Attentäter an Dutschke, Josef Bachmann
15. April 1968
Einzelinformation Nr. 414/68 über den Attentäter an Dutschke, Josef Bachmann
Vom MfS wurde festgestellt, dass der Bachmann, Josef,1 geboren 12.10.1944 in Reichenbach/Vogtland, bis 6.4.1956 in Reichenbach/V., [Straße, Nr.] mit seiner Mutter [Name 1], geborene [Name 2, Vorname 1] und seinem Stiefvater [Name 1, Vorname 2] wohnhaft war. Zu diesem Zeitpunkt fuhren die Vorgenannten zu einer Konfirmationsfeierlichkeit mit Aufenthaltsgenehmigung nach Westdeutschland und kehrten nicht mehr in die DDR zurück.
Josef Bachmann wurde wie auch sein Bruder [Name 2, Vorname 3] außerehelich geboren. Sein Vater ist nicht bekannt. Er wurde wegen seines ungenügenden Intellekts 1951 in die Sonderschule Dr. [Name 3] in Leipzig eingeschult und zeigte auch nach seiner späteren Einschulung in Reichenbach ungenügende Leistungen, sodass er das Klassenziel der 4. Klasse nicht erreichte. Bezeichnend ist, dass Bachmann, Josef bereits während der Schulzeit immer zu Tadeln Anlass gab, vorlaut und rüpelhaft war, die Schulzeit schwänzte und sich mit gleichaltrigen Schülern herumtrieb, ohne dass vom Elternhaus ein positiver Einfluss auf ihn ausgeübt wurde. (In gleicher Weise wird auch sein am [Tag, Monat] 1940 in Reichenbach geborener Bruder [Vorname 3] charakterisiert.) Josef Bachmann ist seit seiner Republikflucht noch nicht wieder in die DDR eingereist. Josef Bachmann wohnte mit seiner Mutter und mit seinem vor Kurzem verstorbenen Stiefvater bis Januar 1968 in Peine bei Hannover.
In den Veröffentlichungen der Westpresse wurden zu seiner Person u. a. folgende Angaben gemacht: Seine Mutter habe erklärt, dass er schon immer »gegen die Kommunisten« eingestellt gewesen sei, zur NPD hin tendiere, ohne selbst einer politischen Partei oder Gruppe anzugehören. Bei der Haussuchung wurden in dem von ihm bewohnten Zimmer ein großes Hitlerporträt und ein Bild Napoleons gefunden, die er selbst gemalt hat.
Josef Bachmann habe zuletzt bei einer Münchener Hoch- und Tiefbaufirma gearbeitet und war in München, [Straße, Nr.] wohnhaft. Er soll stark verschuldet sein und u. a. vor ca. drei Wochen ein Auto gekauft haben, ohne das dazu erforderliche Geld zu besitzen. Bachmann ist zweimal vorbestraft, 1961 in Dortmund wegen schweren Diebstahls und 1966 in Frankreich wegen des gleichen Delikts sowie wegen illegalen Waffenbesitzes und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Bachmann reise am 11.4.1968 mit dem D 129 von Marienborn über Griebnitzsee nach Westberlin ein. Den Trommelrevolver habe er sich in München vor seiner Abreise nach Westberlin gekauft. Die aus der Westpresse zu ersehende Orientierung, den Bachmann als »Sonderling« darzustellen, soll offensichtlich von seiner neofaschistischen Grundeinstellung ablenken. So wurde vom MfS dazu weiter ermittelt:
Die Mutter Bachmanns [Name 1], geborene [Name 2, Vorname 1], geboren [Tag, Monat] 1915 in Reichenbach/V. entstammt zwar einer Arbeiterfamilie, aber ihre Eltern entwickelten sich zu aktiven Nazis. So gab es im Garten des elterlichen Grundstückes während der Nazizeit einen besonderen Platz, wo zu besonderen Anlässen zwölf große Fahnen aufgestellt wurden. Der Vater des. B. sprach zu dieser Zeit nur von einem »Hitler-Hügel«, womit er diese Stelle in seinem Garten meinte. Mit dieser faschistischen Einstellung, die an Fanatismus grenzte, durfte es niemand wagen, sich irgendwie andersdenkend zu äußern. In diesem Sinne wurden auch die Kinder erzogen, und die [Name 2, Vorname 1] gehörte selbst dem BDM an. Während des Krieges war sie in einem Lazarett tätig und führte dort einen sehr leichten Lebenswandel.
1954 heiratete sie den [Name 1, Vorname 2], geboren [Tag, Monat] 1903 in Essen, der in den 20er Jahren nach Mylau b. Reichenbach zuzog. Auch [Vorname 2 Name 1] führte einen sehr zweifelhaften und ausschweifenden Lebenswandel (Frauen und Alkohol). In den Jahren 1925/26 verkehrte er sehr viel in dem Gasthaus »Arbeiterturnhalle Mylau«, die von dem Genossen [Name 4, Vorname], bereits zur damaligen Zeit Mitglied der KPD, bewirtschaftet wurde. In dem Jahr 1933 war er bei der Reichsbahn als Streckenarbeiter tätig und wurde mit der Machtübernahme Hitlers Mitglied der NSDAP. Außerdem gehörte er der SA an. Er beteiligte sich aktiv an Ausschreitungen gegen die Mitglieder der KPD. So nahm er beispielsweise an der Zusammenschlagung des Genossen [Name 4, Vorname] in der Turnhalle in Mylau als Angehöriger der SA teil. Darüber hinaus hat er diesen Genossen selbst denunziert, sodass dieser fünf Wochen im KZ Sachsenburg inhaftiert wurde. (Später sei [Name 1] aufgrund seines haltlosen Lebenswandels aus der NSDAP ausgeschlossen worden.) Während des Krieges war [Name 1] bei der faschistischen Wehrmacht, ohne dass dazu nähere Einzelheiten bekannt wurden.
Aufgrund der von ihm während der Zeit des Faschismus begangenen Verbrechen wurde er nach 1945 zu Freiheitsentzug verurteilt und befand sich bis Mai 1950 in der Strafanstalt Brandenburg-Görden.
Der Onkel des Josef Bachmann und Bruder seiner Mutter, [Name 2, Vorname 4], geboren [Tag, Monat] 1920 in Reichenbach, wurde im Jahre 1953 durch das Bezirksgericht Karl-Marx-Stadt wegen Boykotthetze nach Art. 6 der Verfassung zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Im November 1956 wurde er durch Gnadenerlass der Gnadenkommission des Bezirkes Karl-Marx-Stadt mit Bewährungsfrist bis 1958 entlassen. [Vorname 4 Name 2] diskutiert in angetrunkenem Zustand auch jetzt noch über unsere gesellschaftlichen Verhältnisse äußerst negativ, bezeichnet z. B. Genossen als »Kommunistenschweine« und bringt ähnliche Äußerungen auch gegen Bürger in gesellschaftlichen Funktionen vor. Er ist äußerst jähzornig, streitsüchtig und rechthaberisch und wird vor allem in angetrunkenem Zustand anderen Personen gegenüber tätlich, besonders wenn er »Genossen sieht, die das Parteiabzeichen tragen«.
[Vorname 4 Name 2] wurde deshalb im Dezember 1965 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. In seiner Freizeit ist er bestrebt, bürgerlich zu leben und baut sich ein Gewächshaus und einen »Swimmingpool«. Er besitzt keinen guten Leumund.
Außer den bisher genannten Personen leben auf dem Gebiet der DDR noch die Tante des Josef Bachmann (Ehefrau des vorgenannten [Vorname 4 Name 2]) [Name 2], geborene [Name 5, Vorname 5], geboren [Tag, Monat] 1942, wohnhaft Reichenbach, [Straße, Nr.], und die Tante [Name 6], geborene [Name 2, Vorname 6], geboren [Tag, Monat] 1912 in Reichenbach, wohnhaft in [Ortsteil], Kreis Reichenbach.
Auch die Letztgenannte besitzt eine negative Einstellung zur DDR, die sie jedoch nur im Kreise enger Bekannter äußert und sich nach außen hin passiv gibt.
Die Mutter des Josef Bachmann reiste vom 12. bis 14.2.1963 zur Beerdigung ihrer Mutter in Reichenbach zusammen mit ihrer Schwester [Name 7, Vorname 7] (wohnhaft Rehlingen, Kreis Lüneburg) und mit ihrem Ehemann im April 1964 und im Mai 1967 nach [Ortsteil], Kreis Reichenbach, [Nr.] ein.