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Ursache des Großbrandes im Kombinat Schwarze Pumpe

16. Januar 1965
Einzelinformation Nr. 39/65 über die Ursachen des Brandes und der Explosion mit nachfolgendem Großbrand im Druckgaswerk des Kombinates Schwarze Pumpe in Spremberg am 12. Januar 1965

Zu den Ursachen des Brandes und der Explosion mit nachfolgendem Großbrand im Druckgaswerk Schwarze Pumpe1 wurden weitere Untersuchungen mit folgendem Ergebnis geführt:

Am 12.1.1965 erhielt der verantwortliche Reparaturschlosser des VEB Hydraulik Leipzig [Name 1] den Auftrag, undichte Stellen an der hydraulischen Steuerleitung des Generators 10 zu beseitigen. Bei der Überprüfung stellte er fest, dass die Leitung durch eine undichte Schweißnaht Öl absonderte. Um den Schaden zu beheben, versuchte er – entgegen den Sicherheitsbestimmungen – die unter Druck stehende Überlaufleitung abzuschrauben und durch Einlegen einer Metallkugel den Anschlussstutzen der Hauptleitung abzudichten. Vorher hatte [Name 1] lediglich den Maschinisten des Generators 10 darauf hingewiesen, während der Reparaturzeit keine Schaltung durchzuführen; er hatte es jedoch unterlassen, den verantwortlichen Schichtleiter vom PKM Leipzig2 von der beabsichtigten Reparatur zu informieren. Der Schichtleiter hätte während der Reparatur die hydraulische Steuerleitung der 3. Vierergruppe außer Betrieb setzen müssen, um jegliche Schaltungen zu unterbinden.

[Name 1] rechnete damit, dass die Leitung nur mit 2 atü (Normaldruck) belastet sei. Während der Reparaturarbeiten kam es jedoch zu einer Schaltung im gesamten Generatorenbereich, sodass in der Hydraulik ein plötzlicher Druckanstieg von 60 atü erfolgte. Durch den Druck wurde die schon fast gelöste Überlaufleitung von der Hauptleitung abgerissen und es kam zu einem starken Austritt von Hydrauliköl, das sich an den beiden Teilen des Generatorkopfes entzündete. [Name 1] betätigte daraufhin sofort den Notschalter auf der 22-m-Bühne, um die Hydraulik außer Betrieb zu setzen und einen weiteren Ölaustritt zu verhindern. Der Schalter funktionierte jedoch nicht. Der Notschalter auf der 3-m-Bühne sprach ebenfalls nicht an. (Über die Ursachen des Versagens der Schalter werden weitere Untersuchungen geführt.) Erst in der Zentrale gelang es [Name 1] die gesamte Anlage abzuschalten. Inzwischen hatte sich der Brand auf die oberen Bühnen des Generators 10 ausgebreitet. Obwohl der Brand relativ schnell gelöscht werden konnte, entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 125 000 MDN.

Infolge des ausgebrochenen Brandes im Generatorenhaus war es notwendig, die Generatoren unter Druck katastrophenmäßig abzustellen. Dazu war es notwendig, die Sauerstoffleitung zu schließen und die Vergasungsmittelgemischleitung weiterhin mit Dampf unter Druck zu halten, um das Sauerstoff-Dampf-Gemisch aus der Leitung zu drücken. Die dazu erforderlichen Schalthandlungen wurden manuell durchgeführt.

Nach den bisherigen noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen hat der Schaltmaschinist [Name 2] – entgegen den Betriebsvorschriften – sofort nach dem Abschalten der Sauerstoffzufuhr auch den Dampfdruck in der Vergasungsmittelgemischleitung abgestellt. (Der Dampfdruck bildet das notwendige Polster gegen den Überdruck im Generator.)

Durch das vorzeitige Abschalten des Dampfdruckes konnte Rohgas aus dem unter Druck stehenden Generator in die Vergasungsmittelgemischleitung eindringen und sich mit dem noch in der Leitung vorhandenen Sauerstoff verbinden. Dadurch erfolgte kurz nach dem von dem Reparaturschlosser [Name 1] verursachten Brand am Generator 10 eine Explosion in der Vergasungsmittelgemischleitung im Reglerraum. (Diese Explosion wurde nicht unmittelbar durch den von [Name 1] verursachten Brand ausgelöst, sondern nur mittelbar durch das Versagen der Sicherheitseinrichtungen sowie die falsche Handlungsweise des [Name 2] bei der notwendigen Katastrophenabschaltung.) Die Stichflamme der Explosion schlug in den Kabelkanal und verursachte einen Brand, durch den die Kabel und Schaltfelder der 1. und 2. Generatorengruppe vernichtet und die Steuerleitungen der Generatorengruppen 1 und 3 stark beschädigt wurden.

Der durch die Explosion und den anschließenden Brand verursachte Sachschaden beträgt ca. 700 000 MDN. Weiter ist damit zu rechnen, dass die drei Generatorengruppen – wie in der Information 29/65 angeführt – ausfallen. Die Inbetriebnahme der noch im Bau befindlichen 4. Generatorengruppe wird dadurch um ca. vier Wochen verzögert. Personenschaden trat nicht ein.3

Gegen

  • den Reparaturschlosser [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1942, wohnhaft Leipzig O 27, [Straße Nr.], seit [Monat] 1962 als Außenmonteur beim VEB Hydraulik Leipzig, verheiratet, ein Kind, Mitglied der FDJ und des FDGB und

  • den Maschinisten [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1934, wohnhaft Rathenow, [Straße Nr.], im Gaswerk beschäftigt seit [Monat] 1964, verheiratet, drei Kinder, Mitglied der SED 1955–1961 (Streichung auf eigenen Wunsch),

wurden getrennte Ermittlungsverfahren eingeleitet, da, wie im Bericht bereits dargelegt, die durch [Name 2] verursachte Explosion mit Brandfolge nur mittelbar mit dem durch [Name 1] verursachten Brand im Zusammenhang steht.

Allgemein ist aufgrund der Untersuchungen einzuschätzen, dass die fahrlässigen Handlungen von [Name 1] und [Name 2] nicht zu solchen umfangreichen schädlichen Folgen geführt hätten, wenn die technischen Sicherheitseinrichtungen in Ordnung gewesen wären.

Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass die technischen Sicherheitseinrichtungen keinesfalls den Anforderungen entsprachen und u. a. Rückschlagklappen, Schnellschlussventile und Schalter für die Notentspannung der Hydraulik nicht funktionsfähig waren.

Derartige Mängel sind in der Vergangenheit bereits wiederholt aufgetreten, bisher wurde jedoch nichts unternommen, um diese Gefahrenquellen zu beseitigen. Die Produktion wurde unter Missachtung der Sicherheitsvorschriften fortgesetzt.

  1. Zum nächsten Dokument Scheunenbrand in Neuendorf

    19. Januar 1965
    Einzelinformation Nr. 46/65 über einen Brand in der LPG Typ I in Neuendorf, Kreis Worbis, Bezirk Erfurt

  2. Zum vorherigen Dokument Geplantes Auftreten Robert Havemanns

    13. Januar 1965
    Einzelinformation Nr. 31/65 über ein geplantes öffentliches Auftreten von Prof. Robert Havemann