Fahnenflucht eines Unterfeldwebels der Grenztruppen
28. Mai 1968
Einzelinformation Nr. 561/68 über eine Fahnenflucht durch einen Unterfeldwebel der Grenztruppen
Dem MfS wurde bekannt, dass der Unterfeldwebel [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1946, wohnhaft Grevesmühlen, [Straße, Nr.], ledig, NVA seit 2.5.1966, Berufssoldat, Zugführer, 4. Zug der 8. Grenzkompanie des Grenzregiments 7, 3. Grenzbrigade Wittenburg, Kandidat der SED, Mitglied der FDJ, in der Nacht vom 20.5.1968 zum 21.5.1968 nach Westdeutschland fahnenflüchtig wurde.
Die Untersuchungen ergaben Folgendes:
[Name 1] hatte am 20.5.1968 von 18.00 bis 24.00 Uhr dienstfrei. In dieser Zeit hielt er sich in der Gaststätte in Nostorf, Kreis Hagenow, auf, wo er mit zwei weiteren Unterfeldwebeln der Grenztruppen Karten spielte.
Gegen 21.45 Uhr verließ [Name 1] die Gaststätte, um angeblich die Toilette aufzusuchen. Als er nach ca. zehn Minuten nicht zurückkehrte, begannen die zwei anderen Unterfeldwebel den [Name 1] zu suchen. Da die Suche ergebnislos verlief, meldete der Unterfeldwebel [Name 2] und Oberfeldwebel [Name 3] gegen 22.15 Uhr dem Führungspunkt der Grenzkompanie das Verschwinden des [Name 1]. Der Stellvertreter für politische Arbeit der Grenzkompanie, Genosse Oberleutnant [Name 4], setzte daraufhin zwei Grenzposten zur Suche des Neugebauer ein, erstattete aber erst am 21.5.1968 um 1.00 dem Stab des Grenzbataillons von dem Vorkommnis Meldung.
Um 5.00 Uhr des gleichen Tages stellten der Zugführer Genosse Oberleutnant [Name 5] und der Gefreite [Name 6] bei der Begehung des Kontrollstreifens Spuren fest und fanden die Uniformjacke mit dem Versicherungsausweis des [Name 1] unmittelbar an der Durchbruchstelle.
Das Vorkommnis wurde begünstigt durch Verstöße gegen die Dienstvorschrift über »Die Organisation des Grenzdienstes und der Postenplanung«, indem
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Unterfeldwebel [Name 1], obwohl sein Zug Grenzdienst hatte, dienstfrei erhielt, ohne das ein Stellvertreter eingesetzt war;
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Unterfeldwebel [Name 1] durch den Kompaniechef, Major Erler, beauftragt wurde, die Postenplanung vorzunehmen. Dadurch erhielt er Kenntnisse über die Besetzung des Abschnittes, obwohl er den Einsatz seines Zuges nicht leitete und dienstfrei hatte. Diese Kenntnisse nutzte auch der [Name 1], indem er in dem Abschnitt fahnenflüchtig wurde, der nicht durch Grenzposten besetzt war.
Das bisherige Verhalten des [Name 1] steht im Widerspruch zu seiner Handlungsweise. Er versah seinen Dienst diszipliniert, entwickelte Eigeninitiative, wurde im Kollektiv geachtet und aufgrund dieser Eigenschaften und auch der Tatsache, dass er seit 1966 zehn Mal belobigt worden war und zweimal das Bestenabzeichen erhalten hatte, am 16.5.1968 mit der Führung eines Zuges beauftragt.
[Name 1] unterhielt zur Tochter des Genossen Oberstleutnant [Name 7], Mitarbeiter der Politischen Verwaltung des Militärbezirkes 3, wohnhaft in Weimar, seit November 1967 ein Verhältnis und ist mit ihr verlobt. Am 5.4.1968 reichte [Name 1] bei seinem Kompaniechef, Major Erler, ein Versetzungsgesuch nach Erfurt ein mit dem Ziel, in die Nähe der Verlobten versetzt zu werden. Die daraufhin am 9.5.1968 durch den Kompaniechef Major Erler durchgeführte Aussprache befriedigte den [Name 1] nicht. Major Erler unterließ es auch, das Versetzungsgesuch ordnungsgemäß weiterzuleiten bzw. seinen Vorgesetzten davon zu verständigen.
Inwieweit diese Umstände Einfluss auf die Motivation hatten bzw. inwieweit andere Vorgänge ursächlich für die Handlungsweise des [Name 1] waren, konnte bisher nicht festgestellt werden.