Fahnenflucht eines Maates des 48. Grenzregiments
31. Oktober 1968
Einzelinformation Nr. 1197/68 über die Fahnenflucht des Maates der NVA/Grenze [Name 1, Vorname], 48. Grenzregiment, 2. Grenzbrigade, nach Westberlin
Am 29.10.1968, gegen 18.00 Uhr, wurde der Maat [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1948, wohnhaft Zeitz, [Straße, Nr.], NVA seit 2.11.1967, Berufssoldat, Bootsführer und stellvertretender Zugführer der Bootskompanie 48. GR/2. Grenzbrigade, Mitglied der SED, FDJ, DSF und des FDGB, bei der Durchführung einer Kontrollfahrt auf der Havel im Raum Potsdam-Sacrow nach Westberlin fahnenflüchtig.
Die Bootsbesatzung, bestehend aus dem [Name 1] sowie dem Maat [Name 2, Vorname] und dem Matrosen [Name 3, Vorname], bewegte sich zu dem angegebenen Zeitpunkt mit dem Kontrollboot 53 auf die Staatsgrenze nach Westberlin zu, die wasserseitig durch entsprechende Bojen gekennzeichnet ist. Vertikal dazu verläuft die Staatsgrenze auf dem Lande weiter, wobei als Grenzsicherungsanlage neben einem 3-m-Kontrollstreifen ein einfacher Drahtzaun aufgestellt ist.
Auf Westberliner Territorium, dicht am Ufer und auch an der Staatsgrenze, steht das sogenannte Haus »Esche«, das mit einem Ziergarten umgeben ist, in dem Märchenfiguren aufgestellt sind. [Name 1] äußerte gegenüber der Bootsbesatzung, als sie sich in Richtung Staatsgrenze bewegten, aus diesem »Märchenwald« Figuren entwenden zu wollen, was durch den [Name 2] und [Name 3] abgelehnt wurde. Kurze Zeit später gab der [Name 1] an, seine Notdurft verrichten zu müssen. Zu diesem Zweck legte das Boot 53 am Ufer an und zwar genau an der schon o. g. Grenzsicherungsanlage. [Name 1] begab sich hier an Land. Nach ca. zehn Minuten beobachteten der Maat [Name 2] und Matrose [Name 3], wie sich von Westberliner Seite ein Polizeiboot näherte und am gleichen Ufer, feindwärts an der Staatsgrenze, in Nähe des schon genannten Hauses »Esche«, anlegte. Ihm entstiegen drei Westberliner Polizeiangehörige, die das Ufer absuchten, sich danach wieder zum Boot begaben und in Richtung gegnerisches Hinterland abfuhren. Nach ca. 20 Minuten, als [Name 1] noch nicht zurückgekehrt war, verließen [Name 2] und [Name 3] den Standort und verständigten über das Grenzmeldenetz den Führungspunkt der Kompanie, da aufgrund eines Antennenschadens eine Funkverbindung zwischen dem Boot und dem Führungspunkt nicht möglich war.
Die weiteren Untersuchungen ergaben, dass [Name 1] bisher in gesellschaftspolitischer Hinsicht und auch in der Durchführung der Kampfaufträge im Rahmen des Grenzdienstes in keiner Weise nachteilig in Erscheinung getreten war. Bei der Absolvierung einer Unteroffizierschule verpflichtete er sich als Berufssoldat. Er genoss das Vertrauen des Kollektivs und der Vorgesetzten, was auch in der Bestätigung als Bootsführer zum Ausdruck kam.
Wie die weiteren Untersuchungen ergaben, unterhalten die Eltern des [Name 1] umfangreiche Westverbindungen. Beide Elternteile waren mehrmals in Westdeutschland zu Verwandtenbesuchen. Weiter wurde festgestellt, dass [Name 1] ein festes Verhältnis zu einer weiblichen Person aus Zeitz unterhielt, das auf deren Drängen in der letzten Zeit gelöst worden ist und bei ihm zur Deprimierung führte.
Inwieweit diese Vorgänge mit zur Fahnenflucht des [Name 1] führten, konnte bisher noch nicht konkret festgestellt werden.
Die Untersuchungen zur allseitigen Aufklärung insbesondere der konkreten Ursachen und Beweggründe sowie zur Beseitigung der bei diesem Vorkommnis in Erscheinung getretenen begünstigenden Bedingungen werden fortgesetzt.