Gespräch Kardinal König mit Kardinal Bengsch über ČSSR
8. Juli 1968
Einzelinformation Nr. 729/68 über ein Gespräch zwischen Kardinal König/Wien und Kardinal Bengsch über die Lage in der ČSSR
Am 3.7.1968 stattete der Wiener Kardinal König,1 Vorsitzender des Sekretariats für die Nichtgläubigen,2 dem Berliner Erzbischof Kardinal Bengsch3 in dessen Wohnsitz in Berlin-Weißensee, [Straße, Nr.], einen sogenannten Höflichkeitsbesuch ab. König, der vom 2. bis 6.7.1968 am 8. Weltkongress der katholischen Presse-Union4 in Westberlin teilnahm, hielt sich am 3.7.1968 von 15.45 bis 19.10 [Uhr] in der Hauptstadt der DDR auf. Er besichtigte die Hedwigs-Kathedrale und war etwa zwei Stunden bei Kardinal Bengsch. Die Geistlichkeit war über diesen Besuch nicht offiziell informiert.
Während seines Gespräches mit Kardinal Bengsch kam König auch auf die Lage in der ČSSR5 zu sprechen. Er berichtete, dass er erst vor Kurzem ein Gespräch mit dem Prager Erzbischof Tomášek6 hatte, der ihn in Wien aufgesucht hat. Bei diesem Gespräch hätte er dem Prager Erzbischof äußerste Zurückhaltung und Vorsicht für die katholische Kirche der ČSSR bei den gegenwärtigen Ereignissen angeraten.
König schätzte ein, dass die »tschechischen Reformer« mit Dubček7 an der Spitze nicht fest im Sattel sitzen und die sich gegenwärtig abspielenden Prozesse in der ČSSR nicht unter Kontrolle haben. Es bliebe also abzuwarten, wohin sich die Entwicklung bewegt. König ist der Meinung, und angeblich hat er davon auch Tomášek überzeugt, dass sich die katholische Kirche unter allen Umständen aus diesem sogenannten Liberalisierungsprozess heraushalten muss. Ihre Aufgabe sei es, die seelsorgerischen Positionen, die vorhanden sind, auszubauen und normale Verhältnisse für die katholische Kirche zu schaffen. Darunter versteht König die Aufhebung des Verbotes verschiedener Orden, Niederlassungen u. a. Einrichtungen und Institutionen. König habe Tomášek empfohlen, die Frage der Rehabilitierung von Geistlichen nicht in den Vordergrund zu spielen. König ist der Meinung, dass die Sowjetunion z. B. nicht zulassen würde, dass Dubček der katholischen Kirche zurzeit größere Zugeständnisse macht.8 König formulierte, dass der Platz der katholischen Kirche in der Schlange der Liberalisierer ganz hinten zu sein hat. Es muss verhindert werden, dass bei einer eventuellen grundlegenden Veränderung der Verhältnisse in der ČSSR – etwa durch ein Eingreifen der Sowjetunion oder anderer sozialistischer Länder – die katholische Kirche für die derzeitigen Verhältnisse verantwortlich gemacht werden kann. Aus diesen Gründen legt der Vatikan insgesamt in Bezug auf die ČSSR sehr viel Zurückhaltung an den Tag. Bei Beginn der Ereignisse in der ČSSR hatte der Vatikan ursprünglich vorgesehen, einen Beauftragten zu Verhandlungen mit der tschechoslowakischen Regierung nach Prag zu entsenden. Dieser Beauftragte sollte »normale Verhältnisse« für die katholische Kirche in der ČSSR erwirken und ein Konkordat mit der Regierung der ČSSR vorbereiten. Um jedoch ernsthaften Einwänden der Sowjetunion vorzubeugen, wurde kurzfristig von diesem Plan Abstand genommen, Erzbischof Tomášek nach Rom bestellt und ihm dort die Vollmacht erteilt, selbstständig über alle anstehenden Fragen mit der Regierung der ČSSR zu verhandeln.
Kardinal Bengsch brachte zum Ausdruck, dass er sich der Meinung von König anschließt. Auch er habe Tomášek vor jeglichen Experimenten gewarnt. Das wichtigste Problem sei es jetzt, diejenigen Geistlichen in der ČSSR, die der Liberalisierung und der Rehabilitierung das Wort reden, zur Ruhe zu bringen, indem sie in die aktive Seelsorgearbeit eingespannt werden. Inwieweit das gelingt, wird im Wesentlichen von der Geschicklichkeit Tomášeks abhängen.
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