Überfall auf SED-Leitungsmitglied in Lauchhammer
5. April 1965
Einzelinformation Nr. 307/65 über den Überfall auf ein Mitglied der ZPL des VEB Bagger- und Förderbrücken- und -gerätebau Lauchhammer, [Bezirk] Cottbus, am 28. März 1965
Durch die weiteren Untersuchungen wurde ergänzend zur Information Nr. 274/65 bekannt: Am 28.3.1965, gegen 1.15 Uhr, wurde das Mitglied der Zentralen Parteileitung der SED des VEB Bagger- und Förderbrücken- und -gerätebau Lauchhammer1, [Name 1, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1931 in Sellessen,2 wohnhaft Lauchhammer-Ost, [Straße Nr.], Nachfolgekandidat des Kreistages Senftenberg, Mitglied der Jugendkommission des Kreises Senftenberg, Abgeordneter der Stadt Lauchhammer, tätlich angegriffen und niedergeschlagen.
[Name 1] hatte am 27.3.1965 an der Delegiertenkonferenz der SED-Parteiorganisation des VEB Bagger- und Förderbrücken- und -gerätebau Lauchhammer-Ost teilgenommen und befand sich – nach einem zeitweiligen Gaststättenaufenthalt – auf dem Weg zu seiner Wohnung. Bei den Tätern handelt es sich um
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[Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1937, Dachdecker im VEB Bagger- und Förderbrücken- und -gerätebau Lauchhammer, 1959 Erstzuzug aus Westdeutschland, Februar bis Mai 1958 Angehöriger der Bundeswehr, angeblich wegen einer Augenverletzung ausgeschieden. 1959 bzw. 1962 vom Kreisgericht Senftenberg wegen Körperverletzung, Brandstiftung und Diebstahl zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt.
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[Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1944, Stahlbauschlosser und E-Schweißer im VEB Bagger- und Förderbrücken- und -gerätebau Lauchhammer,
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[Name 4, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1943, Anstreicher bei [Vorname Name 5], Senftenberg, alle wohnhaft in Lauchhammer-Ost, [Straße Nr.] (Ledigenheim).
Die o. g. Personen kennen sich durch ihre gemeinsame Unterbringung im Ledigenheim und sind eng miteinander befreundet.
Am 27.3.1965, gegen 19.10 Uhr, suchten [Name 3] und [Name 2] die HO-Gaststätte »Haus der Werktätigen« in Lauchhammer-Ost auf, wo sie an einer Tanzveranstaltung teilnahmen. Gegen 24.00 Uhr kam der [Name 4 ] in die Gaststätte und setzte sich an den Tisch zu den Vorgenannten. Sie nahmen alkoholische Getränke zu sich. Nach entsprechenden Überprüfungen waren sie jedoch nicht betrunken. Gegen 1.15 Uhr verließen sie gemeinsam die Gaststätte. Auf dem Heimweg sangen sie militaristische und andere Lieder. Ca. 200 m von der Gaststätte entfernt stellten sie fest, dass ihnen eine Person folgte. Nach ihren Aussagen fühlten sie sich aufgrund des Absingens militaristischer Lieder und ihres rowdyhaften Verhaltens von dieser Person, bei der es sich um den [Name 1] handelte, verfolgt. Sie warteten auf [Name 1] und befragten ihn, weshalb er ihnen folge und wohin er wolle. [Name 1] antwortete sachlich, dass er von einer Delegiertenkonferenz der SED komme und sich auf dem Nachhauseweg befinde. Als [Name 3] hörte, dass [Name 1] von der Delegiertenkonferenz kam, schlug er plötzlich auf ihn ein. Während [Name 1] zu entkommen versuchte, nahmen die Rowdys die Verfolgung auf, wobei [Name 3] rief: »Haltet den Lumpen fest«. Bei der Verfolgung fanden sie [Name 1] auf einem in der Nähe gelegenen Sportplatz in einem Graben versteckt. Alle drei Rowdys warfen sich auf [Name 1] und beschimpften ihn als »Spitzel« und »Kommunistenschwein«. Dabei würgte [Name 2] den [Name 1] und trat ihn mit den Füßen in die Magengegend, während [Name 3] und [Name 4] mit Fäusten auf ihn einschlugen. Weiter versuchte [Name 3] das Parteiabzeichen von der Jacke des Überfallenen abzureißen. Nachdem dies nicht gelang, entrissen [Name 3] und [Name 2] dem [Name 1] die Brieftasche, um sich in den Besitz des Parteidokumentes zu bringen. Durch die entschiedene Gegenwehr des [Name 1] fiel die Brieftasche jedoch zu Boden. Während die Rowdys die Suche nach der Brieftasche aufnahmen, gelang es [Name 1] zu entkommen. Nach längerem Suchen wurde die Brieftasche von den Tätern aufgefunden. Sie entnahmen daraus das Parteidokument, den Deutschen Personalausweis und eine Fahrerlaubnis, zerrissen diese Dokumente und warfen sie in eine Toilette. Die Brieftasche bewahrten sie in einem Versteck in der Wohnunterkunft auf, wo sie bei der Festnahme der Täter sichergestellt werden konnte.
Nach den bisherigen Untersuchungen sind die Täter aus ihrer feindlichen bzw. negativen Einstellung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR heraus gegen [Name 1] vorgegangen. Der Initiator [Name 3] sagt aus, dass es sein Ziel sei, unter allen Umständen nach Westdeutschland zurückzukehren. Er hätte bereits einen Antrag zur Rückkehr nach Westdeutschland gestellt, der jedoch abgelehnt worden sei. Die Brandstiftung 1962 in seiner Wohnunterkunft hätte er bereits mit der Zielstellung getan, dadurch aus der DDR ausgewiesen zu werden. Durch diesen Überfall auf ein Mitglied der SED wollte er seiner feindlichen Einstellung gegen die DDR erneut sichtbaren Ausdruck verleihen. [Name 2] sagt aus, dass er aufgrund der Beeinflussung durch Westsender die sozialistische Entwicklung in der DDR ablehnt. Er wollte durch die Beteiligung am Überfall ebenfalls seine ablehnende Haltung gegenüber unserem Staat zum Ausdruck bringen. [Name 4] erklärte in den bisherigen Vernehmungen, sich dem Überfall nur angeschlossen zu haben, weil es ihm von seinen Freunden vordemonstriert worden sei und er sich nicht ausschließen wollte.
Die Untersuchungen werden weitergeführt.