Abwicklung des Touristen- und Transit-Reiseverkehrs ČSSR-DDR
24. September 1968
Einzelinformation Nr. 1070/68 über die Abwicklung des Touristen- und Transit-Reiseverkehrs zwischen der ČSSR und der DDR
Wie vom MfS festgestellt wurde, gibt es im Zusammenhang mit dem Touristen- und Transit-Reiseverkehr zwischen der ČSSR und der DDR und umgekehrt noch einige unklare Probleme, die unseres Erachtens einer zentralen Klärung und einheitlichen Regelung bedürfen.
Nach den Maßnahmen der fünf Warschauer Vertragsstaaten1 erfolgte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Wiederaufnahme des zweiseitigen Touristen-Reiseverkehrs zwischen der ČSSR und der DDR. Während bei Dienstreisen und Privatreisen eine klare Regelung entsprechend der Weisung des Ministers des Innern und Chefs der DVP vom 31.8.1968 – FS 5250 – praktiziert wird, ergibt sich bei der in der gleichen Weisung festgelegten »Entsendung von Touristengruppen in die ČSSR in beschränktem Umfange« folgende Situation: Von der Generaldirektion des Reisebüros der DDR – als der für Touristenreisen zuständigen Stelle – wurde auf der Grundlage der obenstehend angeführten Weisung des Ministers des Innern eine Konzeption ausgearbeitet, die eine schrittweise Wiederaufnahme des Touristenverkehrs DDR/ČSSR beinhaltete.
In dieser Konzeption war vorgesehen, ab 15.9.1968 bis Ende Oktober 1968 16 Gruppen mit je 30 Personen als zentralgeleitete Touristik nach der ČSSR zu entsenden. Ab 23.9.1968 sollte die Kurztouristik (2–7 Tage) von den Bezirksdirektionen des Reisebüros wieder aufgenommen werden. Seitens der Generaldirektion war vorgesehen, diese Kurztouristik zu kontingentieren, und zwar für alle Bezirke insgesamt pro Woche 23 Gruppen mit je 30 Personen. Dabei sollte ein Aufenthalt in Prag nicht in die Programme aufgenommen werden.
Die zentralgeleitete Touristik nach der ČSSR für die Sommersaison soll nicht wieder aufgenommen werden, da diese bereits Ende Oktober 1968 ausläuft und der Zeitraum der Neuorganisierung zu kurz ist. Mit dieser Reiseart wird mit Beginn der Wintersaison auf der Grundlage der bereits abgeschlossenen Verträge begonnen.
Nach Bestätigung dieser Konzeption durch Genossen Oberst Reuther2 vom MdI am 3.9.1968, bei der auf die Wiederaufnahme des Touristenverkehrs auf der Grundlage der bestehenden zweiseitigen Verträge und unter Berücksichtigung ökonomischer Interessen und Gewährleistung der Sicherheit orientiert wurde, wandte sich die Generaldirektion des Reisebüros der DDR schriftlich 1. an den Minister für Verkehrswesen der DDR mit der Bitte um Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die aufzunehmende Touristik mit der ČSSR über das Reisebüro der DDR wieder durchgeführt werden kann, 2. an das Reisebüro Čedok3 mit der Aufforderung, Vorschläge über die Entsendung von ČSSR-Touristen nach der DDR zu unterbreiten.
Während seitens des Ministeriums für Verkehrswesen bisher noch keine Entscheidung erfolgte, hat jedoch das Reisebüro Čedok folgende konkrete Bestellungen angemeldet:
- 1.
fünf Gruppen mit je 30 Personen als Touristen
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1. Gruppe vom 29.9. bis 3.10.1968; Programm: Wismar oder Rostock, Stralsund, Potsdam, Leipzig, Karl-Marx-Stadt oder Dresden
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2. Gruppe vom 20.9. bis 22.9.1968; Programm: Berlin und Potsdam
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3. Gruppe vom 20.9. bis 22.9.1968; Programm: Rahnsdorf
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4. Gruppe vom 25.9. bis 28.9.1968; Programm: zwei Tage Berlin, ein Tag Leipzig
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5. Gruppe am 14.10.1968; Programm: Stadtrundfahrt in Berlin. (Diese Gruppe kommt von Warschau und fährt am gleichen Tage weiter nach Prag.)
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- 2.
zehn Gruppen mit je 30 Personen im Transit durch die DDR nach Stockholm mit dreitägigem Aufenthalt in Berlin (jede Woche eine Gruppe)
- 3.
zehn Gruppen mit je 30 Personen im Transit nach Kopenhagen mit Aufenthalt von ein bis zwei Tagen in der DDR.
Diese Bestellungen und gewünschten Programme stellen inhaltlich keine Einführung neuer Gepflogenheiten im Touristenverkehr dar, sondern bewegen sich – mit Ausnahme des zahlenmäßigen Umfangs, der vorher wesentlich größer war – im Rahmen der vorher üblichen Praxis.
Vom Reisebüro der DDR wurde auf dieses Čedok-Angebot noch nicht geantwortet, weil die zentrale Entscheidung darüber noch ausstehe.
In diesem Zusammenhang wird vom stellvertretenden Generaldirektor des Reisebüros der DDR, Genossen Heinecke,4 darauf aufmerksam gemacht, dass lt. Auskunft der Außenstelle des Reisebüros der DDR in Prag die VR Ungarn, Bulgarien und Polen die Touristik mit der ČSSR in beiden Richtungen wieder aufgenommen hätten, die Sowjetunion jedoch bisher noch nicht. Ferner wird darauf hingewiesen, dass bei einer Zustimmung zur Aufnahme dieser von Čedok vorgeschlagenen Reisegruppen damit seitens Čedok »automatisch« die Genehmigung zur Einreise weiterer Touristengruppen für die nachfolgende Zeit als vertraglich basiert vorausgesetzt würde.
Ein weiterer Gesichtspunkt, der bei der Entscheidung berücksichtigt werden sollte, ist die in der Vergangenheit bekannt gewordene Tatsache, dass ČSSR-Bürger bei ihrem Aufenthalt in der DDR revisionistische Auffassungen vertraten und die westlichen Verhältnisse verherrlichen und damit in Diskussionen DDR-Bürger zu beeinflussen versuchen. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, dass über das Reisebüro der Einsatz solcher zuverlässigen Dolmetscher und Reiseleiter organisiert wird, die in der Lage sind, revisionistischen Auffassungen entgegenzutreten und einen positiven politisch-ideologischen Einfluss auszuüben.
Zum gleichen Zwecke wäre es erforderlich, die Reiseprogramme eventuell in enger Zusammenarbeit mit den Bezirks- und Kreisleitungen der Partei so auszuarbeiten, dass die ČSSR-Touristen – beispielsweise bei Betriebsbesichtigungen – vorwiegend mit solchen Kräften in Berührung kommen, von denen ebenfalls ein positiver Einfluss ausgeht.