Reaktionen auf den Brief von Schütz an Stoph
29. Februar 1968
Einzelinformation Nr. 226/68 über erste Reaktionen aus führenden Kreisen in Westberlin im Zusammenhang mit dem Brief von Schütz an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR
Aus führenden politischen Kreisen um den Regierenden Bürgermeister von Westberlin, Schütz,1 wurden im Zusammenhang mit dem an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Genossen Stoph,2 gerichteten Brief vom 28.2.19683 intern folgende Einzelheiten bekannt:
Schütz sei zu einem längeren vertraulichen Gespräch, das gegebenenfalls über vier Stunden dauern könnte, mit Genossen Stoph bereit. Die Westberliner Seite sei sicher, dass ein solches Gespräch dazu beitragen könnte, die Lage wesentlich »zu entkrampfen«. Die diesbezüglichen Bemühungen kämen in dem »ordentlich adressierten« Brief mit dem Vorschlag über den Abschluss eines neuen Passierscheinabkommens für Ostern 1968 zum Ausdruck.4 Die Bonner Regierung würde über die neuen Schritte des Regierenden Bürgermeisters von Westberlin erst am 29.2.1968 informiert.
Die politischen Kräfte aus der Umgebung von Schütz seien bemüht, das Auftreten von Schütz gegenüber der DDR-Seite zu verteidigen und zu rechtfertigen.
Schütz sei alles andere als ein Faschist. Das ND habe entstellt über seine Ansprache auf der Kundgebung am 21.2.1968 in Westberlin5 berichtet.6 Die Kundgebung habe Schütz veranlasst, um weitaus Schlimmeres zu verhüten. Flüchtlingsverbände und andere Organisationen hätten Anträge auf Gegenkundgebungen gestellt. Die Westberliner Bevölkerung, vor allem auch Arbeiter, würden laufend Aktionen gegen die außerparlamentarische Opposition fordern. Noch heute gingen täglich viele Briefe mit solchen Forderungen ein. Die roten Fahnen der Demonstranten hätten einen Schock ausgelöst und alle Rechtsradikalen mobilisiert. Die politische Führung in Westberlin sähe in den Rechtsradikalen den Hauptgegner, nicht in der Bewegung des »Sozialistischen Deutschen Studentenbundes«.7
Bekannt gewordene Äußerungen des Leiters des Büros beim Regierenden Bürgermeister, Günter Struve,8 besagen, dass er selbst auch gegen das ursprüngliche Demonstrationsverbot sowie gegen die Kundgebung vom 21.2. gewesen sei. Die DDR dürfe nach Meinung von Struve jedoch nicht übersehen, dass Schütz auf der Kundgebung u. a. auch vom Frieden gesprochen und keiner die DDR, die Sowjetunion oder Vietnam angegriffen hätte.
Wie Struve weiter äußerte, habe er kürzlich die DDR wieder »gegen Angriffe tschechischer Künstler verteidigt«, die die DDR als »russisches Albanien« bezeichnet hätten.
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