Verhinderter Grenzdurchbruch von Schülern bei Ilsenburg
19. Mai 1965
Einzelinformation Nr. 473/65 über einen verhinderten Grenzdurchbruch von zwei Schülern der Wilhelm-Raabe-Oberschule Wernigerode am 15. Mai 1965
Bei einem versuchten Grenzdurchbruch in den Abendstunden des 15.5.1965 wurden die beiden Schüler der Wilhelm-Raabe-Oberschule Wernigerode, [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1950, wohnhaft Wernigerode, [Straße Nr.], und [Name 2, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1952, wohnhaft Wernigerode, [Straße Nr.], in der Nähe von Ilsenburg an der Staatsgrenze gestellt.
Beide Schüler konnten erst, nachdem die Grenzposten mehrere Warnschüsse abgegeben hatten, durch gezieltes Sperrfeuer am illegalen Grenzübertritt gehindert werden. Dabei wurde der Schüler [Name 1] durch Rippensteckschuss rechts und Schulterschuss verletzt. Er befindet sich im Krankenhaus Wernigerode. Der Schüler [Name 2] wurde durch eine Alarmgruppe der Grenzkompanie Ilsenburg festgenommen und dem VPKA Wernigerode übergeben.
Die bisherigen Untersuchungen haben folgendes Ergebnis:
Von der Familie des Schülers [Name 1] befinden sich fünf Geschwister und umfangreiche Verwandtschaft in Westdeutschland. In dieser Familie werden die Verhältnisse in Westdeutschland verherrlicht. Einer der Elternteile ist bereits wegen Staatsverleumdung vorbestraft. Der Schüler [Name 1] muss als Initiator des versuchten Grenzdurchbruches angesehen werden, da auf seine Anregung hin bereits mehrere Erkundungsfahrten mit dem Fahrrad gemeinsam mit dem Schüler [Name 2] zur Staatsgrenze unternommen worden waren. Nach Angaben von [Name 2] hatte [Name 1] seit längerer Zeit immer wieder die Absicht ihm gegenüber geäußert, illegal nach Westdeutschland zu gelangen und ihn auch überredet, sich an diesem Unternehmen zu beteiligen. Als Motive dieser Handlung sind bei dem Schüler [Name 1] die labile politische Haltung des Elternhauses anzusehen und der vorhandene Einfluss der in Westdeutschland lebenden Geschwister und Verwandten.
Die Familienverhältnisse des Schülers [Name 2] sind geordnet, beide Elternteile sind gesellschaftlich aktiv tätig. Die Handlung dieses Schülers ist unter dem Einfluss von [Name 1] erfolgt.
Im Kreiskrankenhaus Wernigerode gab es zu diesem Vorkommnis einige negative Äußerungen (»jetzt wird schon auf Kinder geschossen«), während in der Schule und im Wohngebiet noch keine nennenswerten Reaktionen bekannt wurden.