Provinzialsynode (West) der evang. Kirche Berlin-Brandenburg
28. November 1968
Einzelinformation Nr. 1289/68 über die Provinzialsynode Berlin-Brandenburg (Regionale Synode Westberlin) der evangelischen Kirche in der Zeit vom 15. bis 19. November 1968 in Westberlin-Spandau
In der Zeit vom 15. bis 19.11.1968 fand in Westberlin-Spandau die Regionalsynode West der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg statt. Bei dieser Regionalsynode handelte es sich um eine sogenannte Arbeitstagung, die unter keinem besonderen Thema stand. (Die Regionalsynode Berlin-Brandenburg/DDR hatte in der Zeit vom 1. bis 5.11.1968 in der Hauptstadt der DDR unter dem Thema »Diakonie« getagt.)
Auf der Tagung in Westberlin wurde über verschiedene innerkirchliche Gesetzesänderungen und Gesetze beraten (darunter die neue Geschäftsordnung der Synode und das Rahmengesetz für Pfarrerausbildung); weiter standen auf dem Programm innerkirchliche Fragen der Pastoren-Ausbildung sowie die Einführung des neuen Vater-unser-Textes.1 (Von der Regionalsynode in der Hauptstadt der DDR ist er bereits beschlossen worden.)
In Referaten, Vorlagen und Diskussionen wurde innerhalb des gesamten Programms jedoch auch mehrfach nachhaltig der »Einheits«-Gedanke der »Evangelischen Kirche Deutschlands« (EKD) vertreten.
Im Einzelnen sah die Tagesordnung folgende Punkte vor:
Freitag, den 15.11.1968
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10.00 Uhr: Eröffnungsgottesdienst mit Abendmahl,
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11.30 Uhr: Eröffnung und Begrüßung | Bekanntgabe der Tagesordnung,
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15.00 Uhr: Bericht der Kirchenleitung | Aussprache über den Bericht der Kirchenleitung | Einbringung von Drucksachen.
Sonnabend, den 16.11.1968
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9.00 Uhr: Morgenandacht | Einbringung von Drucksachen | Bildung der Tagungsausschüsse.
Sonntag, den 17.11.1968
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9.00 Uhr: Gottesdienst | Arbeit der Tagungsausschüsse,
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14.30 Uhr: Plenarsitzung | Bericht über die Arbeit des Ausschusses Strukturplanung | Bericht aus den Tagungsausschüssen,
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20.00 Uhr: Gesprächs-Forum mit der »Kritischen Synode« der Jungen Generation.
Montag, den 18.11.1968
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9.00 Uhr: Morgenandacht | Berichte aus den Ausschüssen,
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14.00 Uhr: Berichte aus den Ausschüssen | Fragestunde.
Dienstag, den 19.11.1968
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9.00 Uhr: Morgenandacht | Berichte der Ausschüsse und Verabschiedung der Drucksachen | Schlussandacht: Bischof Scharf.2
An der Tagung nahmen 87 Synodale des Westberliner Zuständigkeitsbereiches teil.
Der 1. Beratungstag der Provinzialsynode West der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg wurde mit einem Gottesdienst, den Superintendent Backhaus/Berlin-Steglitz hielt, eröffnet. In seiner Predigt brachte er zum Ausdruck, dass jetzt zum ersten Male der Fall eingetreten sei, dass die beiden Regionalsynoden der Landeskirche Berlin-Brandenburg nicht zur gleichen Zeit tagen. Jedoch sei die Einheit mit dem anderen Teil des Kirchengebietes nicht zerbrochen, obwohl sie nicht mehr sichtbar dokumentiert werden könne.
Auf der Eröffnungssitzung unterstrich der Präses der Regionalsynode West der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Altmann,3 die enge Verbundenheit mit der Regionalsynode Ost und sagte wörtlich: »Wir wissen uns unverändert mit den Brüdern und Schwestern eng verbunden. Wir grüßen sie und die Gemeinden drüben im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung und im vollen gegenseitigen Vertrauen. Dieses Vertrauen schließt auch die Freiheit ein, die wir einander geben im Hinblick auf die Erfordernisse der Verkündung des Evangeliums in den jeweils getrennten Gebieten dieser einen getrennten Kirche.« Der Präses begrüßte die anwesenden Gäste, unter ihnen als Vertreter der »EKD«, Präsident Hammer,4 Hannover; als Vertreter der »Evangelischen Kirche der Union«, Oberkonsistorialrat Dr. Viering,5 Berlin, Oberregierungsrat Mende,6 Erzpriester Johannes Günther vom Bischöflichen Ordinariat der römisch-katholischen Kirche sowie Vertreter der Ökumene; unter den mitarbeitenden Gästen begrüßte er u. a. auch Vertreter der »Jungen Generation«.
Altmann gedachte des Weiteren des wegen Verweigerung des Wehrdienstes in der DDR inhaftierten Vikars Werner Ross7 und des Predigerpraktikanten Wolfgang Zimmermann. Er brachte zum Ausdruck, dass Bischof Scharf ebenfalls auf der Fürbittliste stünde, weil er aus der DDR ausgewiesen und weiterhin an der dortigen Ausübung seines Amtes verhindert sei.
Anschließend gab Bischof Scharf den Bericht der Kirchenleitung. Dabei brachte er u. a. Folgendes zum Ausdruck:
»… Vor 14 Tagen hat die Synode Berlin-Brandenburg den Rechenschaftsbericht der Evangelischen Kirchenleitung in Ost-Berlin für 1968 entgegengenommen. Heute legt die Kirchenleitung in West-Berlin der Synode ihren Bericht vor. Die Tagungen der Regional-Synoden entsprechen einander und gehören zusammen … Wir hier und die Brüder in Ostberlin und Brandenburg haben mit den gleichen inneren Problemen der Kirche zu tun und sind unserer unterschiedlichen Umwelt den gleichen Dienst schuldig …«
Zur Unruhe in der Kirche, zu den kritischen Stimmen der »Jungen Generation« und anderer oppositioneller Kräfte sagte Scharf:
»… Der Sprecher der Theologiestudenten an der Kirchlichen Hochschule in Westberlin hat vor wenigen Tagen ein Programm der Reformen und eine Liste von Situations-Analysen vorgetragen. Er hat es mit zugespitzten Formulierungen getan, die ein Theologentag ›linksgerichteter Theologen‹ in Celle geschliffen hat. Das Dokument, das er verlesen hat, greift in die Lehre der Kirche und ihre Gestalt ein und übt vor allem Kritik an fast dem gesamten Bereich kirchlichen Handelns. Der jüngst geschaffene Zusammenschluss der Westberliner Vikare verfährt ähnlich mit der Ausbildungsordnung unserer Kirche. Und einer unserer Schöneberger Brüder hat kritisch Stellung genommen zu dem Beschluss der Regionalsynode West der ›EKD‹ über die Einheit der Evangelischen Kirche in beiden deutschen Staatsgebieten. Die erwähnten Schriftstücke befinden sich in ihrem Besitz. Die Aussagen, die sie enthalten, sind bemerkenswert schroff. Ihre Polemik ist einseitig radikal.
Ihre Kritik nimmt ihren Ausgangspunkt bei der veränderten politischen Situation in ganz Deutschland oder bei den Formen des gesellschaftlichen Lebens im – wie sie es formulieren: ›Spätkapitalismus der Bundesrepublik und Westberlins‹. Unwiderlegliche politische Fakten seien nicht zur Kenntnis genommen. Gesellschaftliche Entwicklungen über Jahrhunderte hin aus agrarischen Strukturen in die des technischen Zeitalters seien nicht registriert und die entstandenen Lebensformen und Verhaltensweisen der westlichen Gesellschaft seien nicht ausreichend diagnostiziert und nicht treffend gewertet. Die Form der kirchlichen Ausbildung gerade in West-Berlin sei für den Dienst, den ein hauptamtlicher Pfarrer an welcher Stelle des kirchlichen Gefüges auch immer zu leisten haben werde, eher hinderlich und schädlich als auch nur im geringsten zweckentsprechend … Wir müssen, damit die Arbeit in der Synode und mit unseren Gästen fruchtbar werden kann, über zwei Voraussetzungen miteinander einig werden:
- 1.
Maßstab für Ordnung und Handeln der Kirche, für ihre Verkündung, für den Heroldsdienst im Weiterrufen der Zusagen und Versprechen Gottes darf nicht die jeweilige Verfassung der Umwelt sein. Dass die Welt heute anders ist, als sie vor 100, vor 400, vor 2000 Jahren war, verdankt die Menschheit – neben Beiträgen aus anderen Quellen – zuerst und vor allem der Existenz christlicher Gemeinde und dem Verhaltensmuster, um das sie sich müht, immer, neu ernsthaft bemüht hat, verdankt die Menschheit der Hoffnung, den Hoffnungsbildern, die die christliche Kirche seit 2000 Jahren verkündet. Wir haben nicht die Qualität der Kirche von der jeweiligen Gestalt der Gesellschaft her zu beurteilen und zu formen, sondern wir haben zu fragen, wie muss die Kirche sich verhalten und sich wandeln, um der Gesellschaft das Bild der Zukunft zu zeigen, in die Gott die Menschheit ruft …
- 2.
Wir dürfen nicht nach äußeren Eindrücken und nicht allein von der eigenen Position aus die Gestalt eines Ganzen, die Ordnung und die Existenzform ganzer Gemeinschaften, und die Leistungen einzelner anderer beurteilen. Wir haben die Kontinuität des Wachstums in Rechnung zu stellen und wir haben uns – miteinander – intensiv darum zu bemühen, dass wir – vor einem Beurteilen – die Eigenart des entstandenen und werdenden Organismus vom Grunde her erfassen. Anders ist ökumenisches Miteinander nicht möglich, aber auch nicht ein sich weitendes Vorankommen im eigenen, engeren Bereich …«
Scharf erklärte weiter, dass die evangelische Kirche Hilfe geleistet habe für Biafra,8 für den Nahen Osten, auch für die Kirchen im »weiteren Ostblock«. Wörtlich sagte er:
»Die leitenden Brüder der tschechoslowakischen Kirche haben uns gestern wissen lassen, dass wir unserer Verbundenheit mit ihnen immer wieder auch öffentlich Ausdruck geben sollten. Wir sind den Brüdern und Schwestern in der Tschechoslowakei von Kirche zu Kirche nahe«. (Diese letzten Ausführungen sind im vorliegenden schriftlichen Text des Rechenschaftsberichts nicht enthalten.)
Bischof Scharf fuhr fort:
»… Unser Westberliner Beitrag kann nur geringfügig sein. Umso mehr müssen wir die Möglichkeiten, die sich bieten, wahrnehmen. Sie sind im letzten Jahr von den Westberliner Gemeinden in unerwarteter Weise wahrgenommen worden. Allein für Biafra haben unsere Gemeinden mehr als 1¼ Million DM in wenigen Monaten aufgebracht – dies sei mir Anlass, im Namen der Kirchenleitung allen Gemeinden und Einzelpersonen für alle Hilfe nach drüben und draußen, in Katastrophengebiete und in die sogenannten Entwicklungsländer aufrichtigen Dank zu sagen! Ich bitte die Synode in diesem Zusammenhang, die Kirchenleitung zu beauftragen, sie möge für die nach der Empfehlung der Regionalsynode West der »EKD« aus den Haushaltsmitteln aller kirchlichen Institutionen und Werke für die Not und die Armut in der Welt aufzubringenden 2 % Vorschläge zur geordneten Verwendung machen und Ratschläge erarbeiten, für die Norm zur Errechnung der Richtzahl …«
(Nach dem Eröffnungsgottesdienst war die Kollekte für Biafra gesammelt worden; sie ergab 532 DM.)
Anschließend folgte die Aussprache über den Rechenschaftsbericht. Dabei wurden u. a. folgende Probleme diskutiert:
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Kirchenrat Dr. Christian Berg9 machte den Vorschlag, in Berlin eine straffe ökumenische Organisation herbeizuführen. Es würde ein Entwurf vorliegen, wonach ein ökumenisch-missionarisches Amt, ein ökumenisch-missionarischer Beirat und jährlich ein ökumenischer Tag zu organisieren seien.
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Pfarrer Dr. Karnetzki,10 Inspektor am Predigerseminar Nikolassee, erklärte, dass im Bericht, der eigentlich kein Bericht, sondern eine theologische Perspektive war, zu wenig zur Situation der Kirche in Westberlin gesagt worden sei. Es werde immer deutlich, dass heikle Dinge poetisch verklärt anstatt politisch geklärt würden. Wörtlich: »Wir leben schließlich in einer Stadt, die nicht bereit ist, den einzigen Nachbarn, den sie hat, in seiner politischen Gestalt anzuerkennen. In dieser Zwangslage hilft uns die Beschwörung der Einheit überhaupt nicht weiter. Gewiss ist es nicht unsere Sache, den Staat anzuerkennen, aber auch nicht unsere Sache, ihn nicht anzuerkennen. Wir müssen sehen, dass die Brüder drüben viel sachlicher zu diesem Staat stehen als wir. Ich habe die Bitte an die Kirchenleitung, im ständigen Kontakt mit der Kirchenleitung in Ostberlin zu bleiben und die Entwicklung, die sich in Richtung Kirchenbund ergibt und die Folgen daraus für die Zugehörigkeit zur Kirche Berlin-Brandenburg für unser Kirchengebiet in unserer Synode zu erörtern.«
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Propst Schutzka11 sagte, dass er seit Jahren zu denen gehöre, die staunen, dass trotz vieler Störungen in der Wurzel und in den Einzelheiten die Begriffe Gemeinschaft, Einheit der »EKD« und der Kirche Berlin-Brandenburg nicht leere Worte seien. »Wir können nicht verhindern, dass wir unter Erschwerungen leben. Und wir wollen es unseren Brüdern drüben nicht noch schwerer machen.« In der Presse sei immer wieder zu lesen, dass die »Einheit der EKD« längst zerbrochen sei. Davon könne für die, die an ihr teilhaben, jedoch keine Rede sein. An die »Junge Generation« gewandt, sagte er, dass manche wohl meinen, je stärker provoziert wird, desto größer sei der Erfolg. Die so denken hätten jedoch nicht recht. »Wir wollen uns gewiss nicht an unseren Stühlen festhalten«, sagte er abschließend, »aber wir möchten den Stab gerne mit gutem Gewissen an die jüngere Generation übergeben«.
Im Schlusswort zur Aussprache über den Bericht der Kirchenleitung sagte Bischof Scharf: Der Bericht sollte kein Bericht über das kirchliche Leben in Westberlin sein, sondern eine Einführung in die ordentliche Tagung der Synode Westberlin. Das den Synodalen vorgelegte Material sei sehr umfangreich und verwirrend. Der Bericht sollte ein wenig ordnen und Akzente setzen. Einzelheiten würden bei den einzelnen Vorlagen vorgebracht, u. a. von der Strukturkommission.
An Karnetzki gewandt, erklärte Scharf, er solle nicht vergessen, dass im Juni eine außerordentliche Synode stattgefunden habe, auf der diakonische und insbesondere politisch-diakonische Probleme in Westberlin nach innen und außen ausführlich besprochen worden seien. Die gesellschaftliche und politische Aufgabe in Westberlin und von Westberlin aus »in das Gebiet um uns herum« sei mit voller Absicht auf dieser ordentlichen Tagung ausgelassen worden.
Auf die Frage der »Einheit« sei er (Scharf) nicht in seinem Bericht eingegangen, da diese Frage eben auf der außerordentlichen Synode behandelt worden sei. Der Öffentlichkeitsausschuss habe den Auftrag, darüber eine Vorlage zu erarbeiten. Wogegen er (Scharf) sich wende, sei, dass die »Einheit« immer nur unter politischem Aspekt gesehen werde und dabei von politischer Ehrlichkeit, Nüchternheit und Sachverstand gesprochen werde. Es handele sich aber bei der »Einheit der Kirche« um etwas grundsätzlich anderes. Wenn von der »Einheit der EKD« gesprochen werde, wo würden damit nicht politische Fakten oder der Kampf gegen politische Fakten gemeint. Es ginge nicht um ein politisches Ziel, es ginge nicht um die Wiedervereinigung oder um nationalistische Relikte. Es ginge einzig und allein um eine theologische Aussage mit Konsequenzen für die leibliche Gestalt der Kirche und um den Dienst der Kirche in der Welt.
Der Experte der Ökumene, Dr. L. Vischer,12 vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf habe während seines Aufenthaltes in der DDR Anfang November 1968 die leitenden Kirchenmitglieder der DDR »beschworen«, an der »Einheit der EKD« auch organisatorisch, auch als Rechtseinheit, unbedingt festzuhalten und sie gebeten, ja nicht kurzschlüssig zu handeln. Nicht von der politischen Situation, nicht von der gesellschaftlichen Umwelt dürfte der Maßstab für kirchliche Entscheidungen abgeleitet werden, sondern die rechte kirchliche Entscheidung helfe der Welt. (An dieser Stelle gab es erhebliches Zischen auf der Empore, wo ca. 40 Vertreter der »Jungen Generation« saßen, und zum Teil auch im Saal.) Wenn auch hier wieder der Eindruck entstehen sollte, dass dies zu poetisch gesprochen sei, so sei er gern bereit, sehr konkrete Aussagen zu machen. »Das geht aber nicht, weil ich sonst unsere Brüder drüben belasten würde in ihrem Verhältnis zum Staat«. Die Situation sei politisch sehr kompliziert geworden; wobei von westlicher Seite nie ein Unterschied gemacht worden sei im Umgang mit beiden Regierungen. »Wir haben nichts dagegen, dass der Teil Ost sich in den Kirchbund einfügt. Das würde und wird nichts ändern an der Einheit der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg. Wir können aber nicht öffentlich unser Votum für diesen Kirchenbund abgeben, da wir unsere Brüder in ihrem Verhältnis zum Staat belasten würden. Der Plan drüben ist klar. (Gemeint ist die bisherige Vorstellung der Strukturkommission der evangelischen Kirchen der DDR.)
- 1.
Die Einheit der ›EKD‹ wird nicht gefährdet.
- 2.
Er findet durchaus nicht den Beifall der staatlichen Stellen, dieser Plan des Kirchenbundes.«
Kirchlich, theologisch und kirchenpolitisch sei ein Zusammenschluss »drüben« und ein ähnlicher Zusammenschluss in der Bundesrepublik – später – nicht nur zu rechtfertigen, sondern sogar zu begrüßen. Das wäre ein Zusammenschluss im Sinne der Arnoldsheimer Thesen – volle Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft.
Nach diesem Schlusswort zur Aussprache über den Bericht der Kirchenleitung durch Bischof Scharf wurde von Präses Altmann vorgeschlagen und von der Synode einstimmig beschlossen, »den Bericht der Kirchenleitung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen«. Ein Berichtsausschuss brauchte deshalb nicht eingesetzt zu werden.
Zum Schluss des ersten Beratungstages wurden verschiedene Drucksachen eingebracht, die im Wesentlichen innerkirchliche Fragen betrafen.
Am 2. Beratungstag wurden insbesondere Routinefragen wie Haushaltsplan, Verwaltungsordnung, Ausbildungsordnung behandelt und die entsprechenden Drucksachen eingebracht. Von Bedeutung war die Erklärung des stellvertretenden Vorsitzenden des Öffentlichkeitsausschusses der Evangelischen Kirche in Westberlin, Pfarrer Dr. Karnetzki, zu einer Äußerung, die Bischof Scharf im Schlusswort am 15.11.1968 gemacht hatte. (Bischof Scharf hatte als Antwort auf die Kritik, die in der Diskussion zum Bericht der Kirchenleitung erfolgt war, dass über alles mögliche im Bericht gesprochen worden sei, nur nicht über die Situation in Westberlin und das Verhältnis Westberlins zur DDR, erklärt: Das sei mit Absicht nicht geschehen, da erstens in der außerordentlichen Tagung der Synode im Juni 1968 schon darüber gesprochen worden sei und außerdem der Öffentlichkeitsausschuss im Juni 1968 beauftragt worden sei, Analysen und Vorschläge zu diesem Problem auszuarbeiten.) Dr. Karnetzki stellte dazu fest, dass ein solcher Auftrag an den Öffentlichkeitsausschuss nicht ergangen sei. Der Öffentlichkeitsausschuss, dessen Vorsitzender Pfarrer Harald Hasper13 ist, habe zu dieser Problematik nicht gearbeitet und nichts erarbeitet. Lediglich eine kleine Gruppe von Interessierten habe sich unter seiner (Karnetzkis) Leitung mit diesem Problem befasst und eine Stellungnahme ausgearbeitet, die schon der IV. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen vorgelegt werden sollte. Dazu sei es jedoch nicht gekommen. Er würde sich aber erlauben, den Synodalen diese Stellungnahme zur Kenntnis zu bringen.
Am Nachmittag lag nach einer Tagungspause auf den Plätzen der Synodalen ein Flugblatt »Frieden für Westberlin« (siehe Anlage 1). Der Präses der Synode, Altmann, erklärte daraufhin, es sei unerhört und völlig unüblich, ohne Wissen der Leitung der Synode ein Flugblatt zu verteilen. Die Leitung der Synode distanziere sich davon. Auf seine Frage, wer dies veranlasst habe, meldete sich Pfarrer Dr. Karnetzki; die Verteilung sei auf seine Veranlassung hin erfolgt; es handele sich um eben diese Stellungnahme, die von einem Team unter seiner Leitung erarbeitet worden sei und von der er in seinem Diskussionsbeitrag gesprochen habe. Er betonte nochmals, dass es sich nicht um eine Erklärung des Öffentlichkeitsausschusses handele. Darauf entgegnete Präses Altmann, dass er dies zur Kenntnis nehme, aber die Verfahrensweise, ohne Wissen der Leitung der Synode Flugblätter zu verteilen, sei falsch und müsse abgelehnt werden.
Zur Bildung der Tagungsausschüsse, die lt. Tagesordnung schon am Vormittag des 16.11.1968 erfolgen sollte, kam es infolge der Vielzahl der verteilten Drucksachen nicht. Viele Synodalen brachten in individuellen Gesprächen zum Ausdruck, dass der Synode von der Kirchenleitung zu viele Probleme und Drucksachen zugemutet würden. Da diese zumeist ungenügend vorbereitet seien, komme es zu keiner vernünftigen Arbeit.
Am 17.11.1968, dem 3. Beratungstag, nahmen die Arbeitsausschüsse der Synode ihre nichtöffentliche Arbeit auf.
Am Abend, in der Zeit von 20.00 bis 23.00 Uhr, fand im Wichernsaal des Johannisstifts14 ein Gesprächsforum der Synode mit der »Jungen Generation«, d. h. mit Vertretern des »Konvents Westberliner Vikare« und Theologiestudenten statt. An diesem Forum nahmen ca. 110 Personen teil, u. a. Bischof Scharf, Generalsuperintendent Helbich,15 Präsident Hansjürg Ranke,16 Oberkonsistorialrat Foerster.17 Die Leitung des Gesprächs hatte Superintendent Dr. Dittmann.18
Es gab in erster Linie Diskussionen zum Kirchengesetz über die Ausbildung der Pfarrer und Pastorinnen in der »Evangelischen Kirche der Union« (Pfarrer-Ausbildungsgesetz) vom 2.12.1965 (siehe Anlage 2). Dabei kam u. a. Folgendes zum Ausdruck: Das Mitglied des Vorstandes des »Konvents Westberliner Vikare«, Meier, erklärte, er sei zur Mitarbeit im Tagungsausschuss über das Pfarrerbildungsgesetz hinzugezogen und müsse sagen, dass es ihn verblüfft habe, wie ausgezeichnet man zusammenarbeiten könne. Es sei ihm nicht möglich, jetzt ausführlich auf das Pfarrerausbildungsgesetz einzugehen. Es sei jedoch zutiefst reformfeindlich. Bis vor wenigen Monaten hätten die Vikare noch nicht einmal etwas von der Existenz dieses 1965 von der »EKD« beschlossenen Gesetzes, das jetzt auch auf Westberlin übernommen werden solle, gewusst.
Vikar Ritzkowski sagte, die theologischen Einwände der Vikare bestünden darin, dass von einem besonderen Pfarrerstand gesprochen werde; das sei unreformatorisch. Der Kirchenbegriff, der dem Gesetz zugrunde liege, sei ein falscher. Nicht die Kirche vergebe das Amt, sondern wo der Verkündigungsauftrag recht vollzogen werde, sei Kirche.
Vikar Klause äußerte: Christen seien keinerlei Standes, und bei den Reformatoren ist niemals von einem besonderen geistlichen Stand die Rede. Das Konsistorium denke offensichtlich noch in den Vorstellungen der alten Berufsstände.
Generalsuperintendent Helbich versuchte, den § 15 zur Frage der Verlobung und Eheschließung der Vikare zu verteidigen. (Danach müssen die Vikare nicht nur eine Verlobung bzw. beabsichtigte Heirat der Kirchenleitung bzw. dem Generalsuperintendenten anzeigen, sondern die Braut auch vorstellen. Außerdem ist vorgeschrieben, dass sie evangelischer Konfession sein muss und die Kirchenleitung gegen die Verbindung Einspruch erheben kann.) Die inhaltlichen Ausführungen Helbichs sowie seine überhebliche Form des Vortrages riefen bei den Vikaren große Unzufriedenheit hervor.
Vikar Grünberg: Die Tatsache, dass kein einziger Vikar oder Student an der Ausarbeitung des Gesetzes, das die Ausbildung regelt, beteiligt wurde, zeige, dass man hierfür institutionelle Regelungen vorsehen müsse. Vikare und Studenten hätten es satt, als Schüler betrachtet zu werden, über die man berät und die dann lediglich die Gesetze auszuführen hätten. Paradox sei, dass überall die Ausbildung verkürzt und intensiviert werde, in Westberlin dagegen habe man die Vikar-Ausbildung von zwei auf 2½ Jahre verlängert, ohne die geringste Intensivierung damit zu verbinden. Der § 15 bezüglich der Eheschließung bedeute eine direkte Beschneidung der persönlichen Freiheit.
Vikar Meier: Er möchte zu diesem Argument, man müsse das Gesetz beschließen, da Westberlin die letzte Kirche sei im Rahmen der »EKU«, die dieses Gesetz noch nicht übernommen habe und sonst die Einheit der »EKU« gefährdet sei, erklären: Das ist eine formale Auffassung von Einheit. Vorbildlich sei die von Generalsuperintendent Schönherr vorgeschlagene und praktizierte Ausbildung der Vikare. Sie verstoße zwar gegen den Buchstaben des Ausbildungsgesetzes, Schönherr könne man jedoch nicht zur Rechenschaft ziehen, wegen »seiner besonderen Situation«.
Pastorin Reichel wies am Beispiel ihrer eigenen Ausbildung nach, wie überholt das Pfarrerausbildungsgesetz und wie begründet die Unzufriedenheit der Vikare sei.
Bischof Scharf: Das Gesetz über die Pfarrerausbildung sei überholt, das würde er zugeben. Aber wenn es nicht angenommen wird, bestünde ein gesetzloser Zustand, falls man nicht weiter das Gesetz von 1927 zugrunde legen wolle, das erst recht überholt sei. Er schlage deshalb vor, das Gesetz der »EKU« anzunehmen, aber nur befristet für höchstens drei Jahre. Gleichzeitig sollte im Verlauf des nächsten halben Jahres ein neuer Gesetzentwurf ausgearbeitet und der »EKU« übergeben werden. Man müsse auch sehen, dass das »EKU-Gesetz« wirklich viele Möglichkeiten einer Verbesserung der Ausbildung offenlasse, und dass die Kirchenleitung auch viel mehr Möglichkeiten anbieten könnte, als dies jetzt geschehe, z. B. Auslandsvikariate, Ausbildung in den USA, Kurse im zentralen Eheinstitut in Westberlin. Solche Vorschläge und Experimente von Schönherr, wie sie jetzt in Rathenow und Neuruppin begonnen hätten bzw. durchgeführt werden, wären auch in Westberlin im Anlaufen. Pfarrer und Nicht-Theologen würden in team-works zusammenarbeiten. Die Westberliner Theologiestudenten seien doch in der glücklichen Lage, dass die Kirchliche Hochschule keiner Kultusverwaltung unterstünde; es könne alles gemeinsam mit der Kirchenleitung verändert werden.
Am 18.11.1968, dem 4. Beratungstag, tagten die Arbeitsausschüsse der Synode:
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Tagungsausschuss Pfarrerausbildung,
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Tagesordnungsausschuss,
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Tagungsausschuss Theologie,
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Tagungsausschuss Jugend und Kirche,
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Tagungsausschuss Diakonie,
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Haushaltsausschuss.
Gegenstand der Beratungen in der Plenarsitzung war ein Bericht von Propst Schutzka über die Arbeitsgruppe für Strukturplanung sowie eine längere Diskussion und eine Beschlussfassung zu dieser Problematik.
Die Arbeitsgruppe Strukturplanung besteht seit dem 30.11.1967 beim Konsistorium. Lt. Mitteilung von Propst Schutzka, der Vorsitzender dieser Arbeitsgruppe ist, arbeiten in ihr folgende Personen mit:
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Superintendent Backhaus,
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Pfarrer Klass,
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Pfarrer Esche,
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Prof. Dr. Martin Fischer,19
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Pfarrer Katzenstein,
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Pfarrer Kraske,
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Diplom-Soziologe Lenke,
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Oberkonsistorialrat von Wedel.20
Propst Schutzka sprach über Ziel und Ergebnisse der Arbeit zu Fragen der Strukturplanung. Er brachte zum Ausdruck, dass man sich vor der Restauration und vor der Revolution hüten müsse. Es gelte auch in den kirchlichen Strukturen – entsprechend dem Wandel der Verhältnisse in der Gesellschaft – einen behutsamen Wandel herbeizuführen. Das Ziel könne nur in einer mittelfristigen und nicht in einer langfristigen Planung bestehen, d. h. man könne höchstens die Bedürfnisse der 70er Jahre zu erfassen versuchen und sie berücksichtigen. Die Arbeitsgruppe gehe nicht von der Grundordnung aus, sondern stelle die Frage, welche Veränderungen in den kirchlichen Strukturen notwendig sind, um dann erst die Frage aufzuwerfen, wie eventuell die Grundordnung der Kirche verändert werden muss. In der Arbeitsgruppe gehe es vor allem um die Neustrukturierung der Kirchenkreise, der Gemeinden und der Gesamtkirche, wobei nicht nur von der Parochialgemeinde ausgegangen wird, sondern auch funktionale Gemeinden, übergemeindliche Ämter, die sich bereits gebildet haben, berücksichtigt würden. Insbesondere komme es darauf an, wie das von Schönherr im »Ostteil« der Landeskirche eingeleitet worden sei, eine neues Bild des Pfarrers herauszuarbeiten, der nun wirklich das allgemeine Priestertum verwirklicht, d. h. die Laien voll zur Wirksamkeit kommen lässt.
In der Diskussion ergriffen folgende Synodalen das Wort:
Pfarrer George, der die Drucksache 33 (Antrag auf Bildung eines Synodalausschusses für Strukturfragen und Kirchenreform) einbrachte, begründete diesen Antrag (siehe Anlage 3). Er brachte zum Ausdruck, dass der Vorwurf der Jugend darin bestünde, dass die jetzigen Strukturen der Kirche den Klerikalismus festigen. Es habe wenig Sinn, darüber zu streiten, ob der Superintendent oder ein Laie Vorsitzender des Kreiskirchenamtes sein sollte, entscheidend sei das Wahlsystem für die Synode. Es ergebe sich die Frage nach der Demokratisierung aller kirchlichen Bereiche. Was die Regionalsynode Ost dazu gewagt habe, dass z. B. ein Pfarrer nur auf bestimmte Zeit in einer Pfarrstelle sein soll – höchstens acht Jahre –, habe im Westteil der Landeskirche viele Gemeinden und Christen beunruhigt. Mit dieser Planung werde Macht ausgeübt, Freiheit eingeschränkt. Aber ohne durch Planung begrenzte Freiheit komme es zum Chaos. Deshalb sei Planung der Freiheit erforderlich. Wichtig sei, dass die Planungsexperten kontrolliert würden. Träger der Macht in der Kirche sei die Synode. Deshalb sei mit der Drucksache 33 der Antrag gestellt worden, einen Synodalausschuss für Strukturfragen und Kirchenreform zu bilden.
Pfarrer Raddatz vertrat die Meinung, dass die Arbeitsgruppe bis zur nächsten Tagung der Synode erst einmal einen ordentlichen Bericht ausarbeiten solle. Was von Propst Schutzka vorgetragen worden wäre, sei dürftig und enttäuschend. (Lebhafte Zustimmung vor allem von den jungen Gästen auf der Empore.)
Pfarrer Dr. Karnetzki erklärte zu dem Diskussionsbeitrag von Pfarrer George, dass alles, was er gesagt habe, darauf hinausliefe, zu majorisieren und die wirkliche Demokratisierung zu verhindern.
Dieser Auffassung widersprach Pfarrer Götze.
Es kam zu folgender Beschlussfassung:
Es wird ein Synodalausschuss für Strukturfragen und Kirchenreform gebildet. Interessierte Synodale sollen sich im Verlauf der nächsten zwei Monate zur Mitarbeit in diesem Ausschuss beim Präses melden. Auf der nächsten Tagung der Synode in einem halben Jahr wird die Zusammensetzung des Ausschusses bekannt gegeben. Der Ausschuss wird seine Arbeit aufnehmen, wenn die »Arbeitsgruppe für Strukturplanung« beim Konsistorium ihren Bericht abgeschlossen haben wird. Auf der nächsten Tagung der Synode in einem halben Jahr soll ausführlich über die Strukturplanung gesprochen werden.
Am Abend des vierten Beratungstages wurde mit der Diskussion über das Pfarrerausbildungsgesetz begonnen.
Den Synodalen wurde der Rechenschaftsbericht der Evangelischen Kirchenleitung Berlin-Brandenburg, den Bischof Schönherr auf der Synode in Berlin-Weißensee verlesen hatte, ausgehändigt.
Außerdem beschäftigte sich die Synode mit folgenden Punkten:
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Der Vereinbarung über Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft wurde mit knapper Mehrheit zugestimmt.
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Es wurde beschlossen, dass die Kirchenleitung auf der nächsten Tagung der Synode ein Gesetz vorlegt, das den Pfarrern die Einsicht in ihre eigenen Personalakten ermöglicht. Gegenwärtig befinden sich die Personalakten unter strengem Verschluss. Sie würden jedoch, wie Propst Schutzka erklärte, keine Geheimnisse enthalten.
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Weiter wurde ein Zwischenbericht des »Ständigen Öffentlichkeitsausschusses« über seine Arbeit zum »Problem der politischen und kirchlichen Information und Meinungsbildung in Westberlin« zustimmend zur Kenntnis genommen. In dem Bericht (siehe Anlage 4) wurden zum ersten Mal die Namen der Verantwortlichen genannt, denen das Evangelische Publizistische Zentrum in Westberlin untersteht. Dem Kuratorium, das für das Evangelische Publizistische Zentrum verantwortlich ist, gehören an:
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Dr. Suchan,21 Präsident der Landeszentralbank und Vorsitzender des Rundfunkrates des SFB
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Konsistorialpräsident Hansjürg Ranke, als Vertreter der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg
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Oberkirchenrat Wilkens,22 Hannover, als Vertreter der »Evangelischen Kirche in Deutschland«
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Landespressepfarrer Günter Heidtmann,23 Düsseldorf, als Vertreter der »Evangelischen Kirche der Union«
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Konsistorialrat Wolf-Dieter Zimmermann,24 Westberlin, als Vertreter der »Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands«
Wie aus dem Haushaltsplan hervorgeht, sind für das Evangelische Publizistische Zentrum in Westberlin jährlich 337 000 DM vorgesehen.
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Die Synode beschloss, ein Gesetz der »Evangelischen Kirche der Union« (EKU) über die dienstrechtlichen Verhältnisse der Pastoren im Hilfsdienst vom 15.2.1968 anzuerkennen und zu übernehmen. Es tritt mit Wirkung vom 1.1.1969 in Kraft.
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Schließlich wurde noch der Haushaltsplan beraten, der sich auf 45 400 000 DM beläuft. 80 % dieser Summe entfallen auf Personalkosten.
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Am 19.11.1968, dem 5. und letzten Beratungstag, wurden die Beratungen im Plenum fortgeführt.
Zunächst nahm die Synode einen Bericht des Tagungsausschusses Diakonie entgegen. In diesem Bericht, der zustimmend zur Kenntnis genommen wurde, wird empfohlen:
- 1.
Es soll ein ständiges Referat für die Bearbeitung der Fragen des sozialen Friedens in der Welt und der ökumenischen Diakonie geschaffen werden.
- 2.
An den Arbeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über Entwicklungsfragen soll möglichst ein Mitglied der Kirche von Berlin-Brandenburg beteiligt sein.
- 3.
Eine Großveranstaltung in Westberlin soll für die Entwicklungsproblematik werben.
- 4.
Die Mittel in Höhe von 2 % des Haushalts sollen nicht zersplittert für die Entwicklungshilfe eingesetzt werden.
- 5.
Die Christen sollen zum regelmäßigen Opfer für weltweite Notstände aufgefordert werden.
In einer sogenannten Fragestunde wurde das Problem der Schließung des Bethanien-Krankenhauses in Westberlin aufgeworfen. Oberkonsistorialrat Vogel erklärte, dass das Krankenhaus ab 1970 geschlossen werden müsse, weil der Zuschuss vom Senat zukünftig wegfalle.
Mit einigen geringfügigen Veränderungen wurde auf Antrag des Tagungsordnungsausschusses die neue Geschäftsordnung der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg beschlossen. In Westberlin wird sie am 1.1.1969 in Kraft treten; sie soll auch für den DDR-Bereich der Berlin-Brandenburgischen Kirche gültig werden. (Es wurde nicht gesagt, wann sie für den DDR-Bereich in Kraft treten wird und ob als Voraussetzung dazu die Regionalsynode in der DDR ebenfalls zustimmen muss.) Die Ausarbeitung sei von Präses Altmann und Präses Figur25 erfolgt. Präses Altmann sprach Präses Figur (F. ist Präses der Regionalsynode des DDR-Bereiches der Landeskirche Berlin-Brandenburg) öffentlich seinen Dank für die Mitarbeit aus und gab gleichzeitig bekannt, dass Präses Figur vor Kurzem die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität in Bonn erhalten habe. (Geschäftsordnung mit Abänderungsbeschlüssen befindet sich in der Anlage 5.)
Als wichtigstes Problem der Synode kristallisierte sich immer mehr das Pfarrerbildungsgesetz heraus, über das während der ganzen Schlusssitzung heftig diskutiert wurde. Bereits der Einbringung des Gesetzes war eine dreistündige Diskussion gefolgt; außerdem hatte ein Gesprächsforum mit den Vikaren stattgefunden, und der zuständige Tagungsausschuss hatte 13 Stunden lang getagt.
Prof. Harder als Berichterstatter des Tagungsausschusses Pfarrerausbildung schlug der Synode vor, Folgendes zu beschließen:
- 1.
Die Regionalsynode West widerspricht nicht, dass für ihren Bereich das Kirchengesetz der EKU von 1965 mit Wirkung vom 1.1.1969 auf die Dauer von drei Jahren in Kraft gesetzt wird, mit der Maßgabe, § 15 dahingehend zu verändern, dass die Ehefrau des Kandidaten bzw. Pfarrers der Evangelischen Kirche angehören soll (nicht muss, wie im Gesetz formuliert ist).
- 2.
Das gesamte Gebiet der Ausbildung bedarf der Überprüfung und Neuregelung. Deshalb die Befristung auf nur drei Jahre. In dieser Zeit soll erreicht werden, dass eine Neuregelung im Gesamtbereich der EKU erreicht wird.
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Die Synode bittet die Kirchenleitung, einen Ausschuss einzusetzen, der Grundsätze bis zur nächsten Tagung der Synode ausarbeitet und der sich zusammensetzen soll aus Vertretern der Studentenschaft der Kirchlichen Hochschule, der Vikare, der Hilfsprediger, der Hochschullehrer, der an der Ausbildung beteiligten Pfarrer der Synode sowie der Kirchenleitung.
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Bei der übernächsten Tagung soll der Entwurf fertig sein und der EKU übergeben werden.
Nach heftiger Diskussion wurde dieser Vorschlag mit vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen angenommen. Vor allem die Vikare hatten um eine Verhinderung der Annahme dieses Gesetzes der EKU von 1965 gekämpft. Sie legten einen zusammenfassenden Bericht vor, in dem sie alle Argumente, die sie auch im Ausbildungsausschuss hatten vortragen lassen, noch einmal darstellten (siehe Anlage 6).
In der folgenden Diskussion gab es vorwiegend solche Stimmen:
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Pfarrer Prüfer sagte, dass ihm das Nein der Vikare und Studenten zu diesem Gesetz der EKU von 1965 verständlich sei. Es ginge nicht allein um die Buchstaben des Gesetzes, sondern auch um offene Fragen der Theologie und Gesellschaft.
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Pfarrer Dr. Karnetzki begrüßte Kritik und Wirkung der Vorstöße der Vikare und Theologiestudenten gegen das Gesetz und sagte, dass diese Initiative nicht hoch genug eingeschätzt werden könne.
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Pfarrer Dr. Boeckh26 erklärte, dass er dem Vorschlag zustimmen werde. Er habe sich noch nie von der Kirchenleitung oder dem Konsistorium bedrückt geführt; auch nicht, als er mit seiner Braut zur Vorstellung bei der Kirchenleitung erschienen sei, auch wenn ihm Einzelheiten nicht behagt hätten. (Dieser Diskussionsbeitrag wurde mit Zischen von der Empore quittiert. Es gab Zwischenrufe wie »Fleischbeschau«!)
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Superintendent Rieger brachte zum Ausdruck, dass das sogenannte altmodische Pfarrhaus Gott sei Dank noch nicht überholt sei und er ließe es nicht beschmutzen.
Die Synode wurde um 18.30 Uhr nach einer Andacht, die Bischof Scharf hielt, beendet.
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