Vorkommnisse im Zusammenhang mit Bundestagssitzung in Westberlin (5)
6. April 1965
Einzelinformation Nr. 309/65 über Vorkommnisse im Zusammenhang mit der provokatorischen Bundestagssitzung in Westberlin
Am 5.4.1965 kam es an den Grenzübergangsstellen der Staatsgrenze West der DDR zur Zurückweisung von 2 Bundestagsabgeordneten, die über die Landverkehrswege der DDR nach Westberlin reisen wollten, um an der provokatorischen Bundestagssitzung teilzunehmen.
Gegen 16.30 Uhr erschien an der Grenzübergangsstelle Marienborn/Autobahn der Bundestagsabgeordnete Dr. Kohut, Oswald (FDP),1 wohnhaft Langen/Offenbach, [Straße, Nr.], und erkundigte sich nach der Möglichkeit zur Bundestagssitzung nach Westberlin durch das Gebiet der DDR zu reisen. Als dieses abgelehnt und Kohut zurückgewiesen wurde, wünschte er mit einem Vertreter der Regierung der DDR, einem Abgeordneten der Volkskammer oder einem Vertreter von ADN über die Perspektive und die Entwicklung Deutschlands zu sprechen. Auf den Hinweis unserer Grenzsicherungskräfte, dass von der Grenzübergangsstelle aus keine Möglichkeit bestünde, mit den entsprechenden Vertretern der DDR Verbindung aufzunehmen, er aber durchaus öffentlich gegen die provokatorische Bundestagssitzung in Westberlin Stellung nehmen könnte,2 erwiderte Kohut, dass er dann in Westdeutschland politisch unmöglich gemacht würde und persönliche Nachteile zu erwarten hätte.
Am 5.4.1965, gegen 16.00 Uhr, versuchte der Bundestagsabgeordnete (SPD) Weltner, Ernst,3 wohnhaft in Rinteln, [Straße, Nr.], an der Grenzübergangsstelle Marienborn/Eisenbahn mit dem D-Zug 109 nach Westberlin zu reisen. Auf den Hinweis unserer Grenzsicherungskräfte, dass zur Teilnahme an der provokatorischen Bundestagssitzung in Westberlin die Durchreise durch die DDR nicht gestattet sei, verhielt sich Weltner ruhig und erklärte, von diesen Maßnahmen der DDR nichts gewusst zu haben. Er wurde über die Grenzübergangsstelle Marienborn/Autobahn nach Westdeutschland zurückgeschleust.
Durch die konsequenten Kontrollen und die zeitweilige Sperrung der Autobahn Marienborn–Berlin kam es – an den einzelnen Grenzübergangsstellen unterschiedlich – zu längeren Wartezeiten, die in den späten Abendstunden teilweise erheblich zurückgingen. Lediglich an der Grenzübergangsstelle Marienborn/Autobahn betrugen die Wartezeiten am 6.4.1965, gegen 2.00 Uhr, in Richtung Westberlin für Lkw noch ca. 29 Stunden, für Pkw ca. 27 Stunden, für Busse ca. 11 Stunden; in Richtung Westdeutschland ca. 60 Minuten. Seit ca. 1.00 Uhr wurden am Westkontrollpunkt an die wartenden Reisenden vom Roten Kreuz Verpflegungsbeutel ausgegeben.
Zur Verkehrslage im Raum von Helmstedt (WD) wurde bekannt, dass die westdeutsche Polizei auf der Autobahn in Richtung des West-KPP Helmstedt erhebliche Umleitungen vornimmt, um die bereits vorhandenen Fahrzeugstauungen nicht zu erweitern. Die Hotels und Gaststätten in Helmstedt und Umgebung sind durch die Stauung der Fahrzeuge völlig überfüllt. An der Grenzübergangsstelle Horst lag die Wartezeit bei ca. 6 Stunden. An der Grenzübergangsstelle Juchhöh waren ab 22.00 Uhr keine Standzeiten mehr zu verzeichnen. Tagsüber betrugen die Wartezeiten bis zu einer Stunde. An der Grenzübergangsstelle Wartha betrugen die Standzeiten in beiden Richtungen ca. 45 Minuten.
An den Eisenbahngrenzübergangsstellen verlief die Abfertigung des grenzüberschreitenden Verkehrs reibungslos und ohne Zugverspätungen.
Auf westlicher Seite der Grenzübergangsstelle Juchhöh wurde am 5.4.1965, gegen 16.10 Uhr, von der westdeutschen Grenzpolizei eine Delegation des Deutschen Städte- und Gemeindetages der DDR zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass die Einreise in Westdeutschland nicht erwünscht sei. Die Delegation stand unter Leitung des Oberbürgermeisters von Karl-Marx-Stadt4 und folgte einer offiziellen Einladung des Präsidenten des Deutschen Städtetages in Stuttgart.
Zu besonderen Vorkommnissen im Zusammenhang mit den langen Wartezeiten an den Grenzübergangsstellen und mit der zeitweiligen Stauung von Fahrzeugen auf den Verkehrswegen zwischen Westdeutschland und Westberlin ist es nicht gekommen.
Provokatorisch traten lediglich einige Fahrzeuge der westlichen Militärverbindungsmissionen in Potsdam auf. Das Fahrzeug Nr. 26 der amerikanischen MVM durchbrach in den Morgenstunden des 5.4.1965 eine Postenkette der VP bei Beelitz (Abfahrt Heilstätten) und kehrte anschließend nach Potsdam zurück. In Potsdam verletzte das Fahrzeug ein örtliches Sperrgebiet und fuhr weiter in Richtung Neubarnim. Gegen 10.50 Uhr gelang es dann in Neu Fahrland das Fahrzeug zu stellen, wobei es jedoch auf einen Pkw aus der DDR auffuhr und den Kofferraum beschädigte. Nach der Unfallaufnahme und weiteren Verhandlungen in der sowjetischen Kommandantur in Potsdam fuhr das MVM-Fahrzeug gegen 23.35 Uhr nach Westberlin.
Der Pkw Nr. 8 der englischen MVM befand sich seit dem 4.4.1965, 22.00 Uhr, auf einer Fahrt im Gebiet der DDR, wobei er in Wollin, Brück, Brandenburg und durch Benutzung der Fernverkehrsstraße 1 das Sperrgebiet verletzte.