Fahnenflucht eines Angehöriger des Grenzregiments Gardelegen
23. Januar 1968
Einzelinformation Nr. 68/68 über die Fahnenflucht eines Angehörigen der Grenzkompanie Buchhorst, Grenzregiment Gardelegen, am 17. Januar 1968
Am 17.1.1968, in der Zeit von 8.00 bis 15.00 Uhr, war der Soldat [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1947, wohnhaft Berlin-Köpenick, [Straße, Nr.], NVA seit 2.5.1967, Posten in der Grenzkompanie Buchhorst, gemeinsam mit dem Postenführer, Gefreiter [Name 2], und einem weiteren Posten im Abschnitt Mittellandkanal zum Grenzdienst eingesetzt. Während der befehlsmäßig durchzuführenden Überprüfung der Signalgeräte lief der [Name 1] hinter den beiden anderen NVA-Angehörigen. Unmittelbar an der Luckass-Brücke, ca. 300 m freundwärts der Sperre, ca. 800 m von der Staatsgrenze entfernt, lud [Name 1] seine MPi durch, richtete sie auf die vor ihm gehenden NVA-Angehörigen und forderte sie auf, die Waffen niederzulegen und in Richtung des eigenen Hinterlandes zu gehen. Sowohl der Postenführer als auch der andere Posten kamen dieser Forderung nach. Sie legten, ohne Widerstand zu leisten, ihre Waffen (zwei MPi) ab und begaben sich in Richtung Hinterland. [Name 1] nahm die Waffen auf und warf sie in einen ca. 2 m tiefen Bach. Anschließend begab er sich – unter Mitnahme seiner MPi – durch ein ca. 1,20 m tiefes und ca. 600 m breites Hochwassergebiet in Richtung Westdeutschland.
Während sich [Name 1] in Richtung Westdeutschland entfernte, kehrte der Postenführer mit seinem Posten zum Vorkommnisort zurück, wo sie die zurückgelassenen Waffen suchten. Der Postenführer fand seine MPi in einem Gestrüpp am Ufer des Baches hängend. Die MPi des Postens wurde erst nach zweistündiger Suche gefunden. Nach dem Auffinden seiner Waffe gab der Postenführer 40 Schuss in die vermutliche Fluchtrichtung, ohne jedoch – nach übereinstimmenden Aussagen – den Grenzverletzer noch gesehen zu haben. [Name 1] hatte offensichtlich zu diesem Zeitpunkt bereits die Sperranlagen ca. 300 m vom Vorkommnisort entfernt überwunden. Da sich durch dieses Hochwassergebiet Meliorationsgräben ziehen, wurde von den NVA-Angehörigen angenommen, dass [Name 1] in einen dieser Gräben geraten und ertrunken ist.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass die Fahnenflucht bei entschlossenem Handeln der beteiligten NVA-Posten hätte verhindert werden können.
Zur Person
[Name 1] wurde am Wohnort und in der früheren Arbeitsstelle gut beleumundet. Er wurde als positiv, arbeitswillig, kollegial und fleißig eingeschätzt. Von seiner Mutter, mit der er in gutem Einvernehmen lebte, wurde er positiv erzogen. Eine ähnliche Einschätzung wurde auch nach seiner Grundausbildung von der Ausbildungseinheit gegeben. In der Einheit nahm er am gesellschaftlichen Leben teil, wobei er zurückhaltend auftrat. Nach seinen eigenen Angaben stand seine Mutter mit Verwandten in Hildesheim/WD in Verbindung.
Die bisherigen Ermittlungen zum Motiv der Fahnenflucht ergaben, dass seine Freundin Weihnachten 1967 die Verbindung zu ihm löste und in eine Verlobung nicht einwilligte. Aus vorgefundenen Briefen geht ebenfalls hervor, dass die Lösung dieses Verhältnisses ihn psychisch stark belastete und er sich sogar deswegen mit Selbstmordabsichten trug.
Weitere Untersuchungen werden durch das MfS geführt.