Haltung der Kubaner in der Organisation lateinamerikanischer Studenten
17. Januar 1968
Einzelinformation Nr. 34/68 über die Haltung der kubanischen Vertreter in der Organisation der in der DDR studierenden Lateinamerikaner (CLARDA)
Der von kubanischen Studenten und dem Sekretär der Botschaft Kubas in der DDR, Torres,1 wiederholt geäußerte Entschluss, die Mitarbeit in der CLARDA2 einzustellen, wurde Anfang Dezember 1967 realisiert.
Dieser Schritt habe sich seit einiger Zeit angekündigt, nachdem die Versuche von kubanischer Seite, die Politik in der CLARDA zu bestimmen, an der Haltung anderer Ländergruppen scheiterten. Die kubanischen Vertreter in der CLARDA waren bestrebt, durch die Majorität ihrer Studenten bei Abstimmungen ihre Ziele durchzusetzen.
(Die kubanischen Studenten stellen mehr als 50 % aller Mitglieder und ca. 80 % aller Funktionäre der CLARDA.)
So habe, wie aus Kreisen lateinamerikanischer Studenten in der DDR zuverlässig bekannt wurde, auf der letzten Tagung des Comité coordinador (Koordinierungskomitee), dem leitenden Organ, das der Vereinigung der lateinamerikanischen Studenten in der DDR (CLARDA) vorsteht, der Vertreter der kubanischen Studenten in der DDR gefordert, dass sich die CLARDA als Organisation geschlossen und vorbehaltlos hinter die Beschlüsse der OLAS3-Konferenz von Havanna4 stellen soll, insbesondere in der Frage der Anerkennung des bewaffneten Kampfes. Im Falle der Ablehnung habe er mit der Spaltung der CLARDA und der Schaffung einer eigenen Organisation der kubanischen Studenten in der DDR gedroht. Als er auf den Widerstand der Mehrheit der Mitglieder des Comité coordinador gestoßen sei, habe der kubanische Vertreter die Sitzung unter Protest verlassen.
In ideologischen Fragen wurde die theoretische Position5 Che Guevaras6 der Springpunkt der Auseinandersetzungen.
Im September 1967 versuchten die kubanischen Vertreter in der Leitung der CLARDA, den Brief Guevaras an die Drei-Kontinente-Konferenz in Havanna7 als offizielles Dokument in Umlauf zu setzen. Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen.
Die Nachricht über den Tod Guevaras8 wurde dann erneut von kubanischer Seite zum Anlass genommen, um die CLARDA auf die Position der gegenwärtigen Politik der KP Kubas festzulegen. Die Leitung der CLARDA wollte in Übereinstimmung mit dem Minister für Hochschulwesen der DDR am 11.11.1967 in Leipzig an der Karl-Marx-Universität eine Guevara-Ehrung durchführen. Es sollte sich dabei um eine interne Veranstaltung der lateinamerikanischen Studenten handeln. Seitens der DDR sollte Prof. Dr. Kossok,9 Prorektor der Karl-Marx-Universität, sprechen. Am folgenden Tag wollten die Studenten einen Arbeitseinsatz durchführen, dessen Erlös dem Partisanenkampf in Bolivien zufließen sollte.
Aus Äußerungen des Generalsekretärs der CLARDA, García (Kuba), und des Sekretärs für Solidarität, Barrera (Kuba), war zu entnehmen, dass von kubanischer Seite versucht wurde, den Rahmen dieser Veranstaltung zu sprengen. Sie wollten vor allem Studenten aus Afrika und Asien einladen, um die Theorien Guevaras zu verbreiten. Da diesem Versuch nicht stattgegeben wurde, versuchten die kubanischen Leitungsmitglieder in der CLARDA diese Veranstaltung abzusetzen. Dabei verbreiteten sie das Gerücht, die DDR hätte versucht, diskriminierende Bedingungen zu stellen. Gleichzeitig wurden Briefe mit der gleichen Behauptung von der CLARDA-Leitung an die regionalen Leitungen der CLARDA versandt.
Die Landsmannschaft Peru hatte angeregt, anlässlich des 50. Jahrestages des Großen Oktober in Berlin ein Treffen lateinamerikanischer Studenten mit sowjetischen Studenten und Komsomolzen sowie Vertretern der Botschaft der UdSSR durchzuführen. Es sollte mehrere Tage dauern und im Pionierpark »Ernst Thälmann«10 durchgeführt werden. Es gab bereits feste Vereinbarungen über Termin und Organisation. Kurzfristig wurde durch die Leitung der CLARDA bzw. deren kubanische Mitglieder dieses Treffen abgesetzt.
Der Schritt der kubanischen Studenten löste innerhalb der CLARDA Diskussionen über die weitere Existenz der CLARDA und die Durchführung der geplanten Jahreskonferenz der CLARDA vom 20. bis 23.12.1967 in Leipzig aus. Am 7.12.1967 fand abends in der Hochschule für Ökonomie in Berlin eine Versammlung der in Berlin studierenden Lateinamerikaner statt. In der Einladung wurde als Tagesordnung formuliert: »Die Existenz der CLARDA«. Vonseiten der Studenten Perus, Kolumbiens und der in Berlin studierenden Chilenen wurde die Auffassung vertreten, die Existenz der CLARDA zu sichern und auch die Jahreskonferenz stattfinden zu lassen.
Aufgrund des Austritts der kubanischen Studenten wurde dann die geplante Jahreskonferenz vonseiten der lateinamerikanischen Studenten verschoben.
Zurzeit gibt es unter den lateinamerikanischen Studenten aus den verschiedensten Ländern umfangreiche Diskussionen über das Fortbestehen der CLARDA. Die nationalen Gruppen studieren zzt. die neuen Bedingungen und prüfen, ob es sich lohnt, die CLARDA als Organisation weiterzuführen, da sie durch den Austritt der kubanischen Studenten zurzeit arbeitsunfähig und faktisch aufgelöst ist.
Vonseiten lateinamerikanischer Studenten wurde als eigentlicher Grund für den Austritt der kubanischen Studenten aus der CLARDA angeführt, dass der kubanischen Gruppe innerhalb der CLARDA in gewisser Weise die Hände gebunden waren. So hat die CLARDA nicht erlaubt, dass die offizielle kubanische Politik gegenüber der KP Venezuelas11 innerhalb dieser Organisation propagiert oder die Guevara-Botschaft zum offiziellen politischen Dokument der CLARDA erhoben wurde. Da die kubanische Gruppe mit ihrem Austritt aus der CLARDA nun nicht mehr an deren Beschlüsse gebunden sei, könne sie jetzt in ihrem Sinne politisch konsequenter unter den lateinamerikanischen Studenten wirken.
Die peruanische Landsmannschaft will durch zweiseitige Treffen und Konsultationen mit kubanischen Studenten versuchen, den Kontakt zu halten und an der Überwindung des Bruchs zu arbeiten. Dagegen wird die chilenische Gruppe, insbesondere der Philosophiestudent [Name] (Volkspartei Chiles)12 bezichtigt, den Bruch mit den kubanischen Studenten zu verschärfen.
Ähnliche Handlungen der kubanischen Studenten habe es in der jüngsten Vergangenheit auch in anderen europäischen sozialistischen Ländern gegeben. So wurden z. B. Austrittsbestrebungen aus gleichartigen Organisationen in Bulgarien und Ungarn bekannt.
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