Versuchter Grenzdurchbruch mit tödlichem Ausgang
8. März 1965
Einzelinformation Nr. 206/65 über einen verhinderten Grenzdurchbruch mit tödlichem Ausgang für einen der Grenzverletzer im Raum Dreilinden, [Bezirk] Potsdam, am 4. März 1965
Am 4.3.1965, gegen 1.20 Uhr, versuchten der Buttkus,1 Christian, geb. 21.2.1944, wohnhaft Bln.-Niederschönhausen, [Straße Nr.], Chemiefacharbeiter im VEB Berlin-Chemie,2 und die [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1941, wohnhaft Berlin NO 55, [Straße Nr.], Studentin an der Ing.-Schule Berlin O 17, im Abschnitt Dreilinden, Potsdam, ca. 180 m rechts des Stahnsdorfer Dammes in Höhe des Durchschubs an der Autobahn die Staatsgrenze nach Westberlin zu durchbrechen.
Gegen 1.20 Uhr wurde durch die Grenzverletzer das Signalgerät am Autobahndurchschub Dreilinden ausgelöst. Die in diesem Abschnitt eingesetzten Posten beobachteten daraufhin zwei Personen, die in weiße Umhänge gekleidet waren und sich unter Ausnutzung der Witterungsverhältnisse in Richtung der Grenzsicherungsanlagen bewegten. Beide Posten gaben sofort mehrere Feuerstöße aus der MPi ab. Die Grenzverletzer reagierten jedoch nicht auf die Warnschüsse und liefen weiter in Richtung Staatsgrenze. Durch die Schüsse der Posten aufmerksam gemacht, griff auch die im Abschnitt eingesetzte Kontrollstreife zur Unterstützung der Posten mit ein.
Während die Posten aus einer Entfernung von 80 bis 100 m auf die Grenzverletzer schossen, nahm die Kontrollstreife unter ständiger Feuerführung aus Richtung Stahnsdorfer Damm die Verfolgung der Grenzverletzer auf. Unmittelbar am Durchbruchsort stellte die Kontrollstreife fest, dass die Grenzverletzer zwischen der 2. und 3. Pfahlreihe lagen. Da die [Name 1] durch einen Streifschuss am linken Unterschenkel verletzt war, wurde ihr Erste Hilfe gewährt. Dabei wurde festgestellt, dass der Buttkus, der auf den Füßen der [Name 1] lag, bereits seinen Schussverletzungen (25 Einschüsse rechte Brustseite) erlegen war. Beide wurden zunächst in den Kfz-Fanggraben und anschließend zur Grenzkompanie gebracht. Von den Posten und der Kontrollstreife wurden insgesamt 199 Schuss auf die Grenzverletzer abgegeben.3 Auf Westberliner Seite wurden die Handlungen unserer Posten und die Schusswaffenanwendung nicht bemerkt. Handlungen der gegnerischen Kräfte waren in diesem Grenzabschnitt nicht zu verzeichnen. Die [Name 1] wurde festgenommen.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben Folgendes:
Bei Buttkus handelt es sich um den Verlobten der [Name 1]. Nach Aussagen der [Name 1] habe ihr Verlobter erst nach der Einberufungsuntersuchung am 24.2.1965 den Entschluss gefasst, sich dem Wehrdienst zu entziehen und die DDR zu verlassen. Es seien jedoch keinerlei Festlegungen über einen gemeinsamen Grenzdurchbruch getroffen worden.
Erst als Buttkus in den Abendstunden des 3.3.1965 in ihrer Wohnung erschien und den Vorschlag unterbreitet habe, gemeinsam in der Nacht zum 4.3.1965 im Raum Kleinmachnow die Grenze zu durchbrechen, erklärte sie sich bereit, mit ihm nach Westberlin zu gehen. Eine vorherige Erkundung des Geländes erfolgte nicht, weil die [Name 1] in Kleinmachnow aufgewachsen und mit den örtlichen Gegebenheiten gut vertraut ist. Buttkus führte eine Zange zum Zerstören der GSA mit. Weiter kaufte er zwei weiße Berufskittel, die sie kurz vor Erreichen der Grenze über ihre Kleidung zogen, um unter Ausnutzung der Witterungsverhältnisse unbemerkt die Grenze zu durchbrechen.
Am 25.12.1964 wurde die [Name 1] von ihrem in Berlin-Spandau wohnhaften Schwager im Rahmen des Passierscheinabkommens aufgesucht. Im allgemeinen Gespräch soll dieser erklärt haben, dass es auch kurze Zeit nach den Sicherungsmaßnahmen am 13.6.1961 noch relativ leicht gewesen sei, nach Westberlin zu gelangen, und dass Grenzverletzer z. T. von den Grenzposten dabei unterstützt worden wären. Aufgrund dieser Äußerungen will auch die [Name 1] sich an dem beabsichtigten Grenzdurchbruch mit beteiligt haben. Nach Aussagen der [Name 1] wurden bei den Gesprächen mit ihrem Schwager jedoch keine Vereinbarungen zur Vorbereitung oder Durchführung eines Grenzdurchbruchs getroffen.