Lage unter den Sansibar-Studenten in der DDR
9. Dezember 1968
Einzelinformation Nr. 1322/68 über die Lage unter den Sansibar-Studenten in der DDR
Die in Sansibar gegenüber der DDR erhobenen Vorwürfe, ihren dort übernommenen ökonomischen Verpflichtungen nicht zügig genug nachzukommen, haben auch, wie intern bekannt wurde, unter den in der DDR lernenden Studenten und Facharbeitern Sansibars starken Anklang gefunden und eine relativ breite Diskussion ausgelöst. Diese Bürger Sansibars stützen sich dabei auf Briefe ihrer Angehörigen, auf Berichte der nach erfolgter Ausbildung in die Heimat zurückgekehrten Kollegen sowie auf Informationen, die sie durch Mitglieder von Delegationen aus Sansibar in der DDR erhalten.
Erhebliche Sorgen bereite vielen Studenten der Umstand, dass für sie nur geringe Möglichkeiten bestehen, nach ihrer Rückkehr eine ihrer Qualifikation entsprechende Anstellung bzw. Perspektive zu erhalten. Sie machen dafür in erster Linie die Sansibar-Führung verantwortlich, da sie keine fundierte Konzeption für die Entwicklung des Landes aufzuweisen habe. Aber auch die DDR sei durch die zugelassenen Verzögerungen bei der Realisierung der verschiedenen Projekte an der entstandenen Lage schuld. Eine Folge davon sei eine gewisse Abkühlung der bisher vorwiegend freundschaftlichen Beziehungen zwischen Sansibar und der DDR, über die viele Studenten beunruhigt seien.
Intern wurde weiter bekannt, dass sich unter den Sansibar-Studenten in der DDR zwei politische Gruppierungen herausgebildet haben. Die eine Gruppierung wird von den nach der Revolution (Januar 1964) zur Ausbildung in die DDR delegierten Studenten und Facharbeitern gebildet, die vorbehaltlos die politische Linie ihrer Parteiführung und Regierung unterstützen. Die zweite Gruppe setzt sich überwiegend aus Bürgern arabischer Herkunft zusammen, die z. T. bereits vor dem Januar 1964 in die DDR kamen. Ihre Delegierung erfolgte durch die ehemalige UMMA-Partei1 bzw. durch die Zanzibar Nationalist Party (ZNP)2.3 Die Angehörigen dieser Gruppierung werfen der Regierung Karume4 vor, eine rassistische Politik zu betreiben5 und dem Einfluss reaktionärer Kräfte in Daressalam zu unterliegen. Ihr führender Kopf ist der ehemalige Vorsitzende der Sansibar-Landsmannschaft in der DDR, [Vorname Name 1]. Diese Kräfte bezeichnen sich als konsequente Marxisten. Sie haben es verstanden, zu verschiedenen Institutionen und Organisationen der DDR relativ enge Verbindungen herzustellen, von denen sie ständig Unterstützung erhalten.
Diese angeblich einseitige Bevorzugung der [Name 1]-Anhänger führte bei der anderen Gruppe zu Zweifeln an der Aufrichtigkeit der DDR gegenüber der Regierung Karume. Die Unterstützung der [Name 1]-Gruppierung in der DDR sei auch in Sansibar auf Befremden gestoßen. Karume habe in Verbindung mit der Jugendliga angewiesen, [Vorname Name 1] und [Vorname Name 2] nach Sansibar zurückzurufen. Die DDR wurden von dieser Absicht über eine Note unterrichtet. Beide Personen, deren Ausbildung abgeschlossen ist, erhielten außerdem durch die Jugendliga eine schriftliche Aufforderung zur Rückkehr mit der Zusicherung, einen entsprechenden Arbeitsplatz nachgewiesen zu bekommen.
Unter den Sansibar-Studenten verbreitete [Vorname Name 1] das Gerücht, dass die DDR seine Vorbehalte gegenüber der Regierung Karume toleriere und aus diesem Grunde seine Rückführung nur pro forma veranlassen werde. Die von den zuständigen Behörden der DDR veranlassten Maßnahmen zur Rückführung ermöglichten es [Name 1] und [Name 2], sich nach Dänemark abzusetzen. In Briefen teilten sie ihren Anhängern in der DDR mit, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nach Sansibar zurückkehren wollen. Sie rechnen damit, dass die Regierung der DDR ihre bisherige Politik gegenüber der derzeitigen Sansibar-Führung revidiere und ihnen zur gegebenen Zeit die Wiedereinreise gestatte.
Die gegenwärtige Leitung der Sansibar-Landsmannschaft in der DDR sehe in der Ausreise [Name 1] und [Name 2] nach Dänemark eine gewisse Bestätigung der von diesen verbreiteten Argumente. Aus diesem Grunde wandte sich auch der Vorsitzende der Landsmannschaft [Vorname Name 3] an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen mit der Bitte um Klärung dieser Angelegenheit. In diesem Ministerium sei ihm jedoch mitgeteilt worden, dass für die Rückführung beider Personen das MfAA zuständig sei. Das MfAA habe demgegenüber auf die Zuständigkeit des Hoch- und Fachschulministeriums verwiesen.
Von der Führung der Landsmannschaft wurde nach der Berichterstattung [Vorname Name 3] der Beschluss gefasst, eine Delegation in das MfAA (zu Gen. Dr. Kiesewetter)6 zu entsenden, um die Haltung der Sansibar-Studenten zu dieser Angelegenheit darzulegen und um eine Erklärung zu bitten, über die Karume informiert werden soll.
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