Grenzdurchbruch im Kreis Bad Salzungen
24. April 1968
Einzelinformation Nr. 461/68 über einen Grenzdurchbruch im Raum Unterweid, Kreis Bad Salzungen, am 22. April 1968
Am 22.4.1968, gegen 16.00 Uhr, wurde an der Staatsgrenze West im Raum Unterweid, Kreis Bad Salzungen, in den pioniertechnischen Anlagen der DDR eine männliche Leiche geborgen. Die durchgeführten Untersuchungen ergaben Folgendes:1
Bei dem Toten handelt es sich um den Eck, Peter, geboren 27.7.1944 in Schmalkalden, wohnhaft Schmalkalden, [Straße], Beruf: Dachdecker, zuletzt tätig als Arbeiter beim VE Kohlenhandel.
Eck wollte gemeinschaftlich handelnd mit dem Fischer, Wolfgang, geboren [Tag, Monat] 1949 in Schmalkalden, wohnhaft Schmalkalden, [Straße, Nr.], ohne Beruf, zuletzt tätig als Flächenschleifer im VEB WEBEFA, die Staatsgrenze nach Westdeutschland durchbrechen. Während Eck durch eine explodierende Mine schwer verletzt wurde und verblutete, gelang es Fischer die Staatsgrenze zu durchbrechen. Da er ebenfalls beim Überwinden der pioniertechnischen Anlagen verletzt wurde, befindet er sich zzt. im Stadtkrankenhaus Fulda.
Eck ist kriminell einschlägig vorbestraft und wegen staatsgefährdender Gewaltakte sowie staatsgefährdender Propaganda und Hetze verurteilt gewesen. Sein bisheriger Lebenswandel ist durch Trunkenheit, Arbeitsbummelei, schlechte Arbeitsmoral und deswegen aus mehreren Betrieben erfolgter fristloser Entlassung gekennzeichnet.
Fischer führte bereits im Jahre 1967 mit anderen Jugendlichen einen Grenzdurchbruch im selben Grenzabschnitt durch, wurde jedoch aufgrund eines Rückführungsantrages durch die westdeutschen Behörden wieder in die DDR zurückgeführt. Den Gedanken an eine erneute Republikflucht gab er jedoch nicht auf und wurde, da er im Kreise Gleichaltriger erneut diese Zielstellung äußerte, im April 1967 in Haft genommen, jedoch wegen Nichtbestätigung des Verdachtes wieder auf freien Fuß gesetzt. Die in der Folgezeit durchgeführten Kontrollen erbrachten keine weiteren Verdachtsmomente.
Die charakterliche und geistige Reife des Fischer liegt unter dem Durchschnitt, welches u. a. durch langjährigen Besuch einer Sonderschule zum Ausdruck kommt.
Seit dem 20.4.1968 sind der Eck und Fischer bereits in den elterlichen Wohnungen nicht mehr aufgetaucht, was durch Anzeige des Vaters des Fischer zur Auslösung der Fahndung in den VPKÄ Meiningen, Schmalkalden und Bad Salzungen sowie dem zuständigen 3. Grenzregiment führte.
Die Bergung der Leiche des Eck durch ein Pionier-Kommando der 11. Grenzbrigade wurde durch 25 Zivilpersonen, zwei Offiziere der Landespolizei, zehn Zollgrenzdienstangehörige, vier Angehörige des Bundesgrenzschutzes von westdeutscher Seite beobachtet. Angehörige des Bundesgrenzschutzes machten während der Bergungsarbeiten Fotoaufnahmen. (Eine entsprechende Notiz zu diesem Grenzdurchbruch ist am 23.4.1968 in der Westpresse veröffentlicht worden.)2
Begünstigend für diesen Grenzdurchbruch wirken sich u. a. folgende Umstände aus:
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Die Postenlinie verläuft ca. 1 200 m von der Staatsgrenze entfernt. Der Postenturm war zur Zeit des Vorkommnisses nicht besetzt, sodass die Minendetonation durch die Grenzsicherungskräfte nicht bemerkt wurde. Das führte auch dazu, dass die Leiche des Eck zuerst durch Kräfte des westdeutschen Zollgrenzdienstes entdeckt wurde, welche mittels Lautsprecher Grenzsicherungskräfte der NVA davon in Kenntnis setzten. Dabei ist noch der Umstand zu berücksichtigen, dass die Stelle, an der Eck gefunden wurde, infolge unübersichtlicher Bodenbeschaffenheit durch die Grenzsicherungskräfte der NVA bei ihren Kontrollen nicht eingesehen werden konnte.
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Durch die Zurücknahme der Linienkräfte der NVA/Grenztruppen im Verlaufe des 2. Halbjahres 1967 ist die Tatsache eingetreten, dass nunmehr ganze Ortsteile bzw. Gemeinden vor der Postenlinie liegen, was sich für die Sicherheit an der Staatsgrenze negativ auswirkt. So sind u. a. Versuche des ungesetzlichen Grenzübertritts in diesem Raum von fünf Tätern im 1. Quartal 1967 auf zwölf Täter im 1. Quartal 1968 angestiegen.
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Die kontinuierliche Beobachtung des westlichen Vorfeldes und ein schnelles Eingreifen bei Provokationen ist nicht mehr gewährleistet.
Zur Veränderung und damit Beseitigung dieser begünstigenden Bedingungen sind entsprechende Maßnahmen eingeleitet.