Trinkwasserverseuchung durch sowjetische Truppen bei Bernau
23. März 1965
Einzelinformation Nr. 258/65 über eine Verseuchung des Trinkwassers in Bernau, [Bezirk] Frankfurt/O.
Am 19.3.1965 wurde festgestellt, dass aus den Trinkwasserbehältern des Wasserwerkes Bernau ein gasähnlicher Geruch drang. Die sofort eingeleiteten Untersuchungen und die Überprüfungen der eingesetzten Hygienekommission ergaben, dass von den fünf Brunnen, die der Wasserversorgung der Stadt Bernau dienen, drei Brunnen die Giftstoffe Trichlorethen1 und ein Phenolgemisch enthalten. (Eine genaue quantitative Bestimmung des Giftgehaltes wurde eingeleitet, das Ergebnis liegt noch nicht vor.) Das verseuchte Wasser aus den drei gesperrten Brunnen wird in die Kanalisation abgepumpt. Nach den bisherigen Einschätzungen von Fachexperten ist eine Benutzung dieser Brunnen nicht mehr möglich. Mit einer endgültigen Entscheidung über eine weitere Verwendung ist jedoch erst in ca. drei Wochen zu rechnen.
Wie die weiteren Untersuchungen ergaben, sind die Giftstoffe aus der Sickergrube der chemischen Reinigung des sowjetischen Objektes Schönefelder Weg in die Brunnen des Wasserwerkes eingedrungen. Alle drei gesperrten Brunnen befinden sich im sowjetischen Objekt in der Nähe der chemischen Reinigung.
Die chemische Reinigung wurde 1959 vom VEB Sonderbau Potsdam projektiert und gebaut, ohne dabei die wasserwirtschaftlichen Belange zu berücksichtigen. Nach bisherigen Feststellungen ist die Abwassergrube der chemischen Reinigung undicht, wodurch Chemikalien in das Erdreich eindringen konnten. Die Reinigung der Grube erfolgt in periodischen Abständen durch eine Firma aus Eberswalde. Da sich die Leerung der Grube im Februar/März 1965 verzögerte, lief die Sickergrube über und drangen chemische Stoffe in den Boden ein. (Die aus 10 m Tiefe entnommenen Bodenproben bestätigten, dass mit einer Annäherung an die Sickergrube die Konzentration an Giften stärker wird.)
Wie weitere Untersuchungen ergaben, befinden sich auch die Rohrleitungen zum Abfüllen der Chemikalien aus den Spezialwaggons sowie der stationäre Chemikalienbehälter in einem äußerst schlechten Zustand, sodass auch aus den Leitungen und dem Behälter Chemikalien auslaufen und in das Erdreich eindringen konnten. Da an den Behältern die erforderlichen technischen Anlagen fehlen, kam es beim Abfüllen ebenfalls des Öfteren zum Überlaufen von Chemikalien. Beim Abfüllen der Chemikalien und in der chemischen Reinigung selbst sind nur sowjetische Staatsbürger beschäftigt.
Zur Beseitigung der weiteren Verseuchungsgefahr und zur weiteren Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem Trinkwasser wurden durch die Kreiskatastrophenkommission in Verbindung mit dem Kommandanten des sowjetischen Objektes folgende Maßnahmen eingeleitet:
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der chemische Reinigungsbetrieb im sowjetischen Objekt wurde vorläufig stillgelegt,
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die noch vorhandenen 4 t chemische Reinigungsstoffe aus dem Behälter im sowjetischen Objekt wurden abtransportiert,
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aufgrund der angespannten Lage in der Wasserversorgung werden die sowjetischen Objekte im Stadtgebiet von Bernau (sie verbrauchen täglich bis zu zwei Drittel der Gesamtproduktion des Wassers der Stadt)2 zeitweilig von der Wasserversorgung gesperrt,
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zur Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser wurden 36 Tankfahrzeuge eingesetzt,
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zusätzlich wird eine behelfsmäßige Wasserleitung von Schönow nach Bernau verlegt, die am 23.3.1965 in Betrieb genommen werden soll,
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weitere zwei Brunnen, die zum Schichtpressstoffwerk Bernau gehören, sollen für die Trinkwasserversorgung der Stadt nutzbar gemacht werden. Das Untersuchungsergebnis liegt jedoch erst am 24.3.1965 vor,
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es wurden Maßnahmen eingeleitet, die eine weitere Untersuchung des Wassereinzugsgebietes vom geologischen und bakteriologischen Standpunkt gewährleisten.
Weiter wurde von der Kreiskatastrophenkommission festgelegt, sofort entsprechende Projektierungsarbeiten zu beginnen, um ein neues Wasserversorgungsnetz für Bernau zu entwickeln.
Nach den bisherigen Einschätzungen kann die Trinkwasserversorgung für die Stadt Bernau ab 24.3.1965 wieder voll gewährleistet werden.