Fahrlässiger Gebrauch der Schusswaffe in 11. MSD
4. September 1968
Einzelinformation Nr. 988/68 über fahrlässigen Gebrauch der Schusswaffe durch einen Angehörigen der 11. Motorisierten Schützendivision, 16. Regiment
Dem MfS wird bekannt: Der Soldat [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, wohnhaft Markkleeberg, [Straße, Nr.], NVA seit 5.5.1968, MPi-Schütze im 16. Regiment der 11. MSD, machte am 31.8.1968 im angetrunkenen Zustand von seiner Schusswaffe Gebrauch, indem er versuchte, durch Abgabe von mehreren Feuerstößen (insgesamt elf Schuss) aus seiner MPi, einen Personenkraftwagen zum Halten zu bringen.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben Folgendes: Am 31.8.1968, gegen 17.00 Uhr, begab sich die Kompanie, der [Name 1] angehörte, in das Eisenwerk Schönheide zum Duschen. Jeder Soldat führte seine Waffe und die ausgegebene Munition bei sich. Nach dem Duschen gestattete der Zugführer, Leutnant [Name 2], den Soldaten, die Betriebskantine aufzusuchen und dort Bier zu trinken.
Bis 20.00 Uhr trank der Schütze [Name 1] sechs Flaschen Pilsner. Anschließend verließ er unbemerkt von seinen Vorgesetzten die Kantine, um in der Ortschaft Schönheide weitere alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Bei diesem Vorhaben traf er auf die Soldaten [Name 3], [Name 4], [Name 5] und [Name 6], die sich aus der gleichen Absicht von der Einheit entfernt hatten. Gemeinsam begaben sie sich in eine Gaststätte und tranken dort mehrere Glas Bier. In der Zwischenzeit war die Kompanie im Eisenwerk Schönheide auf Kfz aufgesessen und der Kompaniechef, Oberleutnant [Name 7], ließ, ohne die Vollzähligkeit zu prüfen, die Fahrzeuge abfahren. Erst nach Ankunft im Konzentrierungsraum wurde das Fehlen der fünf Soldaten bemerkt. Vom Bataillonskommandeur, Hauptmann [Name 8], erhielten Oberleutnant [Name 7] und der Stabschef des Bataillons, Hauptmann [Name 9], den Befehl, die Soldaten zu suchen. Entgegen dem erhaltenen Befehl nahmen die beiden Offiziere in einer Gaststätte in Eibenstock übermäßig Alkohol zu sich und unterließen die Suche nach den fehlenden Soldaten.
Aufgrund dieses Umstandes konnten sich die fünf Soldaten gegen 21.00 Uhr ungehindert von Schönheide nach Eibenstock begeben, wo sie von einer zzt. noch unbekannten Familie zu einer Familienfeier eingeladen wurden. In der Wohnung dieser Familie legten sie ihre Waffen und Munition, darunter ein lMG, in der Küche ab und nahmen bis gegen 24.00 Uhr größere Mengen Weinbrand und Bier zu sich. Anschließend versuchten sie in der Gaststätte »Ratskeller« in Eibenstock weitere alkoholische Getränke zu erhalten, was ihnen wegen ihres betrunkenen Zustandes verweigert wurde. Zu diesem Zeitpunkt trennten sich die Soldaten [Name 6] und [Name 5] von den übrigen und begaben sich zur Einheit zurück.
Die Soldaten [Name 1], [Name 3] und [Name 4] blieben in Eibenstock und begannen gegen 1.00 Uhr aus bisher noch unbekannten Beweggründen Pkw und Straßenpassanten anzuhalten und die Personalausweise der Bürger zu kontrollieren.
Als sich zwei als Sicherungskräfte eingesetzte Kampfgruppenmitglieder den Soldaten näherten, wurden sie von diesen als »Hilfspolizisten« beschimpft. Zu diesem Zeitpunkt kam ein Trabant-Kombi, in dem sich der Geophysiker der SDAG Wismut und Mitglied der Partei, [Name 10, Vorname], befand, an den Soldaten vorbei. [Name 1] versuchte den Wagen zu stoppen, worauf der Fahrer jedoch nicht reagierte. Daraufhin brachte [Name 1] seine MPi in Anschlag und gab zwei Feuerstöße (elf Schuss) auf den Trabant ab. Die Karosserie des Pkw wurde beschädigt. Personenschaden entstand nicht. Im Schussfeld befanden sich zu diesem Augenblick noch fünf Zivilpersonen. Nachdem [Name 1] geschossen hatte, richtete er seine MPi auf die in der Nähe stehengebliebenen Kampfgruppenangehörigen, die sich sofort entfernten.
Von diesem Vorkommnis wurde durch einen Bürger telefonisch der ABV, Unterleutnant der VP [Name 11], in Kenntnis gesetzt. Er begab sich sofort zum Tatort und forderte die NVA-Angehörigen auf, zum VP-Revier mitzukommen. Vor dem VP-Revier entfernte sich der Soldat [Name 1] und versuchte sich zu verstecken. Im Verlaufe der daraufhin eingeleiteten Suchaktion, an der sich ab 2.00 Uhr auch der inzwischen verständigte Bataillonskommandeur, Hauptmann [Name 8], beteiligte, wurde [Name 1] in der Thälmann-Straße in Eibenstock gestellt. [Name 1] versuchte Widerstand zu leisten und richtete seine MPi auf die verfolgende Streife. Erst nach mehrmaliger Aufforderung und Androhung von Waffengewalt ließ er sich festnehmen.
Zur Aufklärung dieses Vorkommnisses werden weitere Untersuchungen durchgeführt.