Nichtrückkehr des Olympiakaders Pöhland, Ralph, SC Dynamo Klingenthal
22. Januar 1968
Einzelinformation Nr. 72a/68 über den Verrat der DDR durch den Olympiakader in der Nordischen Kombination, Pöhland, Ralph, vom SC Dynamo Klingenthal
Die im Zusammenhang mit dem Verrat des Pöhland, Ralph,1 geführten Untersuchungen erbrachten bisher folgendes Ergebnis:
Pöhland, Ralph, geboren am 8.6.1946, wohnhaft gewesen Klingenthal, [Straße, Nr.] (bei den Eltern), ledig, zuletzt Angehöriger der Deutschen Volkspolizei, SED[-Mitglied] seit 1967, FDJ, DTSB, entstammt einer Arbeiterfamilie. Seine Eltern, die beide in Klingenthal berufstätig sind (der Vater als Handwerker beim SC Dynamo Klingenthal, die Mutter als Telefonistin beim VEB Demusa), unternahmen alles, um ihn positiv zu erziehen und ihn in seiner persönlichen und sportlichen Entwicklung zu unterstützen.
Nach dem Besuch der Grundschule (1953–1961) und der KJS (bis 1963) in Klingenthal erlernte P. den Beruf eines Werkzeugmachers im VEB Klingenthaler Harmonikawerke. Am 1.9.1966 trat er in die Reihen der DVP ein; letzter Dienstgrad Oberwachtmeister.
Seine gesellschaftliche und sportliche Entwicklung waren eng miteinander verbunden. Bereits als Mitglied der Pionierorganisation Ernst Thälmann und später der FDJ war er sportlich aktiv tätig und wurde z. B. Deutscher Jugendmeister in der Nordischen Kombination. Aufgrund seiner guten Einstellung zum Leistungssport und entsprechender Lebensweise entwickelte er sich im SC Dynamo Klingenthal zum besten Nachwuchssportler in der Nordischen Kombination. 1966 wurde er mit dem Titel »Meister des Sports« ausgezeichnet.
1966 war Pöhland als Kandidat in die SED und nach einjähriger Kandidatenzeit 1967 als Mitglied aufgenommen worden. In der Öffentlichkeit, bei Gesprächen und dergleichen trat er stets positiv auf. Sein oft spontanes politisch-positives Auftreten und Eintreten für unseren Staat ließ bei den verantwortlichen Funktionären keine Zweifel an seiner politischen Haltung aufkommen.
Die hervorragenden sportlichen Leistungen sowie die von ihm bekundete gesellschaftliche Einstellung waren auch Anlass, ihn auf dem VIII. Parlament der FDJ 19672 in den Zentralrat der FDJ3 zu wählen.
Dieses aktive gesellschaftliche Auftreten von Pöhland führte – wie die Untersuchungen ergaben – offenkundig dazu, dass bestimmte bei ihm aufgetretene moralische Schwächen und auch gewisse Disziplinschwierigkeiten zwar zum Anlass von erzieherischen Auseinandersetzungen genommen, aber doch nicht konsequent und gründlich genug aufgedeckt, untersucht und zum Ausgangspunkt tiefgründiger Einschätzungen und entsprechender Maßnahmen genommen wurden.
Wie durch die Untersuchungen festgestellt wurde, war den an Auslandsstarts des Pöhland teilnehmenden Funktionären des Deutschen Skilaufverbandes der DDR im Allgemeinen bekannt, dass er einen gewissen Hang zu Frauen hatte und bei seinen Aufenthalten im Ausland auch entsprechende Verbindungen zu weiblichen Personen aufnahm. Während seiner Auslandsstarts anlässlich der Weltmeisterschaften in Oslo im Februar 1966 und der Vorolympischen Spiele in Grenoble im Februar 1967 nahm er z. B. persönliche Verbindungen zu einer Hostess in Oslo bzw. zu einer Französin auf. Durch die Arbeit des MfS konnten jedoch keine Beweise dafür erbracht werden, dass diese Verbindungen über die Zeit des Auslandsaufenthaltes hinaus andauerten bzw. zu in direktem Zusammenhang mit seinem jetzigen Verrat stehenden Handlungen angeknüpft und missbraucht wurden.
Seit längerer Zeit unterhielt Pöhland auch ein intimes Verhältnis zu der Oberschülerin [Name 1, Vorname], wohnhaft Markneukirchen-Klingenthal, [Straße, Nr.] (12. Klasse, gesellschaftlich aktiv tätig; Vater Dozent an der Musikhochschule Leipzig, Mitglied der SED). Nach bisherigen Feststellungen trugen sich beide mit Heiratsabsichten. Zwischen Pöhland und den Eltern der [Name 1] bestand ein gutes Verhältnis, das zu keiner Zeit Anlass zu irgendwelchen Zerwürfnissen bzw. zur Anzweiflung der geschilderten politischen Haltung des P. gegeben hat.
Weiterhin unterhielt Pöhland im Mai 1967 kurzfristig ein intimes Verhältnis zu der ihm seit längerer Zeit aus Klingenthal bekannten, zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits in Karl-Marx-Stadt wohnhaften, Genossin [Name 2, Vorname], Mitarbeiterin der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt des MfS. Die Genossin [Name 2] ist von Pöhland schwanger und steht kurz vor ihrer Niederkunft. In der nach Bekanntwerden der Schwangerschaft vonseiten der Clubleitung des SC Dynamo Klingenthal mit Pöhland geführten Aussprache erkannte er seine Vaterschaft an. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]
Zu Pöhland wurde weiter bekannt, dass er den Trainern und Funktionären des SC Dynamo Klingenthal vereinzelt im Training und auch in seinem sportlichen Verhalten gewisse Schwierigkeiten bereitete, diese aber immer wieder durch hohe Leistungen in den Wettkämpfen auszugleichen versuchte. So wurden mehrmals mit ihm Aussprachen bezüglich mangelnder Anstrengungen im Training und vereinzelt auftretenden Alkoholgenusses vor Wettkämpfen geführt, die Pöhland in der Regel dahingehend »beantwortete«, dass er bei den folgenden Wettkämpfen mit hohen Leistungen aufwartete.
Insgesamt ist einzuschätzen, dass vonseiten der verantwortlichen Funktionäre des SC Dynamo Klingenthal ein enger Kontakt zu Pöhland bestand und öfters mit ihm entsprechende individuelle Aussprachen über seine gesamte persönliche Entwicklung geführt wurden, aus denen heraus sich jedoch – bis auf die angeführten moralischen Eigenschaften und vereinzelten Disziplinschwierigkeiten – keine Hinweise auf direkte politische Unzuverlässigkeit ergaben. In den Aussprachen gewannen die Funktionäre den Eindruck, dass er sich zu den kritischen Hinweisen offen und ehrlich verhielt.
Pöhland ließ auch in Bezug auf die angeführten intimen Verhältnisse keine Anzeichen von persönlicher Unsicherheit oder Bedrängnis erkennen, sondern betrachtete diese Vorkommnisse mehr oder weniger als »normale« Erscheinungen. Diese Haltung wurde offensichtlich mit dadurch begünstigt, dass die Aussprachen zu diesen Vorkommnissen vonseiten der Funktionäre des Clubs äußerst zurückhaltend geführt wurden, »um keine negativen Auswirkungen auf die sportlichen Leistungen des P. hervorzurufen«.
Beachtenswert im Zusammenhang mit dem Verrat des Pöhland ist auch sein Streben nach hoher materieller Anerkennung seiner sportlichen Leistungen. So stellte er z. B. nach seinem guten Abschneiden bei den Weltmeisterschaften in Oslo 19664 entsprechende Forderungen nach Erhöhung seines Gehaltes, denen – neben den zentralen Zuwendungen – auch entsprochen wurde.
Von Funktionären des SC Dynamo Klingenthal wurde die Vermutung geäußert, dass Pöhland durch Funktionäre des Deutschen Skilaufverbandes der DDR eventuell auch bereits von den Festlegungen der Olympia-Kommission der DDR über die materielle Anerkennung bei der Erringung von Olympia-Medaillen Kenntnis erhalten haben könnte. (Entsprechende Überprüfungen werden gegenwärtig noch geführt).