Fortsetzungsausschuss der Berliner Konferenz katholischer Christen
27. Dezember 1968
Information Nr. 1391/68 über die 9. Sitzung des »Internationalen Fortsetzungsausschusses der Berliner Konferenz katholischer Christen aus europäischen Staaten« vom 7. bis 8. Dezember 1968 in Berlin
Dem MfS wurden zur 9. Sitzung des »Internationalen Fortsetzungsausschusses der Berliner Konferenz katholischer Christen aus europäischen Staaten«,1 die am 7. und 8.12.1968 in der Hauptstadt der DDR stattfand,2 folgende Einzelheiten bekannt:
Die Tagesordnung dieser Sitzung sah vor:
- 1.
Bericht des Vorsitzenden, Otto Hartmut Fuchs3/DDR, der eine Einschätzung über die III. Tagung der Berliner Konferenz gab;
- 2.
Vortrag von Niggemeier4/CDU (DDR) über die europäische Sicherheit;
- 3.
Diskussion und Beratung der Aufgaben für das Jahr 1969.
Zur Tagung eingeladen waren 42 Personen aus fünf sozialistischen und elf kapitalistischen Staaten Europas. Angereist waren 31 Personen aus 15 Staaten. Die Mitglieder der »Berliner Konferenz« aus Italien waren ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.
Zum 1. Tagesordnungspunkt sprach Otto Hartmut Fuchs. Seine Ausführungen beinhalteten neben überwiegend theologischen Fragen eine Reihe positiver Aspekte zur Problematik Weltfriedensbewegung. Das Gleiche traf später auf die Ausführungen von Niggemeier zu.
An die Ausführungen schloss sich eine interessante Diskussion an. Als erster sprach Prof. Dr. Butkus5 aus der Sowjetunion. Er forderte, noch mehr katholische Menschen in die Arbeit der »Berliner Konferenz« und des »IFA« (Internationaler Fortsetzungsausschuss) einzubeziehen. Außerdem forderte er, in Resolutionen gegen den verbrecherischen Krieg der USA in Vietnam Stellung zu nehmen und den katholischen Christen in Europa solche Friedensdokumente zu übergeben, mit denen sie praktisch arbeiten könnten.
Der Belgier Collignon unterstrich in seinen Ausführungen die Notwendigkeit der Fortsetzung der Arbeit der »Berliner Konferenz« und erhielt dabei im Allgemeinen von den anderen Teilnehmern Zustimmung. Er unterstützte die Vorschläge von Prof. Butkus. Zu den Ereignissen in der ČSSR6 erklärte er wörtlich: »Sie haben uns überrascht, und wir haben sie nicht freudig begrüßt. Wir haben in einem Kreis von etwa 30 Freunden in Belgien darüber diskutiert, und ich muss sagen, dass trotz aller Schwierigkeiten eine einheitliche Meinung erarbeitet werden konnte. Wir kamen zu der Überzeugung, dass sich die Berliner Konferenz für die Fortsetzung der Erhaltung des Friedens einsetzen muss und dass die Frage der ČSSR für die Erhaltung des Friedens eine große Rolle spielt.«
Dr. Matejka7 aus Wien beschäftigte sich in seinen Ausführungen mit den linksgerichteten katholischen Kreisen in Österreich8 und zitierte mehrfach solche profilierten Katholiken wie u. a. Dr. Daim,9 Heer,10 Nenning11 und den neu gewonnenen Kaplan Noll. Noll gehört zu den Kreisen, die den Rücktritt des Papstes forderten, als dieser in seiner letzten Enzyklika gegen die »Antibabypille« aufgetreten war.
Durch den westdeutschen Teilnehmer Gerhard Hoch12 wurde an der altersmäßigen Zusammensetzung des »IFA« Kritik geübt. Er verwies darauf, dass man sich nicht nur auf die alten Kräfte orientieren dürfte. In dieser Meinung wurde er im Verlaufe der Sitzung durch andere Teilnehmer unterstützt. Hoch ging in seinen Ausführungen sogar soweit, dass er erklärte: Man müsste eine Demokratisierung erreichen und den »IFA« durch eine demokratische Wahl wählen, um so zu ständigen Mitarbeitern des »IFA« zu kommen.
Prof. Boulier/Frankreich unterstützte die Notwendigkeit der Einbeziehung der Jugend in die Arbeit des »IFA«. Er äußerte jedoch Bedenken in der Hinsicht, dass die Jugend zu »radikal links« eingestellt wäre. Er brachte dann in aller Offenheit seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass in der Bundesrepublik eine Zeitung (»Kritischer Katholizismus« von Hermann Precht13) herauskommen könne, zu der er wörtlich erklärte: »Ich weiß, wer die finanzkräftigen Leute sind, die dahinterstehen!«
Boulier war der Meinung, dass der »Kritische Katholizismus« der »Berliner Konferenz« keinen guten Dienst erweise, wenn er in der Öffentlichkeit die Kirche angreife. Es wäre besser, wenn sie sich stärker für den Kampf um den Frieden einsetzen würde. Obwohl der Mitherausgeber des »Kritischen Katholizismus«, Precht, anwesend war, ging er nicht näher darauf ein. Er trat während der gesamten Sitzung auffallend ruhig und zurückhaltend auf.
Erstmalig nahm an einer »IFA«-Sitzung der belgische Atomphysiker Dr. Till teil, der nicht nur den Gesichtspunkt der stärkeren Einbeziehung der Jugend in den »IFA« unterstützte, sondern forderte, dass in größerem Maße Wissenschaftler, Ökonomen, Politiker einbezogen werden sollten, die eine Arbeitsgemeinschaft bilden könnten. Wörtlich sagte Dr. Till: »Ich bin bereit, aus allen Schichten Wissenschaftler, Ökonomen, Techniker u. a. anzusprechen, um sie für den Dialog zu gewinnen, und ich glaube, dann wird die Berliner Konferenz von Bestand sein.«
Ein weiterer Höhepunkt in der Diskussion war das Auftreten des ČSSR-Vertreters Kanonikus Jan Mara14 aus Prag. Er beurteilte die Ereignisse in seinem Lande sachlich und vom Standpunkt der sozialistischen Staaten positiv. Damit wollte er, so führte er aus, ein besseres Verständnis der Teilnehmer der »IFA«-Sitzung zu den Ereignissen in der ČSSR erreichen.
Pater Root/Holland versuchte, die »IFA«-Sitzung offensichtlich negativ zu beeinflussen. In teilweise unsachlicher Art und Weise erklärte er: Um sich die üblichen Argumente aus der »Prawda« über die ČSSR-Fragen anzuhören, wäre er nicht nach Berlin gekommen. Er wolle Argumente von der Sitzung mitnehmen, mit denen er in Holland arbeiten könne. Inoffiziell wurde dem MfS bekannt, dass Pater Root in Sitzungspausen im internen Kreise gegen die Ausführungen von Kanonikus Mara aus Prag auftrat und ihn als »Verräter seines Landes« bezeichnete. Eine allgemeine Diskussion über die ČSSR – die auch von Anbeginn nicht vorgesehen war – gab es nicht.
Am zweiten Tage der Sitzung beschäftigten sich die Teilnehmer mit dem Programm des »IFA« für das Jahr 1969. Durch den Teilnehmer Guske15/DDR wurde der Vorschlag unterbreitet, drei Arbeitsgruppen zu bilden, und zwar
- –
eine in der DDR (Berlin), die sich mit der aggressiven Rolle des Imperialismus,
- –
eine andere in der VR Polen (Warschau), die sich mit den Fragen der Anerkennung der DDR und der europäischen Staaten und
- –
eine weitere in Westdeutschland (Mainz), die sich mit der weiteren Vertiefung des Kampfes um den Frieden
beschäftigen sollen.
Der Bildung der drei Arbeitsgruppen wurde im Rahmen des Programms für das Jahr 1969 zugestimmt.
Im negativen Sinne trat Prof. Boulier/Frankreich auf, als er eine Abstimmung über eine Erklärung zur Frage der ČSSR verlangte. Dieser Antrag wurde durch Pater Root aus Holland unterstützt. Prof. Boulier wollte schriftlich formuliert wissen, dass der Einmarsch der fünf sozialistischen Länder falsch gewesen wäre. Nachdem mehrere Personen zu diesem Antrag gesprochen hatten, wurde er mit Stimmenmehrheit (20 Stimmen) abgelehnt.
Pater Root/Holland legte am gleichen Tage eine von ihm erarbeitete schriftliche Erklärung zur ČSSR-Frage vor und verlangte, dass diese in die Materialien des »IFA« mit eingearbeitet werden sollte. Dieses Vorhaben wurde von dem Westberliner Manfred Krämer16 unterstützt. Eine Abstimmung darüber fand nicht statt. Von der Sitzungsleitung wurde auch keine Diskussion darüber zugelassen. Die »Erklärung« wurde von dem Vorsitzenden, Otto Hartmut Fuchs, einbehalten und befindet sich in dessen Besitz.
Abgesehen von den geschilderten Störversuchen kann insgesamt eingeschätzt werden, dass die 9. »IFA«-Sitzung in einer harmonischen Atmosphäre verlief, einen positiven Verlauf nahm und die gesteckten Ziele vonseiten der Ausschussteilnehmer der DDR und des Büros der »Berliner Konferenz« erfüllt wurden.
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