Zusammenstoß eines Güter- und eines Personenzuges
29. März 1965
Einzelinformation Nr. 273/65 über einen Zusammenstoß des Güterzuges 7070 mit dem Personenzug 3664 im Bereich des Stellwerkes Lia des Bahnhofes Seddin, [Bezirk] Potsdam, am 27. März 1965, gegen 22.58 Uhr
Am 27.3.1965 erhielt der aus Richtung Ferch-Lienewitz kommende in Richtung Wildpark–Jüterbog fahrende Pz 3664 am Vorsignal Lia1 (Bahnhof Seddin) gegen 22.58 Uhr Haltezeichen.
Der Lokführer [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1921, wohnhaft Seddin, [Straße Nr.], legte daraufhin den Regler in Ruhestellung und gab zwei Mal Pfeifsignale. Am Einfahrtsignal Abzweigung Lia des Bahnhofes Seddin kam der Pz 3664 zum Halten.
Kurz nach dem Halten des Zuges bemerkte der Lokheizer [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1928, wohnhaft Resdorf, [Straße Nr.], auf seiner Seite voraus zwei sich dem Pz 3664 nähernde Lichter auf den Schienen. Nachdem auch der Lokführer sich davon überzeugt hatte, gab er die Weisung zum Abspringen. Bei dem entgegenkommenden Zug handelte es sich um den in Richtung Ferch-Lienewitz fahrenden Gz 7070.
Beim Stellwerk Lia hatte der Güterzug gegen 22.55 Uhr Signal »Freie Fahrt«. Als der Zug in der Krümmung am Stellwerk Lia mit ca. 25 km/h Geschwindigkeit vorbeifuhr, bemerkte der Lokführer [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1936, wohnhaft Magdeburg, [Straße Nr.], beschäftigt: BW Magdeburg Hbf., zwei Lichter in Richtung Ferch-Lienewitz.
Der Lokführer bediente sofort die Schnellbremsung, konnte jedoch einen Zusammenstoß mit dem auf dem gleichen Gleis stehenden Pz 3664 nicht mehr verhindern. Der Lokführer sowie der Heizer des Güterzuges wurden beim Zusammenprall nicht verletzt. Lokführer [Name 3] begab sich unmittelbar nach dem Zusammenstoß zum Stellwerk Lia, wo er den Fahrdienstleiter [Name 4, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1944, wohnhaft Beelitz, [Straße Nr.], Fahrdienstleiter Bahnhof Seddin, Stellwerk Lia, unter Alkoholeinfluss stehend, antraf.
Von den zwölf Reisenden des Pz 3664 wurden beim Zusammenstoß fünf Reisende leicht verletzt. Die Verletzten wurden im Bezirkskrankenhaus Potsdam ambulant behandelt.
Der Sachschaden beträgt ca. 53 000 MDN. Die Lok des Pz und die Lok des Gz sowie vier Güterwagen wurden beschädigt.
In der bisherigen Untersuchung wurde Folgendes festgestellt: [Name 4] hatte um 22.00 Uhr den Fahrdienstleiter [Name 5] abgelöst, ohne die Übernahme seines Dienstes zu quittieren. Seit diesem Zeitpunkt hatte er auch keine Eintragungen über Zugfahrten in die Zugmeldebücher vorgenommen. Weiter hat er Züge aus beiden Richtungen angenommen und am Block gewaltsame Veränderungen durchgeführt. Durch die gewaltsame Veränderung der Tastensperre G 1/2 wurde die Sperrklinke betätigt und dadurch die Zugfahrt des Gz 7070 auf das besetzte Gleis signalmäßig freigegeben.
[Name 4] hatte zuvor dem Pz 3664 aus unbekannten Gründen am Einfahrtsignal Halt gegeben, den dort stehenden Pz 3664 aber dann später vergessen. Bei der Überprüfung durch den Dienstvorsteher [Name 6] von der Signal- und Fernmeldemeisterei Seddin befand sich das Fahrstraßenfeld in unverriegeltem Zustand.
Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen ist der Zugzusammenstoß auf das alleinige Verschulden des [Name 4] zurückzuführen. [Name 4] hat am 27.3.1965, gegen 7.00 Uhr, seinen Dienst beendet und am gleichen Tage um 22.00 Uhr seinen Nachtdienst übernommen. Nach seinen Angaben hatte er in den letzten 24 Stunden nur zwei Stunden geschlafen. Er war übermüdet und stand außerdem unter Alkoholeinfluss.
Bisher ist [Name 4] noch nicht negativ in Erscheinung getreten. Die Untersuchungen werden fortgesetzt. Gegen [Name 4] wurde von der Transportpolizei ein E-Verfahren eingeleitet und Haftbefehl beantragt.