Geplanter Pioniermarsch der Sekte »Mormonen« in der DDR
20. Juni 1968
Einzelinformation Nr. 676/68 über einen geplanten »Pioniermarsch« der Sekte »Mormonen« in der DDR in der Zeit vom 20. Juli bis 3. August 1968
Die amerikanisch gelenkte Sekte »Kirche Jesu Christi – der Heiligen der Letzten Tage« (Mormonen), die ihren Sitz in Salt Lake City im Staate Utah/USA hat (die Zweigstelle, die gleichzeitig für die Anhänger der Sekte in der DDR verantwortlich ist, befindet sich in Hamburg), plant, in der Zeit vom 20.7. bis 3.8.1968 einen sogenannten Pioniermarsch durchzuführen, der von Dresden über Freiberg, Karl-Marx-Stadt und Annaberg nach Schwarzenberg führen soll. Zu diesem Zweck wurden von der Geschäftsstelle der Sekte in der DDR in Dresden, Dr. Kurt-Fischer-Allee 14, an die einzelnen Gruppen der Sekte im Gebiet der DDR durch Kurier Einladungen übersandt.
Verantwortliche des »Pioniermarsches« sind die Mormonenfunktionäre [Vorname Name 1], Brandenburg; [Vorname Name 2], Dresden; Dr. [Name 3], Halle.
In den einzelnen Etappenorten ist jeweils ein Aufenthalt von zwei Tagen vorgesehen, an denen Sondergottesdienste und anschließend Tanzveranstaltungen stattfinden sollen. Nach bisher vorliegenden Meldungen wollen sich an diesem Marsch ca. 150 Jugendliche beteiligen. Es soll in fünf Gruppen marschiert werden.
In den vergangenen Jahren führte die Sekte während der Sommermonate Zeltlager für Jugendliche durch, an denen neben Anhängern der »Mormonen« aus der DDR auch Mitglieder der Sekte aus anderen sozialistischen Ländern, vor allem aus der ČSSR, teilnahmen. Der »Pioniermarsch« soll in diesem Jahr das Zeltlager ersetzen. Es wird vermutet, dass sich an dem Marsch auch Mitglieder aus der ČSSR beteiligen werden. Die Zeltlager in den vergangenen Jahren und der in diesem Jahr geplante »Pioniermarsch« haben vor allem das Ziel, die Jugendlichen enger an die Sekte zu binden und die Tätigkeit derselben zu aktivieren.
Da derartige Treffen als Feriengestaltung angesehen werden müssen, die im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen stehen, schlägt das MfS vor zu prüfen, ob staatlicherseits eventuell Maßnahmen einzuleiten wären – unter Umständen eine Aussprache mit dem Leiter der »Mormonen« im Gebiet der DDR, Burkhardt, Henry1/Dresden, zu führen – mit dem Ziel, den geplanten »Pioniermarsch« zu verhindern.
2Wie ergänzend zur Information 676/68 über einen geplanten »Pioniermarsch« der Sekte »Mormonen« in der DDR in der Zeit vom 20.7. bis 3.8.1968 bekannt wurde, hat sich der Verantwortliche der »Mormonen« für die Jugendarbeit im Bezirk Karl-Marx-Stadt für ein Massenquartier (120) Personen in Schwarzenberg vom 29.7. bis 3.8.1968 bemüht.
Der 1. Stellvertreter der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises Schwarzenberg hat die beantragte Übernachtung mit der Begründung abgelehnt, dass der »Pioniermarsch« nicht den Kulthandlungen der »Mormonen« entspricht und deshalb außerhalb deren Tätigkeit liegt. Daraufhin wurde das Programm für den »Pioniermarsch« geändert, wonach sie nun am 29.7. sofort nach Dresden zurückfahren sollen und dort in Privatquartieren untergebracht werden sollen.
Weiterhin wurde der VP bekannt, dass sie beabsichtigen, Omnibusse für den Transport der Teilnehmer des sogenannten »Pioniermarsches« von einer Station zur anderen zu organisieren. Die BdVP Dresden und Karl-Marx-Stadt beabsichtigen zu veranlassen, dass entsprechende Bestellungen abgelehnt werden.