Verhinderter Grenzdurchbruch nach Westberlin
25. November 1965
Einzelinformation Nr. 1056/65 über einen verhinderten Grenzdurchbruch mit tödlichem Ausgang für den Grenzverletzer an der Staatsgrenze zu Westberlin (Abschnitt Clara-Zetkin-Straße) am 25. November 1965
Am 25.11.1965, gegen 4.50 Uhr, beobachtete der Posten auf dem Hochstand im Bereich Brandenburger Tor, wie sich eine männliche Person zwischen Brandenburger Tor und Clara-Zetkin-Straße der Staatsgrenze näherte und versuchte, eine mitgeführte Decke über die pioniertechnischen Sicherungsanlagen zu werfen. Durch den Posten wurde der Grenzverletzer aufgefordert, sofort stehen zu bleiben. Da der Angerufene darauf nicht reagierte und auch einen Warnschuss ignorierte, eröffnete der Posten gezieltes Feuer auf den Grenzverletzer. Das Postenpaar in der Clara-Zetkin-Straße hatte zu diesem Zeitpunkt den Grenzverletzer ebenfalls erkannt und eröffnete gleichfalls gezieltes Feuer. Dabei wurde der Grenzverletzer getroffen und blieb hinter der Panzermauer liegen. Auf Westberliner Seite gingen die am Brandenburger Tor eingesetzten sechs Westpolizisten sofort in Stellung und brachten ihre Waffen in Anschlag. Auf dem Reichstag wurde das dort eingesetzte LMG durch einen Westberliner Polizisten besetzt. Zu weiteren Handlungen der Westberliner Polizeiangehörigen kam es jedoch nicht.
Nach Eintreffen des Leiters des Führungspunktes wurde der Grenzverletzer kriechend geborgen und danach zum VP-Krankenhaus überführt. Auf dem Transport in das Krankenhaus ist der Grenzverletzer aufgrund des erlittenen Blutverlustes (Schussverletzung in Höhe des Hüftknochens) verstorben.1
Bei dem Grenzverletzer handelt es sich um den Sokolowski, Heinz, geb. am [Tag Monat] 1917, Beruf: Journalist, zuletzt tätig als Fahrstuhlführer im VEB Treffmodelle Berlin-Lichtenberg, wohnhaft Berlin NO 55, [Straße Nr.], von 1948 bis 1950 Kandidat der SED.
Sokolowski war im April 1953 wegen Spionagetätigkeit für den westdeutschen Geheimdienst gegen die UdSSR von einem sowjetischen Militärtribunal zu 20 Jahren Arbeitslager verurteilt worden; im Mai 1953 erfolgte durch Kassationsbeschluss des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR die Abänderung der Strafe auf zehn Jahre. Sokolowski verbüßte einen Teil der Strafe in der Sowjetunion und wurde im Februar 1956 zur weiteren Strafverbüßung an die Organe der DDR übergeben. Im Februar 1963 erfolgte nach Verbüßung seiner Strafe die Entlassung aus der Strafvollzugsanstalt Waldheim. Nach seiner Entlassung trat Sokolowski ebenfalls negativ in Erscheinung. Er unterhielt u. a. briefliche Verbindungen zu dem politischen Redakteur des RIAS, [Vorname Name 1], und persönliche Kontakte zu einer Reihe ehemaliger Strafgefangener. Mitte 1964 verweigerte er im VEB Treffmodelle Berlin die Arbeit – angeblich wegen zu hoher Normen – in der Annahme, dass sich ihm andere Werktätige anschließen werden. Sokolowski wurde dafür vom Betrieb zur Rechenschaft gezogen. Bei seinem versuchten gewaltsamen Grenzdurchbruch trug Sokolowski einen Rucksack und eine Kollegmappe mit persönlichen Bekleidungsgegenständen bzw. Unterlagen und zwei Seile mit beiderseitigen Wurfankern bei sich. In seinen Unterlagen befanden sich u. a. zwei Briefe ohne Umschläge, die offensichtlich aus Westberlin an ihn gerichtet waren und in denen in versteckter Form Hinweise gegeben wurden, wie die Grenzbefestigungsanlagen nach Westberlin überwunden werden können. Aufgrund dessen ist einzuschätzen, dass Sokolowski seinen Grenzdurchbruch unter Mithilfe Westberliner Personen vorbereitet hat. Weitere diesbezügliche Untersuchungen werden gegenwärtig noch geführt.