Vorkommnisse bei Kranzniederlegung
17. September 1965
Einzelinformation Nr. 826/65 über Vorkommnisse bei der Kranzniederlegung zum Tag der Opfer des Faschismus am 12. September 1965 im Bezirk Neubrandenburg
Bei der Kranzniederlegung am 12.9.1965 wurden an Ehrenmälern der Opfer des Faschismus im Bezirk Neubrandenburg in mehreren Fällen Kränze niedergelegt, deren Kranzschleifen die Aufschrift trugen: »Ruhm und Ehre den Helden des Faschismus« u. Ä.
Die sofort vom MfS eingeleiteten Untersuchungen ergaben im Einzelnen Folgendes:
Bei der Kranzniederlegung am Ehrenmal in Neustrelitz wurde von den Vertretern des Bezirksvorstandes des FDGB, des Kreisvorstandes der VdgB/BHG und der GHG Technik und Fahrzeuge je ein Kranz mit der vorgenannten Losung getragen und am Ehrenmal niedergelegt, ohne dass sie die provokatorischen Aufschriften bemerkt hätten. Die Kranzschleifen wurden erst nach der Feierstunde von Genossen der Kreisleitung der SED entfernt.
Die Überprüfung ergab, dass die Kränze von der Gärtnerei [Name des Inhabers] in Neustrelitz hergestellt wurden. Die Beschriftung der Kranzschleifen erfolgte durch den 72-jährigen Vater des Gärtnermeisters [Name 1]. Die Bestellung der Kränze erfolgte telefonisch und wurde durch die als Lehrling im Betrieb beschäftigte [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1945, entgegengenommen. In der Befragung führte sie zum Sachverhalt an, dass sie die Losungen immer so aufgeschrieben hätte und sich nichts dabei gedacht habe.
Zum Tag der Sowjetarmee seien die Kranzschleifen ebenfalls so beschriftet worden: »Ruhm und Ehre den Helden der Sowjetarmee«. Diese Losung hätte sie auf den Tag der Opfer des Faschismus abgewandelt, weil die Bestellung der Kränze durch die Betriebe ohne Angabe des Schleifentextes erfolgte. Durch den Gärtnermeister [Name 1] wurde die Aufsichtspflicht gröblichst vernachlässigt, sodass die Kränze ohne Kontrolle ausgeliefert wurden.
In der Kleinstadt Loitz, [Kreis] Demmin, wurde durch die Ortsleitung der SED und den Rat der Stadt ebenfalls je ein Kranz mit vorgenannter Beschriftung niedergelegt. Auch in diesen Fällen erfolgte die Kranzbestellung telefonisch. Die Beschriftung der Kranzschleifen nahm die Ehefrau des Gärtners [Vorname Name 3], wohnhaft Loitz, [Straße Nr.], vor. Obwohl auf dem Bestellzettel des Rates des Kreises der Text »Ruhm und Ehre den Kämpfern gegen den Faschismus« lautete, veränderte die [Name 3] eigenmächtig den Text. Dabei habe sie sich keine Gedanken über den veränderten Sinn der Aufschrift gemacht.
In der Kreisstadt Templin waren die Schleifen und Kränze der Betriebe VEB Bekleidungswerke, Bauernbank und des Dienstleistungskombinats ebenfalls mit dem sinnentstellenden Text: »Ruhm und Ehre den Kämpfern des Faschismus« beschriftet worden. Die Schleifen konnten noch vor der Kranzniederlegung entfernt werden. Die Kränze waren vom VEB Gärtnerei Templin angefertigt worden. Die Bestellung erfolgte auch in diesen Fällen telefonisch. Die Beschriftung der Kranzschleifen führten die Lehrmädchen [Name 4, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1947, und [Name 5, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1948, aus.
Auch in diesem Fall wurden die Aufsichtspflicht verletzt und die Kränze ohne Kontrolle durch den verantwortlichen Gärtnermeister an die Betriebe ausgeliefert.
In der Bezirksstadt1 Neubrandenburg wurden bei der Überprüfung der Denkmäler auf dem Frauenfriedhof am Platz des Friedens zwei Kranzschleifen festgestellt, deren Beschriftung nicht vollständig ausgeführt war. Die Inschriften lauteten: »Den Toten zur Ehre den Lebenden«. Der fehlende Teil »zur Mahnung« war weggelassen. Die Kränze waren vom Deutschen Saatgutbetrieb und vom Versorgungsdepot für Pharmazie niedergelegt worden.
Nach den bisherigen Untersuchungen handelt es sich in allen Fällen um eine leichtfertige und nachlässige Arbeitsweise, wobei vor allem von den verantwortlichen Gärtnermeistern die Kontroll- und Aufsichtspflicht gröblichst vernachlässigt wurde. In keinem Fall konnte eine organisierte Feindtätigkeit nachgewiesen werden. Begünstigend wirkte sich dabei aus, dass durch den größten Teil der Betriebe kein Text für die Beschriftung der Kranzschleifen angegeben und dies den Gärtnereien selbst überlassen wurde.
Aber auch durch die Betriebe und Organisationen wurde bereits bei der Abholung der Kränze keine Kontrolle ausgeübt und kein Wert auf die richtige Beschriftung der Kranzschleifen gelegt. Durch diese leichtfertige Handlungsweise der verantwortlichen Betriebsfunktionäre konnte es dazu kommen, dass die Schleifen nicht entfernt und die Kränze mit den sinnentstellenden Beschriftungen auf den Kranzschleifen an den Ehrenmälern niedergelegt wurden.
Alle beteiligten Personen traten bisher nicht negativ in Erscheinung.