4. Information über die Synode der »Evangelischen Kirche der Union«
16. Februar 1968
4. Einzelinformation Nr. 173/68 über die Synode der »Evangelischen Kirche der Union« (EKU) vom 9. bis 15. Februar 1968 in Potsdam-Babelsberg und Westberlin-Spandau
In Ergänzung unserer Information 151/68 vom 13.2.1968 und 159/68 vom 14.2.1968 wurde dem MfS über den weiteren Verlauf der Teilsynode der EKU in Potsdam-Babelsberg Folgendes bekannt:
Am 14.2.1968, dem 5. Beratungstag, arbeitete die Synode vormittags in Ausschüssen. Nachmittags nahm der Synodalpräses der Kirchenprovinz Sachsen, Waitz1/Magdeburg, zur Verwaltungsgerichtsordnung2 Stellung (siehe auch Information Nr. 159/68 vom 14.2.1968, S. 1–2). Waitz erklärte, die Verwaltungsgerichtsordnung sei zwar in der ersten Lesung angenommen worden,3 es stehe den Gliedkirchen jedoch frei, sie zu übernehmen.
Die Vorlage des Ordnungsausschusses wurde bei Stimmenthaltung von Prof. Hanfried Müller4/Berlin, Landesjugendpfarrer Günther5/Potsdam und des Synodalen Melde/Spremberg an den ständigen Ordnungsausschuss und den Rat der EKU zur weiteren Bearbeitung überwiesen.
Als Vertreter des Theologischen Ausschusses unterbreitete Dr. Seils6/Naumburg die Berichtsvorlage über das »Verständnis des Todes Jesu«7 (siehe auch Information Nr. 151/68 vom 13.2.1968, Seiten 12–13). Seils hob dabei hervor, diese Vorlage sei das Ergebnis einer dreijährigen Arbeit des ständigen Theologischen Ausschusses. Man habe dabei mit den »Brüdern aus Westdeutschland« zusammengearbeitet und zu diesem Zweck mehrere gemeinsame Arbeitsberatungen in der Hauptstadt der DDR durchgeführt.8 Die Thesen über das »Verständnis des Todes Jesu« (rein theologischen Inhalts) sollen nach einem Vorschlag von Bischof Schönherr9/Berlin in den nächsten Pfarrkonventen ausgewertet werden.
Danach führte Waitz die zweite Lesung zum Besoldungsgesetz durch. Die Abstimmung dazu ergab eine Gegenstimme von Oberkonsistorialrat Kayser10/Greifwald und Stimmenthaltungen u. a. von Präses Kootz11/Dessau, Vizepräsident Woelke12/Greifswald, der Synodalen Melde/Spremberg, Grauer/Potsdam und Lent/Berlin.
Vom Ausschuss zum Hauptthema »die evangelische Kirche und der soziale Frieden in der Welt« berichtete die Synodale Pohle/Magdeburg. Zum Entwurf des Parallelausschusses der Teilsynode West stellte sie fest, im Vergleich zu ihrem Dokument seien geringe Abweichungen vorhanden. Die Annahme müsse jedoch der Gemeinsamkeit wegen jetzt erfolgen.13 Alle offenen Fragen sollten später vom Rat der EKU ausgearbeitet werden. Das Dokument beinhaltet im Wesentlichen Fragen der Entwicklungsländer. (Bei dem vom Ausschuss zum Hauptthema vorgelegten Entwurf handelte es sich um den auch auf der Teilsynode West am gleichen Tag vorgelegten Teil I der Erklärung zum Hauptthema. Siehe dazu Information Nr. 165/68 vom 15.2.1968, Seiten 7–8). Diese Vorlage wurde auf der Teilsynode Potsdam mit fünf Stimmenthaltungen und einer Gegenstimme von Pfarrer Dr. Hamel14/Naumburg angenommen.15
Nach dieser Abstimmung stellte Oberkonsistorialrat Juergensohn16/Görlitz den Antrag, eine gemeinsame Erklärung zum Hauptthema zu erarbeiten, um die Trennung der Teilsynoden zu überbrücken. Juergensohn wandte sich dabei gegen noch bestehende geringfügige Unterschiede zur Erklärung der Westberliner Synode und verlangte Einheitlichkeit in allen Punkten. Mit einer vollkommen übereinstimmenden Erklärung solle vor allem die Auseinanderentwicklung der beiden Regionalsynoden aufgehalten werden.
Präses Kreyssig17 unterstützte sofort diesen Vorschlag und stellte den Antrag, die Synode möge den Rat der EKU mit der endgültigen Abfassung einer solchen Erklärung beauftragen. Die Synode könne aber bereits jetzt dieser Erklärung ihr Votum erteilen. In Westberlin würde dann ebenso verfahren.18 Gegen diesen Antrag traten sofort Landesjugendpfarrer Günther/Potsdam und Prof. Müller/Berlin auf. Pfarrer Günther verwies dabei auf wesentliche unterschiedliche Auffassungen im Inhalt der bereits vorliegenden Erklärungen zur Problematik der Entwicklungsländer. Prof. Müller wandte sich dagegen, bestimmte Formulierungsunterschiede zu bagatellisieren, da sie Meinungsverschiedenheiten dokumentierten.19
Nach dieser Diskussion wurde seitens der Leitung der Teilsynode Potsdam die Westberliner Erklärung/Teil I (mit den Formulierungen »die Hungerbombe droht …« und »Generalmobilmachung«) zur Abstimmung gestellt. Für die Annahme der Westberliner Erklärung zum Hauptthema stimmten 36 Synodale, 14 enthielten sich der Stimme (darunter Pfarrer Dr. Hamel/Naumburg, Landesjugendpfarrer Günther/Potsdam, Präses Kootz/Dessau, Grauer/Potsdam), dagegen stimmte Prof. Müller/Berlin.
Eine Erklärung der Potsdamer Synode, welche Abstimmung nun für rechtsgültig erklärt werden soll, die erste mit den fünf Stimmenthaltungen und der einen Gegenstimme, oder die zweite mit den 14 Stimmenthaltungen und der einen Gegenstimme, erfolgte nicht.20
Nach dieser Abstimmung stellte Präses Kreyssig einen weiteren Antrag. Danach sollte schriftlich fixiert werden, dass die Synode dem Rat der EKU als »gesamtdeutsches Gremium« generell mehr Rechte und Befugnisse einräumt als bisher. Der Rat der EKU solle nach Vorstellungen von Kreyssig in Zukunft die Möglichkeit haben, ohne Zustimmung der Synode die verschiedensten Schritte unternehmen zu können.21 Gegen diesen Antrag traten verschiedene Synodale sehr entschieden auf und bezeichneten ihn als »Ermächtigungsgesetz« des Rates.22 Pfarrer Hamel23 brachte zum Ausdruck, wenn alles an den Rat abgegeben würde, dann würde die Synode immer mehr ihr Gesicht verlieren. Seiner Meinung nach wäre gerade das Gegenteil, nämlich eine größere Selbstständigkeit der Teilsynoden, notwendiger. Bischof Fränkel24/Görlitz unterstützte den Vorschlag von Kreyssig und wandte sich entschieden gegen die Ausführungen von Hamel. Er hob hervor, es sei an der Zeit, dem Rat mehr Vollmachten zu geben. Präses Kreyssig25 versuchte dann, Parallelen zum staatlichen Raum zu ziehen, indem er anführte, die Endfassung von Gesetzen usw. würde auch jeweils von der Regierung erfolgen. Er plädierte dafür, dem Rat mehr zu vertrauen.26 Als Dr. Rogge27 vom Sprachenkonvikt Berlin zum Ausdruck brachte, an der Gemeinsamkeit der EKU solle nicht krampfhaft festgehalten werden, entgegnete Präsident Hildebrandt28/Berlin29 erregt, diese Gemeinsamkeit sei »kein Krampf«.30
Aus dem Verlauf der Debatte war ein einheitliches Vorgehen der reaktionären Kräfte erkennbar.31
Prof. Müller/Berlin32 entwickelte daraufhin in einem umfassenden Diskussionsbeitrag das Verhältnis zwischen geistlicher und juristischer Einheit der Kirche. Unter anderem führte er aus, falls die Rechtseinheit zum Mittelpunkt aller Dinge erhoben werde, sinke die Synode zur Bedeutungslosigkeit herab; bei der geistlichen Einheit sei in jeder Frage der Inhalt ausschlaggebend, da sie das Unterpfand für eine wirklich fruchtbare theologische Arbeit bieten würde.
Präsident Hildebrandt33/Berlin versuchte spontan, die Ausführungen von Prof. Müller abzuschwächen und behauptete, zwischen organischer, juristischer und geistlicher Einheit bestünde überhaupt kein Unterschied. Prof. Müller brauche sich nicht zu beunruhigen, denn im Berichtsausschuss habe man bereits über das Problem der Handlungsfreiheit der Regionalsynoden gesprochen.
Moderator Langhoff34/Brandenburg35 stellte an Kreyssig und Hildebrandt die Frage, was die eigentlichen Hintergründe für den Antrag auf größere Vollmachten für den Rat der EKU seien und wer dahinter stünde. Seiner Meinung nach sei diese Maßnahme dazu getroffen worden, Meinungsverschiedenheiten zum Westen künstlich zu überbrücken oder sogar zu vertuschen. Mit dieser Praxis sei jedoch die Einheit der EKU viel mehr gefährdet als mit unterschiedlichen Erklärungen, weil um der Einheit willen Unstimmigkeiten nicht ausdiskutiert, sondern vertuscht würden.36
Unter dem Eindruck dieser Diskussion nahm Bischof Jänicke37 seine Stimme für die Annahme der Erklärung zum Hauptthema der Teilsynode in Westberlin zurück. Danach erfolgte die Abstimmung über den Antrag von Präses Kreyssig. Mit vier Gegenstimmen und einer Stimmenthaltung entschieden sich die Synodalen dafür, den Antrag von Kreyssig an den Ordnungsausschuss zu überweisen und vorerst nicht darüber abzustimmen.38 Unter den Gegenstimmen befanden sich alle Synodalen des Konsistorialbezirks Görlitz.
Der 15.2.1968, der 6. und letzte Beratungstag der Synode, wurde im Oberlinhaus Potsdam-Babelsberg von Präses Kreyssig mit der Aufforderung zur Diskussion zu weiteren Ausschussberichten eröffnet.
Noch bevor Kreyssig einem anderen Synodalen das Wort erteilte, erklärte er, es habe angesichts der Diskussion am Vortag den Anschein, als ob die Feindseligkeiten der Welt geringer seien als die im Volke Gottes. Er hoffe, dass aufgrund seines Vorschlages zur Erhöhung der Befugnisse des Rates der EKU bei den Synodalen nicht der Eindruck zurückbleibe, er sei dem Managertum verfallen. Sein Vorschlag sollte ausschließlich dem Ziel dienen, der Synode entgegenzukommen und die Arbeit voranzubringen.
Propst Richter/Quedlinburg stellte in einem anschließenden Beitrag fest, der Beginn der Synode – bereits mit vielen Unklarheiten im Programm – habe sich gerächt, indem Gegensätzlichkeiten und Unausgeglichenheiten im Verlauf der Tagung offensichtlich geworden seien. Es wäre aufgrund vieler Unklarheiten in der Diskussion der Teilsynode Potsdam damit zu rechnen, dass eventuell sogar eine entsprechende Reaktion in der Presse nicht ausbleiben würde. Er beantragte deshalb den Ausschluss der Öffentlichkeit bei weiteren Beratungen.39 (Laut Reglement können an den Synoden interessierte christliche Bürger und Pressevertreter teilnehmen.)40
Nachdem Prof. Müller/Berlin gegen diesen Antrag Stellung genommen hatte, wurde Propst Richter von Bischof Fränkel/Görlitz unterstützt mit der Begründung, in den öffentlichen Sitzungen liege die Gefahr, dass in anschließenden Veröffentlichungen Diskussionsreden vollkommen verdreht wiedergegeben würden und man sein eigenes Wort nicht mehr erkenne. Die Abstimmung über den Antrag Richters erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bei der Abstimmung sprach sich die Mehrheit der Synode gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit aus, sodass der Antrag abgelehnt wurde.41
Nach dieser Abstimmung ergriff Synodalpräses Rechtsanwalt Helmut Waitz/Magdeburg im Namen des Ordnungsausschusses das Wort zur Debatte vom Vortage hinsichtlich der Erhöhung der Befugnisse des Rates der EKU.42 Waitz stellte fest, für die Änderung grammatischer oder Ausdrucksfehler bedürfe es keiner besonderen Ermächtigung. Bei Veränderungen von Formulierungen seien jedoch besondere Befugnisse erforderlich, die dem Rat zu erteilen der Ordnungsausschuss jedoch nicht für angebracht halte.
Bischof Fränkel/Görlitz versuchte die Stellungnahme des Ordnungsausschusses abzuschwächen, indem er betonte, es würde doch jeweils nur um einige wenige Grenzfälle gehen; man müsse bei diesem Komplex unbedingt auf die westlichen Brüder Rücksicht nehmen. Von der Teilsynode Westberlin sei diese Rücksichtnahme gegenüber der hiesigen Teilsynode nach Meinung Fränkels ebenfalls erfolgt. Das sei u. a. zum Ausdruck gekommen, dass die Leitung der Teilsynode Westberlin darauf verzichtet habe, zum Entwurf der Verfassung der DDR Stellung zu nehmen.
Synodalpräses Waitz/Magdeburg43 unterstrich im weiteren Verlauf der Debatte mehrmals seine ursprüngliche Haltung und führte aus, das Wort »Ermächtigung« rufe bei jedem Synodalen ungute Gefühle hervor. Waitz erhielt Unterstützung von Pfarrer Merker44/Fürstenwalde, der darauf verwies, dass der Rat genug Spielraum und Handlungsfreiheit im Rahmen der Grundordnung der EKU habe. Bei der darauf folgenden Abstimmung sprachen sich 41 Synodale für den Beschluss des Ordnungsausschusses aus, den Antrag von Kreyssig auf Erweiterung der Rechte des Rates von der Tagesordnung abzusetzen.45 Unter diesen Stimmen befand sich auch die von Bischof Krummacher46.47 Acht Synodale stimmten gegen die Entscheidung des Ordnungsausschusses, darunter Bischof Fränkel/Görlitz, Vizepräsident Woelke/Greifswald und Oberkonsistorialrat Kayser/Greifswald. (Die 3 Stimmenthaltungen wurden namentlich bisher nicht bekannt.)
Präses Kreyssig zeigte sich nach diesem Abstimmungsergebnis sichtlich verärgert und verlangte in dieser Stimmung eine erneute Abstimmung zum sogenannten Votum 67 der Westberliner Teilsynode. (Vorlage zum Hauptthema der Synode, über die bereits zweimal abgestimmt wurde – einmal über die Westberliner Fassung und einmal über die Fassung der Potsdamer Synode – mit einigen Formulierungsänderungen gegenüber der Westberliner Fassung.)48
Der Ordnungsausschuss befürwortete diesen Antrag mit der Feststellung, eventuell wären sich viele Synodale am Vortage nicht voll im Klaren über den ganzen Sachverhalt des Materials gewesen. Eine erneute Diskussion solle jedoch vermieden und sofort zur Abstimmung geschritten werden. Gegen die Wiederholung der Abstimmung sprach sich Prof. Müller49 aus. Er erhielt Unterstützung von sechs weiteren Synodalen.
Bei der erneuten Abstimmung über die Westberliner Vorlage (Inhalt im Wesentlichen Entwicklungshilfe – siehe Information Nr. 165/68 vom 15.2.1968, S. 7–8) sprachen sich 28 Synodale dafür, elf dagegen aus (u. a. Landesjugendpfarrer Günther/Potsdam, Kaufmann Grauer/Potsdam, Wirtschaftsberater Melde/Spremberg, Prof. Dr. Hamel/Naumburg), elf Synodale enthielten sich der Stimme, unter ihnen Bischof Krummacher/Greifswald).50
In den weiteren Debatten spielten nochmals bereits an Vortagen behandelte Fragen, wie die der Agende 3 (Gebetsband), der theologischen Leitsätze zum Verständnis des Kreuztodes Jesu und des Haushaltsplanes der EKU, eine Rolle, wobei die Beiträge nur innerkirchlichen Charakter trugen.
Als Sprecher des Berichtsausschusses trat Dr. Rogge/Sprachenkonvikt Berlin auf und erläuterte, der Berichtsausschuss habe das Problem der »Einheit der EKU« behandelt. Über diese Frage sei ein Brief an den Rat der EKU verfasst worden, in dem für eine größere Selbstständigkeit der Regionalsynoden eingetreten werde.
Zur Ortsverlegung der Synode sei nach Meinung des Berichtsausschusses keine spezielle Stellungnahme notwendig gewesen. Die anfänglichen Bedenken über eine ungestörte Durchführung der Synode hätten beseitigt werden können. Der Bericht von Präses Beckmann51/Düsseldorf sei zur Kenntnis genommen worden. Auch hierzu wäre keine Stellungnahme notwendig. Dr. Rogge erklärte weiter, der Berichtsausschuss sei zu der Auffassung gekommen, die Teilsynode Potsdam habe zu viele alte, bereits überholte Themen behandelt. So wäre seitens der Berichtsausschüsse zur Exmatrikulation der Studentin [Vorname Name] entschieden worden, keine Delegation zum Rektor der Pädagogischen Hochschule zu entsenden (siehe Information Nr. 151/68 vom 13.2.1968, S. 11).
Ein weiterer Abschnitt des Berichtes von Rogge umfasste die Anerkennung der Arbeit der Kirchenkanzlei der EKU. Die »Einheit der Kirche« sei vom geistlichen und rechtlichen Standpunkt diskutiert worden. Im Ergebnis dieser Diskussion verweist der Berichtsausschuss darauf, an der »Einheit« festzuhalten. Diese »Einheit« solle jedoch vorwiegend in der Mannigfaltigkeit der kirchlichen Arbeit gesehen werden. Der Berichtsausschuss sprach sich dafür aus, auch weiterhin offizielle Vertreter der anderen Kirchen zu den Synoden einzuladen und die kirchliche Arbeit mit den anderen Gliedkirchen der »Evangelischen Kirche Deutschlands« stärker zu koordinieren. Zum Verfassungsentwurf52 wurde vermerkt, dieser sei eine Sache der DDR. Der Ausschuss sprach die Bitte aus, die Christen sollten sich an den allgemeinen öffentlichen Gesprächen beteiligen und den Gesprächen mit den staatlichen Organen nicht ausweichen, auch wenn Fragen diskutiert würden, die nicht unmittelbar den Paragraphen 3853 beträfen.54
Im Anschluss daran wurde eine Erklärung des Ältestenrates der Gesamtsynode verlesen. In dieser Erklärung wird mitgeteilt, die Synode habe den Bericht des Oberkonsistorialrates Bunzel55/Görlitz über die Ausführungen des Mitgliedes des Hauptvorstandes der CDU, Heyl,56 zur Person Bischof Fränkels entgegengenommen. (Siehe Informationen Nr. 159/68 vom 14.2.1968, Seiten 7–9, und Nr. 165/68 vom 15.2.1968, Seiten 10–13.) Die vorgetragene Erklärung sagt im Wesentlichen aus, die Synode erkläre sich mit Bischof Fränkel in der Annahme brüderlich verbunden, dass dieser sich nicht anders geäußert hat, als es der Würde seines Amtes entspreche. (Bei dieser Erklärung handelt es sich um eine Abstimmung zwischen den Leitungen der beiden Teilsynoden.)57
Mit einer Schlussandacht von Prof. Nagel58/Greifswald wurde die Teilsynode in Potsdam-Babelsberg am 15.2.1968 gegen 16.00 Uhr beendet. Prof. Nagel hob hervor, dass der Tagungsort sich letzten Endes doch günstig auf die Beratungen ausgewirkt habe, da Babelsberg ein geeigneter Ort für ein Arbeiten in Konzentration, Ruhe und Besinnung gewesen sei. Seine übrigen Ausführungen waren rein theologischen Inhalts. (Der ursprüngliche Termin zur Beendigung der Synode lag bei 13.00 Uhr, die Tagung musste um zwei Stunden verlängert werden, da die vorgesehene Zeit für die Behandlung der Probleme nicht ausgereicht hatte.)
Bischof Krummacher/Greifswald ist während der gesamten Synode nicht offiziell in Erscheinung getreten. Von ihm wurde nicht ein Diskussionsbeitrag gehalten. Er war jedoch häufig vom Tagungsraum abwesend und konferierte sehr oft mit den Bischöfen Fränkel/Görlitz und Müller/Dessau sowie mit Präsident Hildebrandt/Berlin und Präses Kreyssig/Berlin hinter verschlossenen Türen. Von Synodalen wurde die Meinung geäußert, dass Bischof Krummacher sich lediglich nach außen hin Zurückhaltung auferlegt, da er nicht in Widerspruch zu einem Gespräch, dass zwischen ihm und Harry Tisch,59 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Rostock, kurz vor der Synode stattgefunden habe, kommen wollte.60 Er habe deshalb auch nicht gewagt, eine ihm durch Kurier überbrachte, in Handschrift angefertigte Grußadresse aus Westberlin öffentlich vor der Synode zu verlesen.61 Während seiner Anwesenheit bei den Beratungen machte er einen nervösen Eindruck ①.
Über den weiteren Verlauf und Abschlusstag der Teilsynode der EKU Westberlin-Spandau wurde dem MfS Folgendes bekannt: (in Ergänzung der Informationen 151/68 vom 13.2.1968 und 165/68 vom 15.2.1968).
Der Teilsynode West wurde am 15.2.1968, dem 6. Beratungstag, die neue Fassung der Vietnam-Erklärung62 vorgelegt. (Erste Fassung siehe Information Nr. 165/68 vom 15.2.1968, Seiten 9–10. Aufgrund der Ersten Fassung war es zu heftigen Auseinandersetzungen u. a. in der Frage gekommen, welche Seite mit dieser Erklärung angesprochen werden müsste.)
In der neuen Erklärung wurden die christlichen Gemeinden in den USA direkt angesprochen, ihre Regierung zum Frieden mit Vietnam zu bewegen. Ebenfalls wird die Regierung in Bonn aufgefordert, Einfluss auf die mit ihr befreundete Regierung der USA zu nehmen. Diese neue Fassung wurde ohne nochmalige Aussprache einstimmig angenommen.63
Danach wurde der Bericht des Berichtsausschusses der EKU-Synode West64 verlesen. Darin heißt es u. a.: »Die Einheit der Evangelischen Kirche der Union ist auf den Synodaltagungen in Berlin-Spandau und in Potsdam-Babelsberg über die äußerliche Trennung hinaus erneut deutlich geworden. Doch ist die Evangelische Kirche der Union, die auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken kann, betroffen darüber, dass es ihr nach wie vor verwehrt ist, zu gemeinsamen Synodaltagungen und Ratssitzungen an einem Ort zusammenzukommen. Sie hält solche Tagungen für legitim und unterstreicht65 die Aussage, die der stellvertretende Ratsvorsitzende, Kirchenpräsident Dr. Müller, auf der Synodaltagung in Potsdam-Babelsberg gemacht hat: ›Unser Verhältnis zu den anderen evangelischen Landeskirchen in der DDR und in der Bundesrepublik ist durch die Fürstenwalder Erklärung66 zur Einheit der EKD vom vergangenen Jahr bestimmt, die wir uns zu eigen gemacht haben.‹ Die schmerzliche Teilung des deutschen Volkes kann im Zeitalter der Trennung von Kirche und Staat kein Hindernis dafür sein, dass sich die Kirche in ihren organischen Gemeinschaften unzertrennt zur Erfüllung ihres Friedenszeugnisses versammelt.«
Im Bericht wird weiter im Zusammenhang mit der Darlegung der Unruhen unter der Studentenschaft in Westdeutschland/Westberlin der Antrag formuliert: »Die Synode beauftragt den Rat, die Initiative zu ergreifen, um gemeinsam mit den Beteiligten auf allen Seiten, insbesondere mit Studenten und Professoren, die in der Gesellschaft und in der Kirche aufgebrochenen Fragen zu erörtern und Lösungen zu suchen, die in die Zukunft weisen. Besonders vordringlich erscheint ihr dafür eine sorgfältige Analyse der Ursachen des Unbehagens der Jugend an der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung und ihrer eigentlichen, vielfach durch unklare Emotionen überdeckten Zielsetzungen. Dabei sollte sich die Kirche auch kritischen Anfragen an ihre eigene Struktur stellen. Die Synode beauftragt den Rat, alles zu tun, um die Begegnung der Menschen im geteilten Deutschland zu fördern. Insbesondere sollte er an die Regierungen appellieren, aus Gründen der Menschlichkeit den allgemeinen Reiseverkehr, einschließlich der Ausgabe von Passierscheinen in Berlin,67 zu ermöglichen.«68 Dieser Bericht wurde ohne Debatte von der Synode angenommen.69
Im Anschluss daran wurde der Bericht der Teilsynode Potsdam verlesen und daraus hervorgehoben: »Die Einheit der EKU ist auf den Synodaltagungen in Berlin-Spandau und Potsdam-Babelsberg erneut deutlich geworden. Wir freuen uns, dass die gemeinsame Arbeit in unseren Kirchen in den letzten Jahren wesentlich gefördert werden konnte. Wir bitten den Rat, die theologische und kirchliche Zusammenarbeit und den Austausch von Erfahrungen und Arbeitsergebnissen der Gliedkirchen untereinander in Zukunft zu verstärken.« Eine Aussprache über diesen Bericht erfolgte nicht.
Danach wurden Vorlagen im Wesentlichen innerkirchlichen Charakters behandelt wie Berichte des theologischen Ausschusses, des Ordinationsausschusses, des Ausschusses Amt und Gemeinde sowie der Entwurf des Kirchenverwaltungsgesetzes.
Mit dem Schlusswort von Präses Wilm70/Bielefeld wurde die Teilsynode West gegen 12.30 Uhr abgeschlossen. Wilm hob u. a. hervor, eine Kommunikation sei weitestgehend vorhanden gewesen. Die Teilsynoden hätten als eine gemeinsame Synode der EKU getagt und beschlossen. Die Synode sei zu ermutigenden Aussagen gekommen. Vorwürfe, es würde nur noch »politische Diakonie« betrieben, seien unberechtigt. Die Stellungnahme zu Vietnam wertete er positiv. Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn »Leute aus der DDR« die Beratungen hätten verfolgen können, sie hätten dann vielleicht eingesehen, wie unberechtigt der »Vorwurf: NATO-Kirche« sei. Die Kirche trage eine schwere politische Last und mache sich die Sache nicht leicht. Diese Synode der EKU habe als erste das Thema des sozialen Weltfriedens aufgegriffen, andere Synoden würden ihr sicher folgen.
Intern wurde dem MfS bekannt, dass von der Leitung der Synode West beabsichtigt war, seitens der Teilsynode einer Solidaritätserklärung für Bischof Fränkel/Görlitz zuzustimmen. Das Vorhaben scheiterte an heftigen Auseinandersetzungen im Berichtsausschuss, der die Abstimmung vorbereiten sollte.71 Im Berichtsausschuss äußerten sich gegen eine Solidaritätserklärung besonders Präses Wilm/Bielefeld, Prof. Schweitzer72/Bethel, Rechtsanwalt Ortmann73/Düsseldorf und Prof. Martin Fischer74/Westberlin.
Dem MfS wurde weiter intern bekannt, dass die Mitglieder der Synode West nicht sofort nach der offiziellen Beendigung der Tagung abreisten, da sie Anweisung erhielten, noch eintreffende Materialien von der Synode Potsdam abzuwarten. Die Leitung der Synode West erwartete einen Kurier aus Potsdam, der den Wortlaut einer dort verfassten und angeblich angenommenen Erklärung zur Verfassung der DDR überbringen sollte. Es war beabsichtigt, dieser Erklärung durch die Teilsynode-West die Zustimmung zu geben. (Eine solche Erklärung hatte der Synode Potsdam nicht vorgelegen. Siehe auch Information Nr. 159/68 vom 14.2.68, Seite 9). Da der erwartete Kurier ausblieb und die Mitglieder der Synode nicht zu bewegen waren, länger zu warten, erfolgte in den Nachmittagsstunden des 15.2.1968 die Abreise.
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