Probleme der Teilnahme der DDR-Delegation am Geologen-Kongress in Prag
16. Juli 1968
Einzelinformation Nr. 757/68 über Probleme der Teilnahme einer DDR-Delegation am XXIII. Internationalen Geologen-Kongress in Prag
Der XXIII. Internationale Geologen-Kongress (IGK) findet in der Zeit vom 19.8. bis 28.8.1968 in Prag statt. Die im Zusammenhang mit dem Kongress vorbereiteten Exkursionen werden in der Zeit vom 8.8. bis 16.8. und vom 29.8. bis 8.9.1968 in den Veranstalterländern durchgeführt.
Die Vorbereitungen des IGK 1968 werden durch ein Organisationskomitee unter Beteiligung von Vertretern des Gastgeberlandes und der sieben mitveranstaltenden Länder – in diesem Fall von Vertretern der VR Ungarn, der VR Polen, der Sozialistischen Republik Rumänien, Österreichs, der DDR und Westdeutschlands – getroffen und laufen bereits seit etwa drei Jahren. Der Beauftragte der DDR im Organisationskomitee ist der Direktor des Zentralen Geologischen Instituts1 K. Schmidt.2
Zum XXIII. IGK werden etwa 4 000 Wissenschaftler der Geo-Wissenschaften aus über 70 Ländern erwartet. (Als offizielle westdeutsche Delegation werden 18 Personen unter Leitung des Westberliner Prof. Mehnert3 von der sogenannten Freien Universität erwartet sowie weitere 150 westdeutsche Teilnehmer. Ferner haben sich ca. 400 Teilnehmer aus der SU und den USA, ca. 200 Teilnehmer aus der VR Polen sowie jeweils ca. 100 Teilnehmer aus Kanada, Großbritannien und Frankreich bisher in Prag angemeldet.)
Der IGK verfolgt als hauptsächlichstes Ziel in vierjährigen Abständen einen umfassenden Überblick über den jeweiligen Stand der geowissenschaftlichen Hauptgebiete zu vermitteln.
Für die DDR können dabei durch gezielte Teilnahme eines entsprechenden Kreises von Experten bedeutende Erkenntnisse für die Forschungs- und Entwicklungsaufgaben in der DDR, insbesondere auf den Gebieten
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Erdöl- und Erdgaserkundung
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angewandte Geophysik
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Geochemie
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Beziehungen zwischen Vulkanismus und Tektogenese
gewonnen werden.
Um ein organisiertes und zielgerichtetes Vorgehen der DDR-Vertreter auf dem Kongress zu gewährleisten, hat das Staatssekretariat für Geologie eine Konzeption entwickelt, welche durch einen Sekretariatsabschluss des ZK der SED (Mai 1968) bestätigt wurde. In diesem Beschluss wird die prinzipielle Zustimmung der DDR-Beteiligung am Kongress, am Besuch von Veranstaltungen und an der Teilnahme von Exkursionen ausgesprochen und festgelegt, dass strenge Maßstäbe an die Auswahl der Teilnehmer aus der DDR zu legen sind. Die Teilnahme einer offiziellen Delegation unter Leitung des Staatssekretärs für Geologie Dr. Bochmann4 wurde bestätigt.
Auf der Grundlage dieses Beschlusses hat Dr. Bochmann die Teilnahme von zunächst ca. 60 Wissenschaftlern der verschiedenen geologischen Fachgebiete, u. a. auch aus den Verantwortungsbereichen des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen und des Ministeriums für Wissenschaft und Technik einschließlich der Deutschen Akademie der Wissenschaften, vorgesehen. Unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Notwendigkeiten wurde dann der Teilnehmerkreis nochmals auf 54 Wissenschaftler, die als offizielle Delegation der DDR in Prag auftreten sollte, reduziert. Unter den für den IGK nicht berücksichtigten, jedoch interessierten Wissenschaftlern befindet sich eine Reihe in der Geologie profilierte Mitarbeiter, u. a. Prof. Kölbel,5 Dr. Kaemmel,6 Dr. Krutzsch.7
Wie inoffiziell bekannt wurde, beabsichtigen einige für die offizielle Delegation unberücksichtigt gebliebene Wissenschaftler sich beschwerdeführend an den Staatssekretär für Geologie zu wenden, um doch noch ihre Teilnahme am IGK in Prag zu erwirken. Diese Wissenschaftler haben in der Vergangenheit für die Vorbereitung ihrer Kongressbeiträge Zeit und Arbeit aufgewendet. Nachdem sie von der offiziellen DDR-Delegation ausgeschlossen sind, haben sie nun das Bestreben, auf privater Ebene teilzunehmen, um aus Prestigegründen oder auch wissenschaftlichem Ehrgeiz in Prag anwesend zu sein.
Hinzu kommt, dass aufgrund der vom Organisationsbüro – unabhängig von den erwähnten staatlichen Beschlüssen – schon seit Langem festgelegten und popularisierten Fristen (Februar 1968) zur Voranmeldung für die Teilnahme am Kongress, für die Beteiligung an Exkursionen und zum Vortragen wissenschaftlicher Beiträge einschließlich des Entrichtens von Anmeldegebühren, sich etwa 140 Geologien der DDR für eine Teilnahme am IGK bereits angemeldet hatten.
Außerdem muss erwähnt werden, dass in der vorhergehenden Zeit bereits durch das Nationale Komitee für Geologie in Verbindung mit der Gesellschaft für Geologische Wissenschaften in der DDR Einladungen zur Kongressteilnahme für alle organisierten bzw. interessierten Geologen innerhalb der DDR vermittelt wurden.
Das bedeutet, dass der oben genannte Kreis von Wissenschaftlern bereits als ordentliche Teilnehmer des IGK geführt wird und aufgrund der Anmeldeformalitäten in den Besitz der notwendigen Einreiseunterlagen, der Quartierbenachrichtigungen und anderer Teilnehmerdokumente gelangt ist.
Um auch diesem über die offizielle Delegation hinausgehenden Interessentenkreis die Teilnahme am IGK zu ermöglichen und gleichzeitig eine Kontrolle über ihr Auftreten ausüben zu können, beabsichtigt das Staatssekretariat für Geologie 24 Wissenschaftler aus dem eigenen Verantwortungsbereich und etwa 35 Wissenschaftler aus dem Verantwortungsbereich des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen und des Ministeriums für Wissenschaft und Technik einschließlich der Deutschen Akademie der Wissenschaften der offiziellen DDR-Delegation durch Bildung einer »Unterdelegation« in Prag anzuschließen.
Vom Staatssekretariat für Geologie ist für den Kreis interessierter Wissenschaftler aus dem eigenen Verantwortungsbereich, der nicht der offiziellen Delegation angehört, vorgesehen, Dienstreisen nach Prag zu genehmigen bzw. Freistellungen auszusprechen. Diesen Personenkreis entstanden bereits Unkosten (ca. 300 Kronen), die vom Organisationsbüro nicht zurückerstattet werden. Weiter ist vorgesehen, diese »privaten Teilnehmer« durch ihre Einbeziehung in die »Unterdelegation« an die Direktive der offiziellen Delegation zu binden.
Die Schwierigkeit besteht aber zzt. darin, auch die aus den anderen Verantwortungsbereichen teilnehmenden Wissenschaftler ebenfalls in die in der Direktive vorgesehene einheitliche Linie mit einzubeziehen bzw. daraufhin zu orientieren.
(Die Direktive beinhaltet u. a.
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Verhalten gegenüber tschechischen und anderen Kongressteilnehmern;
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Wahrung des einheitlichen Auftretens der Delegationen aus den sozialistischen Ländern;
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Teilnahme an bestimmten Fachvorträgen;
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Wahrung von Dienstgeheimnissen u. a.m.).
Die Bildung der erwähnten »Unterdelegation« soll gegenüber dem betroffenen Teilnehmerkreis folgendermaßen begründet werden:
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Beteiligung an finanziellen Kosten;
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Freistellung von dienstlichen Obliegenheiten zweckgerichtet für die Teilnahme am IGK;
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Einbeziehung in die Erfüllung von Arbeitsprogrammen und Arbeitsaufträgen (gezielt und abrechenbar).
Damit wird eine möglichst umfassende Kontrolle auch der als private Teilnehmer anzusehenden Kreise von DDR-Wissenschaftlern hinsichtlich der in der Direktive enthaltenen Linie erwartet.
Die Notwendigkeit einer solchen Kontrolle wird außerdem durch die Tatsache unterstrichen, dass vor Beginn bzw. nach Abschluss des IGK eine rege Exkursionstätigkeit in allen mitveranstaltenden Ländern vorgesehen ist. Dabei könnten dann unter Umständen auch unkontrollierte Teilnahmemöglichkeiten in Österreich und Westdeutschland entstehen, zumal bisher von tschechoslowakischer Seite nichts über die Behandlung der Visa-Problematik im Zusammenhang mit den Exkursionen bekannt geworden ist. (In der DDR selbst sind zehn Exkursionen vorgesehen.)
Das MfS erachtet es für notwendig, auf die in dieser Information angeführten Probleme aufmerksam zu machen, um rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abstimmung und Koordinierung zwischen den beteiligten staatlichen Organen einleiten zu können.