1. Information über die Synode der »Evangelischen Kirche der Union«
13. Februar 1968
Einzelinformation Nr. 151/68 über die Synode der »Evangelischen Kirche der Union« (EKU) vom 9. bis 15. Februar 1968 in Potsdam-Babelsberg und Westberlin-Spandau
In der Zeit vom 9. bis 15.2.1968 findet die Synode der EKU getrennt in Teilsynoden DDR und West statt. Tagungsorte sind Potsdam-Babelsberg, Oberlinhaus,1 und Westberlin-Spandau, Johannisstift.2 Beiden Synoden wurde keine feste Tagesordnung gegeben. Von den Leitungen der Teilsynoden wurde erwähnt, die Probleme sollten von den zwei Gremien so behandelt werden, wie sie von Teilnehmern herangetragen würden.
Zur Eröffnung und zum bisherigen Verlauf der Teilsynode der EKU in Potsdam-Babelsberg wurde Folgendes bekannt:
Die Tagung wurde am 9.2.1968, 19.00 Uhr, im Oberlinhaus mit einer Andacht, gehalten von Moderator Langhoff/Berlin,3 in Anwesenheit von 59 Synodalen eröffnet. Langhoff leitete, ausgehend vom Bibeltext über die »Speisung der 4000«, eine oberflächliche Forderung nach Frieden in Vietnam und Bekämpfung des Hungers in der Welt ab. Langhoff wies auf die Verlegung der Synode von ursprünglich Berlin nach Potsdam hin und bemerkte, die Synode sei gehindert worden, am vorgesehenen Ort zu tagen. Mancher würde das vielleicht mit der Verfassungsdiskussion4 in Zusammenhang bringen, denn bei der Verfassung sei von der Kirche »nur im Befehlston« die Rede.
Nach der Andacht eröffnete Präses Kreyssig5/Hohenferchesar6 über Brandenburg in seiner Eigenschaft als Präses der Synode die Tagung. Kreyssig drückte seinen Dank darüber aus, dass die Synodalen überhaupt zusammenkommen könnten. Kreyssig erklärte zur Verlegung der Synode von Berlin nach Potsdam-Babelsberg, von einigen Bibeltexten ausgehend, die ersten Tage der Synode seien vom Widerhall des Zornes Gottes erfüllt. Danach gab Kreyssig eine vorbereitete Erklärung ab, in der es heißt, der Rat der EKU habe das Recht, getrennte Tagungen der Synodalen einzuberufen.7 Auf Initiative der Regierung der DDR sei durch Staatssekretär Seigewasser8 die Verlegung der Synodentagung an einen anderen Ort empfohlen worden. Der Rat der EKU hat daraufhin beschlossen, die Synode nach Potsdam zu verlegen. Eine entsprechende Antwort an Staatssekretär Seigewasser liege den Synodalen im Wortlaut vor. Es habe zusätzlich zu dem Gespräch zwischen Staatssekretär Seigewasser und OKR Müller9 (Kirchenpräsident) noch eine informelle mündliche Erwiderung durch den Stellvertreter des Staatssekretärs Flint10 gegeben. Diese werde dem Berichtsausschuss der Synode noch zur Kenntnis gegeben. Für alle weiteren Diskussionen um dieses Problem empfehle das Präsidium der Synode, die Stellungnahme des Berichtsausschusses abzuwarten. Vorerst solle mit der sachlichen Arbeit begonnen werden.
Kreyssig ging weiter auf Probleme der »Einheit der Kirche« ein.11 Er vermied dabei, Begriffe wie »EKD« oder »EKU« zu nennen. Er unterstrich lediglich die Existenz eines »Einheitsgedankens« unter den Christen in Ost und West. Die Rechtseinheit der »EKU« spiegele dies wider. Kreyssig betonte, es liege noch keine feste Tagesordnung vor. Das offizielle Thema laute »Die evangelische Kirche und der soziale Friede in der Welt«.
Kreyssig wies weiter auf angeblich grundsätzliche zu behandelnde Probleme hin, wie Siegelordnung, Pfarrerhilfsdienstgesetz, Verwaltungsgerichtsordnung, Bildungsgesetz, Besoldungsfragen u. a. Zum Komplex der Besoldungsfragen der Geistlichen entspann sich eine kurze Diskussion. Einige Synodale, wie Prof. Dr. Müller12/Berlin und Dr. Seils13/Naumburg sprachen sich dagegen aus, dass solche Fragen, die ausschließlich die westdeutschen Gliedkirchen der EKU betreffen, zum Gegenstand von Verhandlungen einer DDR-Teilsynode gemacht würden. Gegen diese Äußerungen trat der als reaktionär bekannte ehemalige Konsistorialpräsident von Berlin-Brandenburg, Grünbaum,14 auf, wobei er die »Rechtseinheit der EKU« unterstrich.
Am 10.2.1968, dem 1. Beratungstag, begrüßte Präses Dr. Lothar Kreyssig als Vertreter der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (EKD) Oberkirchenrat Behm15/Berlin und Kirchenrätin Lewek16/Berlin (beide sind Mitglieder der Kirchenkanzlei der »EKD« für die Gliedkirchen in der DDR) und als Vertreter des Rates der »EKD« den Leiter des Predigerseminars Wittenberg, Studiendirektor Paul Wätzel. Kreyssig hob dabei hervor, die Ratsmitglieder der »EKD« und der »EKU« müssten das gleiche Schicksal teilen, nämlich nicht zusammenkommen zu können. Es bleibe deshalb nach wie vor Aufgabe, die »Einheit der Kirche« im Geiste zu bewahren und dieser Einheit auch immer wieder rechtliche Gestalt zu verleihen.
Danach erteilte Kreyssig Kirchenpräsident Müller/Dessau das Wort, der in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates der »EKU« den Tätigkeitsbericht des Rates verlas. Neben überwiegend theologischen und innerkirchlichen Fragen sind dabei folgende Ausführungen und Auslegungen von Bedeutung:
Unter anderem erklärte Müller im Zusammenhang mit der Einberufung von zwei Teilsynoden: »Nach reichlich zwei Jahren finden wir uns zur turnusmäßigen Tagung unserer Synode zusammen, freilich nun bereits zum dritten Male als Teilsynode, die das sichtbare Beieinander und Miteinander mit den Brüdern aus den Gliedkirchen Rheinland und Westfalen entbehren muss, vor allem aber zum ersten Mal durch staatliche Anordnung verhindert, diese Tagung wie gewohnt im Stephanusstift17 in Berlin-Weißensee durchzuführen. Über die Vorgänge, die zu dem Beschluss der Verlegung unserer Synode nach Potsdam-Babelsberg geführt haben, sind Sie durch das Schreiben des Rates der Evangelischen Kirche der Union an das Staatssekretariat für Kirchenfragen vom 31. Januar informiert. So ist es wiederum Aufgabe des stellvertretenden Ratsvorsitzenden, anstelle des Vorsitzenden, Präses Beckmann,18 von der in diesem Zeitabschnitt geschehenen Arbeit des Rates in seinen monatlichen Sitzungen und dem Weg, den wir in dieser Zeit geführt worden sind, einen zusammenfassenden Bericht zu geben …«19
Müller bekannte sich dann zur »Einheit der evangelischen Landeskirchen in der DDR und in der Bundesrepublik« und sagte: »Unser Verhältnis zu den anderen evangelischen Landeskirchen in der DDR und in der Bundesrepublik ist durch die Fürstenwalder Erklärung zur Einheit der EKD vom vergangenen Jahr bestimmt, die wir uns zu eigen gemacht haben. Hier ist schlicht und eindeutig ausgesprochen, warum wir einander nicht loslassen dürfen … Wir bemühen uns darum, in dem Maße, in dem uns das gegenwärtig möglich ist, die Verbundenheit in einer Kirche auch als Gliedkirchen der EKU zu praktizieren. Diese Verbundenheit greift tiefer, als viele wahrhaben wollen.20 Zwar hat es auch nach Fürstenwalde weder bei uns noch in der Bundesrepublik an Stimmen gefehlt, denen diese in großer Einmütigkeit gefasste Erklärung ungelegen kam, die das Faktum dieser Synode nur unter politischen Vorzeichen zu deuten vermochten und ihre geistliche Bedeutung zu bagatellisieren versuchten. Ich fürchte, wir könnten undankbar werden, wenn wir über der Tragik des noch immer breiter werdenden Spaltes und der damit für unsere Kirche verbundenen Behinderungen blind würden für die uns gerade jetzt gegebenen Anzeichen einer wachsenden inneren Gemeinschaft …«
Zum Entwurf der neuen Verfassung bemerkte Kirchenpräsident Müller: »Unmittelbar vor unserer Synode ist der am Jahresbeginn vom Vorsitzenden des Staatsrates der DDR angekündigte Entwurf der neuen Verfassung veröffentlicht worden, der nach dem Beschluss der Volkskammer in breitester Öffentlichkeit unseres Volkes diskutiert werden soll.21 Der Rat hat zu dem vorgelegten Entwurf in der Bedrängnis der Zeit noch nicht Stellung nehmen können. Das dringende Interesse der evangelischen Kirche an der neuen Verfassung, die als ›sozialistische Verfassung‹ bezeichnet wird, und an einer ausreichenden Gelegenheit zur Diskussion hatte bereits vorher Generalsuperintendent Dr. Schönherr22 im Namen der Kirchenkonferenz in einem Schreiben an die Regierung angemeldet. Dabei war auch der Wunsch ausgesprochen, dass die bewährten Bestimmungen der Verfassung von 1949 über das Verhältnis von Staat und Kirche sinngemäß unverändert übernommen werden möchten. Auch die Feststellung des Staatsratsvorsitzenden vor der Volkskammer, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten sich die Beziehungen zwischen Staat und Kirche ›gut entwickelt‹ und gefestigt hätten, schien zu dieser Erwartung zu berechtigen. Zu dem Artikel 38,23 dem einzigen des neuen Entwurfs, der sich zu den Fragen der Kirchen und Religionsgemeinschaften äußert, ist zu sagen, dass er viele Fragen völlig offen lässt, die durch die bisherige Verfassung geregelt waren. Es wird lediglich festgestellt: ›Die Kirche und anderen Religionsgemeinschaften haben ihre Angelegenheiten und ihre Tätigkeit in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der DDR zu ordnen und durchzuführen.‹ Offen bleibt, um nur das Wichtigste zu nennen, die Geltung des Grundsatzes: ›Es besteht keine Staatskirche‹. ›Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze‹. Offen bleiben die öffentlich-rechtliche Stellung der Religionsgemeinschaften und wichtige Rechte, die die bisherige Verfassung den Kirchen von daher garantierte. Wir fangen erst zu fragen an. Wir werden die Zeit gewissenhaft zu nützen haben, vonseiten unserer Kirchen und Gemeinden unsere Stimme in die Waagschale zu werfen. Es steht viel auf dem Spiel. Ist es doch auch unser aufrichtiges Anliegen, dass die Verfassung dem Frieden und der Verständigung dienen möge, nicht nur in unserem Volk und in der Völkerwelt, sondern auch im Verhältnis von Kirche und Staat.«24
Nach diesen Ausführungen von Kirchenpräsident Müller kündigte der Präsident der Kirchenkanzlei der EKU, Hildebrandt25/Berlin einen Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei an, der den Synodalen noch vor Abschluss der Synode zur Verfügung gestellt würde.
Anschließend referierte Prof. Dr. Hoffmann26/Halle, Mitglied der Synode der EKU, zum Thema »Soziale Ungerechtigkeit zwischen den Völkern«. Hoffmann stellte anhand von Zahlenmaterial die Entwicklung der Lebenshaltung zwischen sozialistischen und kapitalistischen Ländern gegenüber. Er bedauerte, dass die DDR nicht an der Welthandelskonferenz in Neu-Delhi teilnehmen konnte. Zum Abschluss seiner Ausführungen kritisierte er die zzt. noch bestehende Struktur der evangelischen Kirche. Er stellte an die Synodalen die Frage, ob die landeskirchliche konfessionelle Struktur, die seiner Meinung nach wie ein Schrebergarten sei, noch ewig aufrechterhalten werden solle. Es sei nicht tragbar, innerhalb eines halben Jahres an drei verschiedenen Synoden teilnehmen zu müssen.
In der anschließenden Diskussion zum Rechenschaftsbericht des Ratsvorsitzenden meldete sich zuerst Landesjugendpfarrer Günther27/Wilhelmshorst bei Potsdam zu Wort. Er stimmte Kirchenpräsident Müller zu, dass die »Einheit der Kirche« gefördert werden müsste; jedoch könne dies nach seiner Meinung in erster Linie durch theologische Gespräche praktiziert werden. Zum neuen Verfassungsentwurf äußerte er, man müsse in der Argumentation sehr behutsam sein.28 Es sei Tatsache, dass der noch gültige Verfassungstext mit der gegenwärtigen Wirklichkeit nicht mehr übereinstimme.29 Günther sprach sich nachdrücklich dafür aus, keine Probleme der Westberliner Synode, z. B. das Besoldungsgesetz, in Diskussionen der Potsdamer Synode zu behandeln, und stellte den Antrag, seine Anregungen im Berichts- und Ordnungsausschuss zu verwerten.
Nach Landesjugendpfarrer Günther sprach Bischof Jänicke30/Magdeburg und erinnerte an einen Beschluss, den die letzte Synode vor zwei Jahren bezüglich der Schaffung eines Friedensinstituts gefasst hatte. Dem Plan, ein Friedensinstitut der EKU zu schaffen, hätten zwar damals beide Teilsynoden zugestimmt, es wäre jedoch bisher nichts zur Realisierung geschehen. Die Synode solle endlich die Gründe für dieses Zögern untersuchen, und er bitte Präsident Hildebrandt, dazu Stellung zu nehmen. Seiner Meinung nach sei die Friedensfrage heute nicht weniger dringlich als vor 2½ Jahren.
Präsident Hildebrandt erklärte später zu dieser Frage, der Rat der EKU habe sich mit diesem Problem schon dreimal befasst, ohne zu einer Einigung zu kommen. Auf der ganzen Welt würden ca. 80 wissenschaftliche Institute existieren, die sich ausschließlich mit Friedensfragen befassen. Es existiere zwar eine ähnliche kirchliche Einrichtung in Heidelberg, sie sei jedoch für die hiesigen Kirchen völlig unzureichend. Leider sei auch die »EKD« in dieser Frage bisher zu schwerfällig gewesen. Die EKU müsse deshalb vorangehen.
Pfarrer Hamel31/Naumburg, Leiter des Katechetischen Oberseminars, befasste sich in seinem Diskussionsbeitrag hauptsächlich mit Problemen zum Verfassungsentwurf. Es sei erfreulich, dass von der Regierung der DDR ein solch »heißes Eisen«, welches eine Verfassungsänderung immer sei, angefasst und der Öffentlichkeit zur Diskussion vorgelegt sei. Für die Kirche würde jedoch viel auf dem Spiel stehen. Er empfahl, über diesen Verfassungsentwurf eine breite Diskussion in den Provinzial- und Kreissynoden und innerhalb der Gemeindekirchenräte usw. zu organisieren, wobei es nicht ausschließliches Ziel bleiben dürfe, dem Staat freundliche Redlichkeitserklärungen zu geben. Die Fehler des unglücklichen Kommuniqués von 1958, in dem die Kirche sich nicht eindeutig in der Frage der Respektierung der Entwicklung zum Sozialismus ausgesprochen habe,32 dürften sich aber nicht wiederholen. Es käme auch darauf an, die ideologischen Vorzeichen des Sozialismus zu entlarven und aus der neuen Verfassung (Artikel 38) so viel wie möglich herauszuholen, um die eigenen kirchlichen Interessen voll wahrnehmen zu können.33
Hamel appellierte, die kirchlichen Gremien sollten alle Bestimmungen des Verfassungsentwurfs ernsthaft analysieren, wobei er folgende Schwerpunkte, nach denen vorgegangen werden könnte, nannte:
- 1.
Welche Bestimmungen sind präzis und welche nicht und müssen daher weiter präzisiert werden?
- 2.
Welche Bestimmungen stehen im Widerspruch zu unserer politischen Wirklichkeit?
- 3.
Sind historische Vorurteile tagungspropagandistischer Art vorhanden, deren Beibehaltung äußerst beschwerlich sein könnte?
- 4.
Sind ideologische Vorzeichen erkennbar, bei denen ersichtlich ist, dass in dieser Richtung nicht marschiert werden kann?
- 5.
Welche Rechte und Freiheiten sind im Entwurf verankert, wie kommt die Würde des Menschen zum Ausdruck, und wie werden diese Probleme gleichzeitig wieder eingeschränkt bzw. aufgehoben? Welche diesbezüglichen Bestimmungen im Entwurf lassen sich verbessern?
- 6.
Was dient einem geordneten Nebeneinander der beiden deutschen Regierungen und dem Frieden in Europa? Womit gießt der Verfassungsentwurf Öl ins Feuer?
Die Ausführungen von Hamel erhielten großen Beifall.34
Besonders bedankte sich Bischof Fränkel35/Görlitz für die Ausführungen von Hamel und betonte, das Angebot von Regierung und Volkskammer zur öffentlichen Diskussion des Verfassungsentwurfs müsse von der Kirche sehr ernst genommen werden, wobei man nicht in vorzeitige Resignation verfallen dürfe. Von der Kirche sei es in den letzten Jahren immer als schmerzlich empfunden worden, dass ihre Mitarbeit an öffentlichen Fragen durch eine Überbelastung mit ideologischen Forderungen erschwert worden sei. Der neue Entwurf zur Verfassung werde allgemein als ein Dokument eines sozialistischen Humanismus bezeichnet, d. h., dieser Entwurf werde mit einem ideologischen Vorzeichen versehen. Die Grundsätze der Würde und Menschenfreiheit könnten aber eventuell durch dieses ideologische Vorzeichen begrenzt werden, und es entstehe dadurch die Frage, ob alle Grundsätze in ihren Einzelheiten überhaupt voll durchgesetzt werden könnten. Zu den Fragen der Demokratie wäre es richtiger zu sagen: Ausübung der politischen Macht durch alle Bürger; sonst bestehe die Gefahr einer Oligarchie einer bestimmten Gruppe. Es sei zu begrüßen, dass das Verhältnis der zwei deutschen Staaten im Entwurf ins Auge gefasst würde. Es sei aber bei diesem Problem zu bedenken, die Zusammenarbeit beider deutscher Staaten nicht zu blockieren. Positiv sei, dass im Entwurf ein gesamtes Deutschland angestrebt werde. Dieses Ziel dürfe jedoch nicht mit Forderungen verbunden werden, welche eventuell das Selbstbestimmungsrecht des ganzen deutschen Volkes infrage stellen würden. Die Freizügigkeit müsste im umfassenden Sinne gewährleistet sein. Es wäre ihm verständlich, wenn ein Staat diese aus Sicherheits- und ökonomischen Gründen vorübergehend etwas einschränke. Aber Ausnahmerecht dürfe nie zur Regel werden. Hier müsse er hinsichtlich der Einschränkung der Freizügigkeit seinen klaren Widerspruch anmelden. Was das Recht der freien Meinungsäußerungen betreffe, so mache er davon auch jetzt wieder Gebrauch. Dieses Recht müsse uneingeschränkt gelten und nicht eingeschränkt werden durch solche »Kautschuk-Formulierungen« wie z. B. »im Geiste der Verfassung«. Bei den Artikeln über das Recht auf Bildung gäbe es nach Meinung Fränkels noch viele unklare Begriffe, wie z. B. »gesellschaftliche Erfordernisse«. Es könnte angenommen werden, dass auch die Jugendweihe ein gesellschaftliches Erfordernis sei, um zu höheren Bildungsstätten zugelassen zu werden. Bei einer solchen Auffassung sei die Religionsfreiheit bedroht. Zum Artikel 38 wolle er nicht viel sagen. In seiner Knappheit sei er unbefriedigend, und es sei nicht gut, dass allein im Hinblick auf die Kirche in Befehlsform gesprochen werde.36
Präses Kreyssig führte in seinem Diskussionsbeitrag im Zusammenhang mit dem Verfassungsentwurf an, in der alten Verfassung sei der Kirche die Freiheit eingeräumt worden, zu öffentlichen Fragen das Wort zu nehmen. In der neuen Verfassung sei das nicht der Fall. Ihm ginge es um eine Konkretisierung dieser Diskussion. Kreyssig ging dabei auf einen Exmatrikulationsantrag einer Seminargruppe der Pädagogischen Hochschule Potsdam ein, die Schülerin [Vorname Name] betreffend. (Die Studentin [Name] hatte sich der umfassenden sozialistischen Erziehung der Studenten widersetzt und sich geweigert, an der Schießausbildung teilzunehmen.) Kreyssig hob hervor, dass die [Name] Mitarbeiterin der »Aktion Sühnezeichen«37 sei. Er bat den Berichtsausschuss zu überlegen, ob die Synode nicht eine Delegation zum Rektor senden sollte.38
Eine Abstimmung betreffs der Überweisung der diskutierten Verfassungsprobleme und der Einrichtung eines kirchlichen Friedensinstituts an den Berichtsausschuss der Synode ergab Einstimmigkeit bis auf eine Stimmenthaltung durch Prof. Dr. Hanfried Müller/Theologische Fakultät der Humboldt-Universität Berlin.
Weitere am 10.2.1968 diskutierte Fragen – Verhältnis zwischen Pfarrer und Laien, Leitsätze zur Ordination u. Ä. – waren rein theologischen Inhalts.
Am 11.2.1968 begann die Teilsynode in Potsdam-Babelsberg mit einem Gottesdienst, der sich – rein theologischen Inhalts – über den ganzen Vormittag erstreckte. Zu Beginn der Arbeitssitzung des Plenums richtete Präses Kreyssig auf Veranlassung des Stellvertreters des Präses der Synode, Dr. Schiele39/Naumburg, die Frage an die Synodalen, wer den Verfassungsentwurf bei sich habe. Daraufhin meldeten sich 17 Synodale. Bischof Fränkel/Görlitz bat daraufhin um Auskunft, ob der Leitung der Synode sowie den Synodalen der Brief von Kardinal Bengsch40 an die Regierung der DDR41 bezüglich des Verfassungsentwurfs bekannt sei. Kreyssig verneinte diese Frage, wies aber darauf hin, dass der Magdeburger Studentenpfarrer Theo Mechtenberg42 am 12.2.1968 eintreffe und vielleicht eine Abschrift mitbringe.43
In einem internen Gespräch äußerte der Verwalter des Bischofsamtes von Berlin-Brandenburg, Schönherr, er bedaure es, dass auf der Synode der Verfassungsentwurf in diesem Umfang erörtert werde. Seiner Meinung nach gehöre diese Diskussion nicht auf eine EKU-Synode; er hätte dies bereits entsprechend gegenüber der Leitung und einigen Synodalen zum Ausdruck gebracht. Ein weiterer ungünstiger Umstand für diese Diskussion sei die gleichzeitige Tagung beider Teilsynoden.44
Ein am 11.2.1968 von Dr. Seils/Naumburg gehaltener Vortrag zum Thema »Kreuztod und Auferstehung Jesu« behandelte komplizierte theologische Probleme. Da die Ausführungen von vielen Synodalen nicht verstanden wurden, entwickelte sich keine rege Diskussion.45 Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Synodalen Böhme/Letschin (LPG-Bauer). Nach seiner Meinung sei das Symbol des Kreuztodes sehr aktuell, denn 1960 wäre den Bauern in der DDR auch ein Kreuz, nämlich die Sozialisierung der Landwirtschaft, auferlegt worden. Damals habe sich besonders Propst Ringhandt46/Berlin verdient gemacht, indem er auf der damals tagenden Synode wahre und tröstende Worte gesprochen habe.
Während der Ausführungen Dr. Seils hielten sich folgende Personen in einem anderen Raum zu einer internen Besprechung auf: Bischöfe Jänicke, Fränkel und Schönherr, Präsident Hildebrandt/Berlin, Pfarrer Dr. Hamel/Naumburg, Propst Ringhandt/Berlin, Präses Kreyssig, Professor Hoffmann/Halle, Generalsuperintendent Lahr47/Potsdam und Oberkonsistorialrat Juergensohn48/Görlitz.
(Über den Inhalt dieser Besprechung liegen dem MfS zurzeit noch keine Informationen vor.)49
Am 11.2.1968 konstituierten sich folgende Ausschüsse der Synode:
- –
Ordnungsausschuss,
- –
Agendensausschuss (Gottesdienstordnung),
- –
theologischer Ausschuss,
- –
Eingabenausschuss,
- –
Finanzausschuss,
- –
Berichtsausschuss,
- –
Ausschuss zum Hauptthema.
Die Teilsynode für die westdeutschen und Westberliner Synodalen der EKU wurde am 9.2.1968 um 20.00 Uhr mit einem sogenannten Abendmahlgottesdienst in der Stiftskirche des Evangelischen Johannesstiftes in Westberlin-Spandau eröffnet. Die Kirche war nur von ca. 60 Personen besucht, darunter die bereits angereisten Mitglieder der Synode aus Westdeutschland. Außerdem waren anwesend: Präses Wilm50/Bielefeld, Präses Beckmann51/Düsseldorf und Prof. Kruska52/Westberlin (Leiter des Kirchendienstes Ost). Der Predigttext, vorgetragen von Oberkirchenrat Rößler53/Düsseldorf, war dem biblischen Thema der Synodeneröffnung in Potsdam-Babelsberg angeglichen und inhaltlich rein theologisch gehalten.
Die 1. Arbeitssitzung der Synode der EKU-West begann bei Anwesenheit von 52 Synodalen am 10.2.1968 und wurde durch Präses Wilm/Bielefeld eröffnet.
Zum bisherigen Verlauf der Synode EKU-West ist bemerkenswert, dass neben einer Reihe innerkirchlicher Fragen verstärkt versucht wird, den »Einheitsgedanken« der EKU zu betonen und zu rechtfertigen, wobei das Gremium bestrebt ist, ausschließliche Kompetenzfragen der Teilsynode DDR – u. a. Fragen der neuen Verfassung der DDR, Verhältnis zwischen Staat und Kirche der DDR, Wehrdienstverweigerung in der DDR – ausführlich zu erörtern.54
Präses Wilm führte in der Eröffnungsrede u. a. aus, es sei das erste Mal, dass die Synode der EKU nicht in beiden Teilen Berlins tagen könne. Sie teile damit das Schicksal der »EKD«, die zuletzt in Fürstenwalde und Berlin-Spandau als gemeinsame Synode getagt habe. Präses Wilm verlas in diesem Zusammenhang das Schreiben des stellv. Vorsitzenden des Rates der EKU, Kirchenpräsident Müller/Dessau vom 31.1.1968 an den Staatssekretär für Kirchenfragen Seigewasser.55
Grußworte sprachen u. a.
- –
Dr. Akanu Ibiam,56 einer der sechs Präsidenten des Weltkirchenrates;
- –
Dr. Murakami,57 im Auftrage der japanischen evangelischen Kirchen;
- –
Bischof Dr. Kurt Scharf,58 Westberlin.
Scharf überbrachte Grüße vom Rat der »EKD« und von der Landeskirche Berlin-Brandenburg, wobei er hervorhob, eine getrennte Synode sei eine Bruderschaft in Bedrängnis. Aber »System und etablierte Gesellschaften« seien »angreifbar und zerstörbar«.
Den Synodalen lag der interne Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei der EKU für die Zeit von Oktober 1965 bis Dezember 1967 vor, der u. a. Folgendes beinhaltete:
Im Mittelpunkt kirchlicher Bemühungen in Richtung Friedensstiftung stünden Fragen des Vietnamkrieges und des Nah-Ost-Konflikts. Die Kirche solle sich nicht dazu drängen lassen, einseitig zu urteilen, sondern müsse alle Seiten zur Einsicht ermahnen. Eine besondere Verantwortung der Kirche bestehe in der Erziehung der Jugend zum Frieden, wobei die Militärseelsorge verstärkt werden müsse.
In der DDR sei das Verhältnis von Staat und Kirche nicht ohne ernstliche Spannungen geblieben, wobei noch eine »ungute Verschärfung der Beziehungen« eingetreten sei. Dabei wurde auf eine »Verhinderung des Grenzübertritts« von Präses D. Beckmann/Düsseldorf und Oberkirchenrat D. Schlingensiepen59/Düsseldorf verwiesen. Die Zahl der verweigerten Ausreisegenehmigungen zu ökumenischen Tagungen und nach Westdeutschland sowie die Zahl der Ablehnungen von Einreisegenehmigungen in die DDR für ökumenische oder westdeutsche Gäste würden ansteigen.60 Dies wurde versucht, anhand von »Vorkommnissen« während der 450-Jahrfeiern der Reformation in Wittenberg zu beweisen.
Kritik wurde weiter an der »Entziehung von vier kirchlichen Feiertagen61 ohne vorherige Verständigung der Kirchen« geübt,62 wobei die staatliche Anordnung als eine »ernste Einschränkung kirchlichen Dienstes« bewertet wurde.
Fragen der staatlichen Regelung der Wehrdienstverweigerung63 aus Glaubens- und Gewissensgründen wurden hochzuspielen versucht. Als besonders bedrückend müsse angesehen werden, dass wiederum »militärgerichtliche Verurteilungen« zu hohen Haftstrafen gegen Wehrdienstverweigerer ausgesprochen worden seien. Die schriftlich geäußerte Bitte um ein verantwortliches Gespräch über die vorliegenden Probleme sei bisher unbeantwortet geblieben.
Mit dem gleichen Akzent wurden Fragen des kirchlichen Dienstes in den Neubaugebieten behandelt,64 wobei die Kirche angeblich auf Widerstand staatlicher Stellen stieße.
Eine verschärfte ideologische Ausrichtung sei im Erziehungs- und Schulwesen65 zu beobachten. Eine Eingabe der evangelischen Bischöfe in der DDR in dieser Angelegenheit, die mit der Bitte um ein Gespräch verbunden gewesen sei, wäre nicht befriedigend beantwortet worden. In jüngster Zeit sei vollkommen verfassungswidrig der Versuch unternommen worden, kirchliche Spielgruppen und kirchliche Verkündigungsspiele den Abteilungen Kultur bei den Räten der Bezirke zuzuordnen.66
Im Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei der EKU/West wurden weiter in kürzerer Form Fragen des Familiengesetzbuches der DDR,67 der neuen Strafrechtsbestimmungen68 und des Verfassungsentwurfs der DDR behandelt. Ohne in diesem Zusammenhang zunächst provozierende Ausführungen zuzulassen, wurde empfohlen,69 in allen Fällen die Diskussion weiterzuführen, um eine »Entspannung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche« zu erreichen.
Die Verlesung des Rechenschaftsberichts des Ratsvorsitzenden der EKU, Präses Beckmann/Düsseldorf, erfolgte in den Vormittagsstunden des 10.2.1968. In diesem Bericht waren keine direkt auf die DDR bezogenen Passagen eingearbeitet. Zum Verhältnis Staat und Kirche in den sozialistischen Staaten wurde u. a. ausgeführt, als stärkste Gegenposition stünde der christlichen Welt die Welt der totalitären Staaten gegenüber. In dieser Welt werde die Kirche grundsätzlich negiert. Diese Staaten würden sich durch einen militanten Atheismus gegenüber jeglicher religiösen Tradition auszeichnen.70
Wörtlich heißt es dazu u. a. weiter: »… Zum Wesen des Marxismus-Leninismus gehört der radikale Atheismus, für den Religion dasjenige ist, was um der Zukunft des Menschen Willen ausgerottet werden muss, weil Religion etwas grundsätzlich Menschenfeindliches ist. Deswegen ist es kein Wunder, dass die Staatsparteien dieser Staaten und vor allen Dingen die Staatsregierungen und Verwaltungen die Kirche unaufhörlich äußerlich und innerlich bedrohen. Schon sind große Kirchen zerstört oder auf unbedeutende Reste zusammengeschmolzen. Nach einem halben Jahrhundert stehen wir vor Ergebnissen, die erschreckend sind. Wir brauchen nur an Russland und an die dazu gehörigen Satelliten zu denken, erst recht aber an das gewaltige chinesische Reich, wo nach der Kulturrevolution des vergangenen Jahres keine Kirchen mehr bestehen, sondern hier leben höchstens noch einige verstörte Christen. Und damit ist in China sozusagen das Letzte erreicht, was notwendig erscheint für die Aufrichtung des kommunistischen Reiches, nämlich die Ausrottung der Religion zugunsten des Menschen. Im Gesamtbereich der kommunistischen Welt ist eine noch relativ günstige Situation der Kirche die, dass sie bis auf Weiteres geduldet ist, wie in Polen, in der Tschechoslowakei und einigen Balkanländern. Trotzdem versucht man überall eine immer stärkere Ghettoisierung der Kirche durchzuführen, sie aus der Öffentlichkeit mit immer stärkeren Mitteln herauszudrängen und sie zugleich auf administrativen Wegen zu bekämpfen. Dabei gibt es keinen Kirchenkampf in der großen Öffentlichkeit, wie es früher der Fall war mit allen negativen Auswirkungen für den Staat, sondern eine stille, langsame, aber wirksame Beseitigung von Gemeinden und Kirchen durch Maßnahmen der Verwaltung.«
Im Rechenschaftsbericht wurden weiter Fragen der »Weltrevolution« im Sinne der »Verwandlung einer zu Ende gehenden Epoche« sowie Fragen der »ideologischen Spannungen« in der Auslegung, es handele sich um »Zündstoffe von Kriegen«, behandelt. Hervorgehoben wurden dabei die »großen Gegensätze der freien demokratischen und kapitalistischen Welt des Westens und der kommunistischen Welt des Ostens«. (Der Rechenschaftsbericht liegt im Wortlaut vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)
In der Diskussion zum Tätigkeitsbericht und Rechenschaftsbericht wies Präses Wilm/Bielefeld darauf hin, während der Tagung nicht an der Frage der Einheit vorbeizugehen. Er führte weiter an, die Regierung der DDR habe die Verlegung des Ostteils der EKU-Synode nach Potsdam verlangt. Der Verfassungsentwurf der DDR bringe für die Kirche »wahrscheinlich sehr ernste Entscheidungen« mit sich.71
Prof. Dr. Martin Fischer72/Kirchliche Hochschule Westberlin betonte die »Sorgepflicht« der Kirche West für die Kirche Ost sowie die Notwendigkeit des Fortbestehens der »Einheit«.
Bemerkenswert ist der Beitrag des Synodalen Pfarrer Benjamin Locher73/Düsseldorf (Mitglied des Rates der EKU), der darauf verwies, dass die Kirche auch im »freien Westen« behindert werde, wenn sie ihre Grenzen überschreite und Fragen nach der »politischen Ethik« stelle. Auch die getrennten Tagungen der EKU-Synode seien ein »Politikum«. Locher fragte kritisch, ob die Kirche zur Frage der vollen Anerkennung der DDR oder zur Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze schweigen müsse und meinte, man solle ein »tapferes Wort in dieser Richtung wagen«, auch wenn man dafür beschimpft werden sollte. Zur Frage des Krieges in Vietnam sollte die Kirche konkret werden.
Im breiteren Umfang beschäftigte sich die Synode mit der Unruhe in der Studentenschaft, der man Einhalt gebieten müsse, sowie mit der Notwendigkeit der Verstärkung der Hilfe in den Entwicklungsländern, wobei vor allem Sammlungen im Rahmen der Aktion »Brot für die Welt« vorgesehen seien.74
Im Schlusswort zu dieser Diskussion erläuterte Präses Beckmann u. a., die Frage nach der »Einheit der Kirche in Deutschland« sei in ein neues Stadium eingetreten.75 Wer die »Einheit der Kirche« nur historisch betrachte, werde sie nur schwerlich verteidigen können. Die Theologischen Aspekte seien die entscheidenden, alles andere könne durch historische Fakten überrundet werden. Zum neuen DDR-Verfassungsentwurf führte Beckmann aus, es sei zu allererst die Aufgabe der Christen der DDR, sich damit zu befassen. Aber auch die Christen im Westen müssten darauf reagieren. Die enthaltenen Aussagen über die Kirchen und Religionsgemeinschaften seien ein »Versuch im Sinne der kommunistischen Ideologie, die Kirchen weiter zu privatisieren«.76 Wenn der Satz beibehalten werden sollte, nach dem die Kirchen ihre Angelegenheiten nach den staatlichen Gesetzen und Bestimmungen zu ordnen hätten, so würde damit für die Kirchen der Rechtsboden auf ein Minimum schrumpfen. Dies sei eine schwere Besorgnis, mit der sich vor allem die Synodalen in Potsdam befassen müssten. Der die Kirchen betreffende Artikel des DDR-Verfassungsentwurfs sei eine radikale Fortentwicklung zum sozialistisch-kommunistischen Staat, in dem die Kirche durch den Wandel des wissenschaftlichen Bewusstseins als überholt gelte. Diese Entwicklung träfe allerdings auch für ganz andere Gebiete in der Welt zu, auch wenn hier diesbezüglich keine Anordnungen erlassen würden.
Folgende Ausschüsse wurden am 10.2.1968 in der EKU-Synode West gewählt:
- –
Theologischer Ausschuss,
- –
Ausschuss Amt und Gemeinde,
- –
Berichtsausschuss,
- –
Eingabenausschuss.
Zu Beginn des 2. Beratungstages der EKU-Synode West am 11.2.1968 wurde die sogenannte Stellungnahme des theologischen Ausschusses der EKU zum Verständnis des Todes Jesu verlesen, die rein theologischen Inhalt hatte. Auch in dem dazu an die Synodalen verteilten schriftlichen Material sind außer allgemeinen Forderungen nach »mehr Freiheit« keine größeren provokatorischen Anhaltspunkte enthalten.
In einem von Synodalen Dr. Klaus Lefringhausen77/Velbert/Rheinland gehaltenen Referat über »Fragen der Entwicklungsländer in den Industrienationen« wurde besonders auf die gegenwärtig in Neu-Delhi stattfindende II. Welthandelskonferenz der Vereinten Nationen78 hingewiesen, die angeblich eine große Chance für die Erhaltung des Weltfriedens bedeuten könne.79 In einer Reihe von Lefringhausen aufgestellter Thesen wird zu behaupten versucht, das eigentliche Problem liege in einer Neuordnung der Weltwirtschaft und im Strukturwandel der eigenen Industrie.
Zum Hauptthema der Synode »Kirche und sozialer Weltfriede« sprach Vizepräsident der EKU D. Hans Thimme80/Bielefeld. Thimme wies eingehend auf die »ungemeine Erschwerung der Arbeit durch die Trennung und bestehende Ost-West-Spannung« hin. Eingehend auf die Weltsituation appellierte er an den »weltweiten Horizont der Verantwortung und des Dienstes der Kirche«. Bezugnehmend auf die Ausführungen von Dr. Lefringhausen forderte er die Kirche auf, zur Änderung des allgemeinen Bewusstseins und zum Abbau der Reserve der öffentlichen Meinung gegenüber der Entwicklungshilfe beizutragen. Folgende Tatbestände würden brennend eine Stellungnahme der Kirche erfordern: Der allmähliche Zusammenschluss aller Völker der Erde zu einer Schicksalsgemeinschaft; die Gleichartigkeit der technischen Entwicklung in der ganzen Welt; der Widerspruch zwischen der Bevölkerungszunahme und der Entwicklung der Nahrungsmittelproduktion; der Gegensatz zwischen den reichen und den armen Völkern, zwischen Nord und Süd; die vorhandenen Elemente des Neonationalismus und des Neokolonialismus; der Widerspruch zwischen der wachsenden technischen Einheitsgesellschaft und der Forderung nach der kulturellen Eigenständigkeit der Völker.
Die Synode der EKU wurde am 12.2.1968 sowohl in Potsdam als auch in Westberlin in geschlossenen Sitzungen der Ausschüsse fortgesetzt. Weitere Informationen dazu erfolgen noch.
Die Information darf aus Gründen der Sicherheit der Quellen nicht öffentlich ausgewertet werden.