Verhalten eines ehemaligen Ministers
6. April 1965
Einzelinformation Nr. 314/65 über das Verhalten des ehemaligen Ministers für Handel und Versorgung, Genossen Curt-Heinz Merkel
Dem MfS wurden wiederholt Informationen bekannt, die moralische Verfehlungen des ehemaligen Ministers für Handel und Versorgung, Genosse Curt-Heinz Merkel,1zum Inhalt hatten. In Anbetracht des bevorstehenden Abschlusses des Studiums des Genossen Merkel und einer eventuellen Entscheidung über seinen weiteren Einsatz wird es für notwendig erachtet, nochmals zusammenfassend auf die wesentlichsten derartigen Erscheinungen hinzuweisen.2 Nach den vorliegenden Informationen hat Genosse Merkel bereits während seiner Tätigkeit im Außenhandel intime Beziehungen zu mehreren weiblichen Mitarbeiterinnen im Außenhandel unterhalten. Informationen über ein derartiges Verhalten des Genossen Merkel liegen auch aus der Zeit vor, als er Minister für Handel und Versorgung war. Nach diesen Hinweisen hat Genosse Merkel in dieser Zeit engere, nach Einschätzung der Quellen intime Beziehungen zu mehreren Mitarbeiterinnen des Handels bzw. zu solchen Frauen unterhalten, die er durch seine Tätigkeit als Minister kennengelernt hat. Nachfolgend wird auf einige dieser Verbindungen des Genossen Merkel etwas näher eingegangen:
In den Jahren 1962/63 gab es insbesondere unter weiblichen Angestellten des Handelsapparates der HO Wismut wiederholt Diskussionen über die Beziehungen des Genossen Merkel zu der Mitarbeiterin der HO [Ort], [Name 1]. Die [Name 1] selbst äußerte in einem vertraulichen Gespräch, dass Genosse Merkel ihr gegenüber ernste Absichten habe und sie sich deshalb mit ihm eingelassen hätte. Die [Name 1] wurde auf Veranlassung des Genossen Merkel bei seinen Besuchen in Karl-Marx-Stadt häufig zu Besprechungen hinzugezogen, obwohl von ihrer Tätigkeit her keine Veranlassung dazu bestand. Derartige Besprechungen, die meist mit einem »gemütlichen Beisammensein« endeten, haben u. a. im HO-Hotel [Name des Hotels, Ort], und im Kurort [Ort], Bezirk Karl-Marx-Stadt, stattgefunden. Die Beratung im Kurort [Ort] am 8.4.1963 endete schon nach kurzer Zeit und wechselte in ein »gemütliches Beisammensein« über, bei dem die [Name 1] und Genosse Merkel sich sehr vertraulich – intim verhielten. Die Zimmerverteilung für die Übernachtung in [Ort] erfolgte durch Genossen Merkel, wobei er für die [Name 1] und sich selbst zwei nebeneinander liegende Zimmer auswählte, die durch eine Verbindungstür verbunden waren. Zum Frühstück am nächsten Morgen erschien die [Name 1] nicht. Genosse Merkel forderte einen der anwesenden Mitarbeiter der HO [Ort] auf, nach dem Verbleib der [Name 1] zu forschen, unter anderem mit der Bemerkung, er habe auch schon geklopft und gerufen, sie hätte sich jedoch eingeschlossen. Der Mitarbeiter stellte aber beim Aufsuchen des Zimmers des Genossen Merkel fest, dass der Schlüssel der Verbindungstür im Zimmer des Genossen Merkel steckte.
Weiter unterhielt Merkel intime Beziehungen zur Mitarbeiterin der HO Wismut/Lebensmittel [Ort], [Name 2]. Diese wurde ebenfalls zu verschiedenen Veranstaltungen hinzugezogen, an denen Merkel teilnahm. Außerdem wurde bekannt, dass Merkel auch zu der Mitarbeiterin der HO [Ort], [Name 3], nähere Beziehungen anzuknüpfen versuchte.
Während der Herbstmesse 1962 waren von leitenden Mitarbeitern des Ministeriums für Handel und Versorgung Minister bzw. stellvertretende Minister des Binnenhandels aus mehreren sozialistischen Ländern zu betreuen. Merkel beauftragte den stellv. Minister Recknagel, während des Aufenthaltes der Minister aus den sozialistischen Ländern, eine Reise in die DDR zu organisieren. Diese Reise sollte u. a. dazu genutzt werden, eine Beratung zu handelsökonomischen Fragen durchzuführen, die ihren Abschluss mit einem geselligen Beisammensein finden sollte. Der Vorschlag, Dresden auszuwählen, fand die sofortige Zustimmung Merkels. Nach Ankunft der Delegation in Dresden entschuldigte sich Merkel bei seinem Stellvertreter mit dem Bemerken, in Dresden noch einige Dinge erledigen zu müssen. Er übertrug Recknagel auch die Leitung der Beratung über handelsökonomische Probleme. Merkel erschien erst wieder am Abend zum geselligen Beisammensein, wozu er verschiedene Mitarbeiterinnen des HO-Warenhauses [Ort] eingeladen hatte. Für eine dieser Mitarbeiterinnen zeigte Merkel ein besonderes Interesse, wobei zu erkennen war, dass er diese nicht erst bei dem gemütlichen Beisammensein näher kennengelernt hatte. Merkel entfernte sich mit dieser Mitarbeiterin gegen 0.30 Uhr. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.] Obwohl die gesamte Delegation noch in dieser Nacht nach Leipzig zurückkehrte, verblieb Merkel in Dresden und brachte diese Mitarbeiterin noch nach Hause.
Sehr enge Beziehungen unterhielt Genosse Merkel auch zu der Mitarbeiterin der Deutschlandabteilung beim Ministerpräsidenten der VR Polen, [Name 4]. Merkel hat die [Name 4] während eines Kuraufenthaltes in Karlovy Vary, ČSSR, kennengelernt. In der Folgezeit versuchte Genosse Merkel, z. B. unter Ausnutzung von Dienstreisen leitender Mitarbeiter des Ministeriums für Handel und Versorgung nach der VR Polen, die Verbindungen weiter zu festigen. Bei der Übermittlung von Grüßen, Geschenken usw. ließ die [Name 4] in ihrem Benehmen erkennen, dass sie sehr eng mit Merkel befreundet sei. Der stellv. Minister Recknagel z. B. gewann aus dem Verhalten der [Name 4] den Eindruck, dass intime Beziehungen bestanden haben müssen. Frau [Name 4] weilte u. a. im Oktober 1962 mit der Regierungsdelegation der VR Polen in der DDR. Sie kehrte jedoch nicht mit der Delegation nach Warschau zurück, sondern verbrachte mit Merkel und einer anderen Mitarbeiterin des Ministeriums für Handel und Versorgung ein Wochenende in Dresden.
Aus dem Jahre 1961 ist eine engere Verbindung von Merkel zu dem Mannequin des Zentralen Musterbüros für Untertrikotagen, [Vorname Name 5], bekannt. Sowohl während der Frühjahrsmesse als auch während der Herbstmesse 1961 bemühte sich M. um intime Zusammenkünfte mit der [Name 5]. U. a. beauftragte Merkel während der Herbstmesse einen Mitarbeiter, zu diesem Zweck für den 7.9.1961 ein Zimmer im »Roten Haus« in [Ort] reservieren zu lassen, was jedoch unterbunden wurde.
Seit Aufnahme des Studiums am Handelsinstitut der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig unterhält M. zu einer Dozentin des Lehrstuhls [Fachrichtung] enge Beziehungen, die von den Mitschülern offen als intim eingeschätzt werden. M. besucht diese Dozentin in deren Wohnung. Die im Bericht genannte Mitarbeiterin der HO Wismut [Ort], [Name 1] hat ebenfalls einen Studienplatz am obengenannten Institut erhalten. Da die [Name 1] nicht die sachlichen Voraussetzungen zum Studium – fehlende Reifeprüfung – besitzt, soll M. seinen persönlichen Einfluss geltend gemacht haben, um eine Studienaufnahme zu erreichen.