Republikflucht zweier Aspiranten des Geomagnetischen Instituts
3. August 1968
Einzelinformation Nr. 831/68 über die Republikflucht zweier wissenschaftlicher Aspiranten des Geomagnetischen Instituts Potsdam bzw. des Instituts für Sternphysik Potsdam nach der Türkei
Wie bisherige Untersuchungen durch das MfS ergaben, benutzten der Welzk, Hans-Stefan,1 geboren am [Tag, Monat] 1942, Diplom-Physiker, wissenschaftlicher Aspirant am Geomagnetischen Institut Potsdam, zuletzt wohnhaft Potsdam, [Straße, Nr.], und der Fritzsch, Harald,2 geboren am 10.2.1943, Diplom-Physiker, wissenschaftlicher Aspirant am Institut für Sternphysik Potsdam, zuletzt wohnhaft Leipzig, [Straße, Nr.], eine gemeinsame Urlaubsreise in die VR Bulgarien, um nach der Türkei republikflüchtig zu werden.
Der Welzk war seit April 1967 wissenschaftlicher Aspirant am Geomagnetischen Institut Potsdam. Nach Aussagen des Direktors des Instituts, Prof. Fanselau,3 [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]4 habe sich Prof. F. mit dem Gedanken getragen, den Welzk nach dessen Urlaub aus dem Institut zu entlassen.
Der W. war seit dem 1.5.1967 in der Arbeitsgruppe von Prof. Fanselau zur Bearbeitung theoretischer Probleme der Feinstruktur des geomagnetischen Feldes eingesetzt, besaß jedoch nach Aussagen des Prof. Fanselau keinen Überblick über die Gesamtproblematik dieses Gebietes. Vorgenannte Arbeitsgruppe ergänzt durch theoretische Arbeiten die morphologischen Untersuchungen von Prof. F. Diese Thematik ist kein Forschungsthema und unterliegt keiner Geheimhaltung.
Der Welzk war im Institut nicht an Arbeiten beteiligt, die in Zusammenarbeit mit Instituten anderer sozialistischer Länder durchgeführt werden. Er hatte jedoch einen gemeinsamen Arbeitsraum mit dem Diplom-Physiker Möhlmann,5 der seit dem 1. Quartal 1968 in die Arbeitsgruppe »Interkosmosprogramm« (ZZ-Arbeit mit der Sowjetunion) einbezogen ist.
Nach Angaben von Prof. F. und dem Leiter der Arbeitsgruppe »Interkosmosprogramm«, Dr. [Name], konnten weder Welzk noch Möhlmann aufgrund ihrer noch ungenügenden wissenschaftlichen Kenntnisse einschätzen, welche wissenschaftliche Bedeutung die von Möhlmann ausgeführten Arbeiten besaßen. Die Arbeitsunterlagen des Möhlmann, zu denen Welzk praktisch Zugang hatte, lassen keine Aussagen über den Stand der ZZ-Arbeit zu.
W. diskutierte des Öfteren über fachliche Probleme, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrten [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]
W. galt als lebensfremd und fand wegen seines überheblichen Auftretens keinen Kontakt zu anderen Mitarbeitern.
Der Fritzsch hat im Juni 1968 bei Prof. Treder6 seine Diplomprüfung abgelegt. Seine Diplomarbeit beschäftigte sich mit »Problemen der Grafimetrie«, die von Prof. Treder als ein rein theoretisches Grundlagenthema eingeschätzt wird. Nach Angaben von Prof. Treder erhielt Fritzsch am Institut für Sternphysik keinen Zugang oder Einblick in interessante bzw. wichtige wissenschaftliche Probleme. F. ist im Besitz eines Exemplares seiner Diplomarbeit, das er wahrscheinlich bei der Flucht mit sich führte.
Prof. Treder schätzt den Fritzsch als talentierten Wissenschaftler ein, der jedoch unkonzentriert und undiszipliniert arbeitete, von sich eingenommen sei und zur Selbstüberschätzung neige.
Welzk und Fritzsch haben gemeinsam am Institut für theoretische Physik der Karl-Marx-Universität Leipzig studiert, sind befreundet und haben in der Vergangenheit bereits mehrere gemeinsame Reisen in sozialistische Länder unternommen.
Bei vorgenannten Personen handelt es sich also keinesfalls – wie z. B. im »Telegraf« vom 2.8.1968 angeführt – um »bedeutende Physiker der DDR«.
Vom MfS werden weitere Untersuchungen über die Umstände der Republikflucht von W. und F. geführt.