Probleme in der Landwirtschaft im Kreis Hagenow
17. April 1968
Einzelinformation Nr. 425/68 über einige Probleme in der Landwirtschaft des Kreises des Hagenow, [Bezirk] Schwerin
Dem MfS liegen Hinweise aus Kreisen von Genossenschaftsbauern und Leitungskadern der Landwirtschaft zu Problemen der Landwirtschaft im Kreis Hagenow, [Bezirk] Schwerin, vor, in denen eingeschätzt wird, dass in der vergangenen Zeit Fortschritte in der Entwicklung der landwirtschaftlichen Marktproduktion, der Schaffung von Kooperationsbeziehungen und in der Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins unter den Genossenschaftsbauern erzielt wurden, jedoch noch Hemmnisse und Mängel in der Organisierung der Führungs- und Leitungstätigkeit durch den Kreislandwirtschaftsrat und Produktionsleitung bestehen.
Im Allgemeinen wurden die gestellten Aufgaben erfüllt, wozu u. a. die Besetzung der Funktion des Vorsitzenden der Produktionsleitung mit dem Genossen [Name] wesentlich mit beigetragen hat. In der Vergangenheit habe sich jedoch auch bei ihm bemerkbar gemacht, dass er die Mitarbeiter der Kreisproduktionsleitung noch nicht immer exakt anleitete, ungenügend Rechenschaft forderte und teilweise die Probleme allein zu lösen versuchte.
Aus den vorliegenden Hinweisen ist u. a. auch zu entnehmen, dass die Leitungstätigkeit noch zu wenig von der Einschätzung der Gesamtsituation im Verantwortungsbereich her organisiert wurde. Die Folge davon sei ein »zu starker organisatorischer Kraftaufwand«. Obwohl die Mitarbeiter der Produktionsleitung im Allgemeinen eine gute Verbindung zur Praxis haben und daher auch über Situationen in den LPG gut informiert sind, fehlt es doch an einer verallgemeinernden Einschätzung durch die leitenden Mitarbeiter zur Konkretisierung der Grundlinie für die weitere Entwicklung der Landwirtschaft im Kreismaßstab.
Weiterhin wird eingeschätzt, dass im Arbeitsstil innerhalb des Kreislandwirtschaftsrats und der Produktionsleitung Erscheinungen der Zweigleisigkeit und des Selbstlaufes zu verzeichnen waren, da bestimmte Aufgaben unzureichend koordiniert und nicht alle Probleme im Komplex erfasst wurden.
Die Arbeitsergebnisse der Aktivs beim Kreislandwirtschaftsrat werden als völlig unbefriedigend bezeichnet. Gegenwärtig werden erstmals wieder größere Anstrengungen unternommen, die längere Zeit andauernde Unterbrechung in der Zusammenarbeit mit den Aktivs zu beseitigen bzw. die Aktivs arbeitsfähig zu gestalten.
Die Entwicklung von Kooperationsbeziehungen innerhalb der Landwirtschaft des Kreises Hagenow fand im Allgemeinen die Zustimmung der LPG-Vorstände und Genossenschaftsbauern. Die Produktionsleitung konzentrierte sich dabei besonders auf die Kooperationsgemeinschaft Pritzier, in der elf Gemeinden zusammengefasst sind und die als Beispiel für den Kreis Hagenow gedacht ist.
Als günstig für die Herausbildung der Kooperationsgemeinschaft wirkten sich die Hilfe bei der Organisierung einer Schweinemastpilotanlage für vorläufig 10 000 Tiere, die Bereitstellung von Mähdrescherkomplexen des neuen Typs und die erfolgreiche Durchführung des Erntefestes aller elf Gemeinden in der Schweriner Kongresshalle aus.
Die kooperative Zusammenarbeit wurde auf dem Gebiet des Einsatzes der Technik am weitesten entwickelt. Außerdem bestehen bereits vielfältige Einzelvereinbarungen zwischen verschiedenen LPG. Da es der Produktionsleitung jedoch nicht gelang, die Bildung von Kooperationsgemeinschaften von Beginn an in zweckmäßige organisatorische und ökonomische Bahnen zu lenken, kam es vielfach zu sporadischen Vereinbarungen zwischen einzelnen LPG.
Hemmende Auswirkungen solcher Praktiken zeigten sich beispielsweise am schlecht vorbereiteten Einsatz eines Flugzeuges der Interflug, Abteilung Wirtschaftsflug, im Kreis Hagenow. Die BHG schloss eine entsprechende Vereinbarung für Dienstleistungen im Jahre 1968 ab. Zur Gewährleistung der schnellen und reibungslosen Düngerstreuung verstand es die BHG nicht, eine spezialisierte Bedienungsmannschaft zu bilden, deren Einsatz bei allen LPG hätte erfolgen müssen. So mussten in den LPG, die das Wirtschaftsflugzeug zur Verfügung gestellt bekamen, eigene Bedienungsmannschaften gebildet werden, die sich ständig neu mit den Arbeitsbedingungen am Flugzeug vertraut machen mussten. Dadurch entstanden den LPG erhebliche Zeit- und auch finanzielle Verluste.
Die positive Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins der Werktätigen der sozialistischen Landwirtschaft drückt sich im Kreis Hagenow insbesondere in guten ökonomischen Ergebnissen in der genossenschaftlichen Arbeit aus. Auch in der aktiveren Teilnahme bei der Gestaltung der innergenossenschaftlichen Demokratie gibt es Fortschritte, was sich insbesondere in einer regen Beteiligung an der genossenschaftlichen Planung und Organisation der Produktion sowie in der Mitwirkung an der Rechenschaftslegung zeigte. Die Beteiligung an den verschiedensten gesellschaftlichen Veranstaltungen wurde ebenfalls reger. Probleme der Arbeitsbummelei, der Verletzung der Arbeitsdisziplin oder der Begehung krimineller Vergehen und Verbrechen sind auf ein Mindestmaß zurückgegangen. Die Landbevölkerung, insbesondere im grenznahen Gebiet, zeigte eine bemerkenswerte Bereitschaft zur Unterstützung der Grenzsicherung. Die in der Vergangenheit erreichten guten ökonomischen Ergebnisse festigten ebenfalls das Vertrauen in die genossenschaftliche Entwicklung. Im Allgemeinen wurde die Arbeit in den LPG besser organisiert, wozu u. a. auch ein gut ausgebildeter Kaderstamm entscheidend beitrug.
Während es im Grenzgebiet keine wirtschaftsschwachen LPG mehr gibt, konnten einige LPG am Jahresende 1967 keine Nachzahlungen vornehmen (LPG Radelübbe, Setzin, Waschow, Tessin/Wittenburg). Als Ursache der Rückstände in der Entwicklung dieser LPG werden Mängel in der Leitungstätigkeit genannt. Diese Schwierigkeiten und Versäumnisse in der Leitungstätigkeit der LPG fanden unter den Genossenschaftsbauern ihren Niederschlag in Erscheinungen von Desinteressiertheit und Pessimismus. Beispielsweise traten in den letzten vier Jahren 20 Genossenschaftsbauern aus der LPG Waschow u. a. mit den Begründungen aus, die Entlohnung sei zu gering, die Arbeitsatmosphäre sei nicht in Ordnung bzw. besitze man kein Vertrauen zum Vorsitzenden oder zum Vorstand. Auch die seit fünf Jahren nicht mehr möglichen Auszahlungen am Jahresende belasteten das Verhältnis der Genossenschaftsbauern zur Arbeit und zur LPG erheblich.
Trotz der insgesamt positiv zu betrachtenden Entwicklung unter den Genossenschaftsbauern war ein gewisser Einfluss der feindlichen Ideologie spürbar. Besonders deutlich war das am regelmäßigen Empfang der Sendungen des Westrundfunks und -fernsehens durch den größten Teil der Bevölkerung feststellbar. Über die empfangenen Sendungen wurde auch in der Öffentlichkeit diskutiert.
Infolge vielfältiger verwandtschaftlicher Beziehungen bestehen zahlreiche persönliche oder postalische Verbindungen nach Westdeutschland. Jährlich reist beispielsweise anlässlich des »Rosenfestes« in Neuhaus/Hagenow eine Vielzahl von Westverwandten an (1967: 89 Personen).
Der kirchliche Einfluss im Kreis Hagenow begrenzt sich auf einige territoriale Bereiche der Gemeinden Drönnewitz, Tessin/Wittenburg und Dreilützow. Pastoren beider Konfessionen bemühen sich um eine Aktivierung der kirchlichen Tätigkeit. Auch der Einsatz neuer Pastoren soll offensichtlich dazu beitragen.
Abschließend wird auf ein Problem hingewiesen, welches seit längerer Zeit unter Genossenschaftsbauern und Funktionären der Landwirtschaft diskutiert wird. Die sozialistische Landwirtschaft des Kreises Hagenow liefert monatlich ca. 10 000 Schweine und Rinder, die außerhalb des Kreisgebietes, teilweise im Kreis Ludwigslust, in Berlin oder noch weiter entfernten Städten geschlachtet werden. Durch den Transport verlieren beispielsweise Schweine zwei bis drei kg an Gewicht. Außerdem würde durch die nicht kontinuierliche Abnahme bzw. durch den nicht kontinuierlichen Abtransport der abgenommenen Schweine die Planerfüllung im Kreismaßstab wesentlich beeinträchtigt. Aus diesem Grunde wird von den Werktätigen der Landwirtschaft des Kreises die Errichtung einer modernen Tötungsstelle im Kreis Hagenow als notwendig erachtet.