikamente angefordert werden. Außerdem unterhalten die Bezirksapotheken einen Notruf zum Ministerium für Gesundheitswesen, wo – wenn erforderlich – selbst aus Übersee Medikamente in dringenden Fällen besorgt werden können.
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Spezialkuren wie z. B. in Bad Wildungen, Bad Nauheim und in anderen Orten Westdeutschlands können heute durch Kuren in der ČSSR ersetzt werden.
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Spezialbehandlungen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sind in der DDR durchführbar.
Wie weiter bekannt wurde, sprachen die Bischöfe Krummacher7 und Fränkel8 sich gegen diese Argumente aus und stellten sie infrage, woraufhin die drei Ärzte gedroht hätten, wenn die Bischöfe alles besser wissen wollen, würden sie im Berichtsausschuss nicht mehr mitarbeiten. Sie könnten derartige Eingaben weder befürworten noch verantworten. Der Brief an den Vorsitzenden des Ministerrats der DDR sei daraufhin auf die Bitte reduziert worden, Erleichterungen für Reisen von DDR-Bürgern nach Westdeutschland und Westberlin zu schaffen bei getrennt lebenden Ehegatten, bei Verlobten, Invaliden und in dringenden Fällen, wie Todesfällen, lebensgefährliche Erkrankung usw.
In dieser Form sei der Brief dann auch im Plenum der Synode verlesen worden. Im Plenum habe es weder einen Meinungsaustausch dazu gegeben noch wurde eine Abstimmung darüber vorgenommen.
Wie in diesem Zusammenhang bekannt wurde, berieten Bischof Krummacher und Präsident Hildebrandt nach Abschluss der Synode intern darüber, wie mit dem Brief an den Vorsitzenden des Ministerrats der DDR verfahren werden soll. Sie legten dabei fest, nach Möglichkeit eine persönliche Übergabe des Briefes an Genossen Stoph zu erreichen und zu diesem Zweck entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Es soll dabei u. a. versucht werden, über das Vorzimmer bzw. über den persönlichen Referenten den Genossen Stoph eine Art Vorgespräch (Testgespräch) zu führen. Für den Fall der Annahme des Briefes der Synode durch den Genossen Stoph bzw. bei Einleitung von Maßnahmen zur Neuregelung oder Erweiterung der derzeitigen Bestimmungen über Besuchsreisen nach Westdeutschland und Westberlin soll dies als »großer Erfolg« der EKU propagiert werden. Neben der damit verbundenen Absicht, die EKU aufzuwerten, wurde gleichzeitig als ein weiteres Ziel genannt, Bischof Mitzenheim9 »in den Schatten zu stellen«.
Weiter wurde vom letzten Tag der Synode berichtet, dass die übrigen theologischen Probleme und kirchenjuristischen Angelegenheiten nicht zu Ende diskutiert werden konnten, da die Zeit hierfür nicht ausreichte. Die weitere Behandlung dieser Probleme soll in noch zu schaffenden Arbeitsgruppen erfolgen.
Die Synode in Weißensee wurde am 2.12. (gegen 18.00 Uhr) mit einem Abschlussgottesdienst in der Pfarrkirche Weißensee beendet. Den Abschlussgottesdienst hielt Bischof Fränkel. Er gedachte in der Fürbitte Präses Scharf10 und des inhaftierten Bausoldaten, Vikar Werner, aus Dessau.
An der letzten Vollsitzung der Synode und am Abschlussgottesdienst nahmen drei westdeutsche Gäste teil, darunter Stadtdirektor Dringenberg, Bad Homburg. Wie in diesem Zusammenhang bekannt wurde, kam es über die Frage der Teilnahme westdeutscher Gäste an der Vollsitzung und am Abschlussgottesdienst – es war die Teilnahme von 10 bis 15 westdeutschen Synodalen, die an der Spandauer Synode teilnahmen, vorgesehen – zu Auseinandersetzungen zwischen Bischof Jänicke einerseits und den Bischöfen Krummacher und Fränkel anderseits. Bischof Jänicke habe sich gegen die Teilnahme westdeutscher Synodalen ausgesprochen, da er dies gegenüber Staatssekretär Seigewasser11 nicht verantworten könnte. Wenn er die Teilnahme westdeutscher Gäste gutheißt, würde er gegenüber dem Staat unglaubwürdig, was er vermeiden wolle. Krummacher und Fränkel hätten sich von den Äußerungen Jänickes distanziert. Sie hätten sich dagegen verwahrt, dass Jänicke mit Staatssekretär Seigewasser in dieser Frage in Verbindung tritt und ihn veranlasst, der Teilnahme einiger West-Synoden am Abschlussgottesdienst zuzustimmen.
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