Veranstaltung des Rates des Bezirkes Rostock mit Christen der Diakonie
21. September 1965
Einzelinformation Nr. 832/65 über eine Veranstaltung des Rates des Bezirkes Rostock mit Christen am 6. September 1965 in den Diakonie-Anstalten Züssow, [Kreis] Greifswald
An der vom Rat des Bezirkes Rostock organisierten Veranstaltung mit Pfarrern und Laienchristen nahmen neben einer Anzahl von christlichen Laien insgesamt 80 Pfarrer und Theologen teil.1 Das Referat wurde vom Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates Gerald Götting2 gehalten.
Die Diskussion wurde von Probst Schulz eröffnet. Er ging auf das Verhältnis Marxisten – Christen in der DDR ein und betonte, dass sich dieses Bündnis in der DDR sehr bewährt habe. Es gebe erfreuliche Parallelen im Menschenbild des Marxismus. Im Zusammenhang mit dem Wunsch der Kirchenleitung, der christlichen Erziehung der Kinder mehr freien Raum zu geben, beklagte er, dass die Lehrpläne keine Möglichkeit für einen ausreichenden Religionsunterricht geben.
Als zweiter Diskussionsredner hob Landessuperintendent Pflugk,3 Rostock (Landeskirche Mecklenburg) hervor, dass solche Zusammenkünfte positiv zu werten sind, dass sie aber nicht das Verhältnis Staat – Kirche richtig zum Ausdruck brächten. Dieses Verhältnis würde durch den Alltag bestimmt. Er behauptete, dies zeige sich z. B. in den neuen Städten wie Rostock-Süd, wo – nach seinen Worten – die Kirche ausgeklammert werden solle. Eine weitere Behauptung von ihm war, dass die kirchliche Pressefreiheit in der DDR beeinträchtigt würde.
So würde z. B. die »Mecklenburgische Kirchenzeitung« durch die Zensur beschnitten und Auflagen erhalten. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche würde sich erst bessern, wenn die Kirche mehr Freiheit erhalte. Weiter brachte Pflugk zum Ausdruck, dass er mit den Maßnahmen vom 13.8.1961 nicht einverstanden ist.
Der nächste Diskussionsredner, Dr. Uhlmann4 vom Kreiskrankenhaus Grimmen, erwiderte Pflugk, dass die Mehrzahl der Christen nicht Pfarrer und Theologen sind. Das Verhältnis Staat – Kirche müsse deshalb mehr vom Standpunkt der einfachen Christen gesehen werden. Er betonte, dass das Verhältnis der staatlichen Organe zur Kirche stets sachlich gewesen sei.
Prof. Kehnscherper5 führte dazu aus, dass die Kirche in früheren Zeiten sich nie um die Probleme der Arbeiter gekümmert habe. Sie könne deshalb heute nicht fordern, dass sich der Staat vorrangig mit den Sorgen der Kirche befasse. Die Kirche solle erst einmal präzise Stellung zu den wichtigsten gegenwärtigen Lebensfragen des deutschen Volkes nehmen, da auch in der Erklärung von Weißensee 19506 nicht alles gesagt worden sei.
Ein weiterer, sehr positiver Diskussionsbeitrag erfolgte durch den Prediger Ausländer von der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Grevesmühlen. Er brachte zum Ausdruck, dass mit Westdeutschland seitens der sozialistischen Staaten eine klare und harte Sprache notwendig sei, solange Westdeutschland uns gegenüber ein feindliches Verhältnis hat. Er forderte die Anwesenden dazu auf, mehr Verbindungen mit aufrechten Christen in Westdeutschland herzustellen, da diese Kräfte in Westdeutschland stärker werden müssen. Erst wenn diese demokratischen Kräfte den Einfluss der derzeitigen Bonner Machthaber zurückdrängen, könne eine andere Sprache gesprochen werden.
Bischof Krummacher7 war auf dieser Veranstaltung nicht anwesend. Er ließ sich bei Gerald Götting entschuldigen und bat ihn um eine persönliche Aussprache.
Diese Aussprache fand im Anschluss an die Veranstaltung in Züssow in der Privatwohnung von Bischof Krummacher, Greifswald, statt.8 Wie inoffiziell bekannt wurde, hatte Krummacher im Zeitraum vom 3. bis 5.9.1965 ständig aber erfolglos versucht, Gerald Götting in Berlin telefonisch zu erreichen. Bei der persönlichen Aussprache entschuldigte er sich bei Gerald Götting für seine Nichtteilnahme und gab u. a. als Beweggrund an, er habe nicht gewusst, wie er sich bei einer solchen Aussprache verhalten soll. Er machte den Vorschlag, seitens des Rates des Bezirkes nochmals eine solche Veranstaltung durchzuführen, zu der jedoch nur die Kirchenleitung und die Superintendenten eingeladen werden sollen. Er verwies auf eine ähnliche Zusammenkunft in Neubrandenburg. Krummacher lobte bei der Aussprache sehr Arbeitsweise und Auftreten des 1. Stellvertreters des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Rostock, Dr. Sebastian,9 und bedauerte, dass in Zukunft ein neuer Verhandlungspartner für die Belange der Kirche zuständig sein wird.
Die Ausführungen von Landessuperintendent Pflugk bedauerte Krummacher. Der Aufforderung Gerald Göttings jedoch, eine Erklärung zur Atombewaffnung in Westdeutschland abzugeben, versuchte er aus dem Wege zu gehen. Er habe angeblich keine genauen Informationen und sei außerdem der Meinung, dass dieses Problem nur im Wahlkampf so hochgespielt wurde. Krummacher schlug von sich aus vor, zur Atombewaffnung den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland Stellung nehmen zu lassen.
Im Oktober dieses Jahres würde in Braunschweig eine Bischofseinführung stattfinden, zu der er bereits eine Einladung erhielt. Wenn ihm die Genehmigung zu dieser Reise gegeben würde, würde er versprechen, sich einzusetzen, eine solche Erklärung des Rates der EKD zustandezubringen. Dieser Vorschlag sei von Gerald Götting abgelehnt worden, weshalb sich Krummacher eine Bedenkzeit ausbat und seine Antwort Gerald Götting telefonisch übermitteln wollte. Krummacher fügte noch hinzu, dass beabsichtigt sei, den Militärseelsorgevertrag zu revidieren. Als Vertragspartner sollen in Zukunft nicht mehr die EKD, sondern die einzelnen Landeskirchen auftreten. Krummacher versuchte Gerald Götting zu erläutern, dass dadurch doch eine neue Situation entstehen würde.
Zum Abschluss des Gesprächs äußerte Krummacher die Bitte, auf der Insel Riems eine bereits vorhandene Baracke als Gottesdienstraum einrichten zu dürfen.
Es wurde bekannt, dass der Rat des Bezirkes Rostock dieser Bitte Krummachers entsprechen will.
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