Selbstmordveruch eines politischen Mitarbeiters der SED-Bezirksleitung
24. September 1968
Einzelinformation Nr. 1077/68 über einen Selbstmordversuch des politischen Mitarbeiters der SED-Bezirksleitung Frankfurt/O., Genossen [Name 1, Vorname]
Wie dem MfS bekannt wurde, hat der politische Mitarbeiter der SED-Bezirksleitung Frankfurt/O., [Name 1, Vorname], der gegenwärtig als Lehrer an der Sonderschule in Beeskow tätig ist, am 23.9.1968 einen Selbstmordversuch verübt.
Der Genosse [Name 1], 41 Jahre alt, wohnhaft in Schwedt, [Straße, Nr.], wurde am 23.9.1968 gegen 21.00 Uhr auf der Fernverkehrsstraße 246 am Bahnübergang der Linie Beeskow – Lübben aufgefunden.
Aus einem Brief an die Ehefrau, den er bei sich trug, geht hervor, dass [Name 1] aus dem Leben scheiden will, da er ein Verhältnis mit einer anderen Frau hat und deshalb den Genossen nicht mehr unter die Augen treten kann. Der Brief befindet sich in der SED-Bezirksleitung Frankfurt/O.
Genosse [Name 1] wurde sofort in das Krankenhaus Beeskow eingeliefert und am gleichen Tag in das Bezirkskrankenhaus Frankfurt/O. überführt. Nach bisherigen Feststellungen hatte Genosse [Name 1] 30 Schlaftabletten zu sich genommen. Laut Auskunft des behandelnden Arztes befindet er sich außer Lebensgefahr.
Die bisherigen Überprüfungen zum Selbstmordversuch des [Name 1] ergaben: Genosse [Name 1] war bis 1967 Parteisekretär des VEB Rohtabak Schwedt/O. Nach dem Besuch der Bezirksparteischule wurde er aufgrund guter Leistungen an die Sonderschule der Partei in Beeskow berufen. Nach Ansicht der Schulleitung steht Genosse [Name 1] fest auf dem Boden unseres Staates. Aufgrund von Hinweisen über ein außereheliches Verhältnis fanden mit [Name 1] mehrere Aussprachen u. a. durch den Schulleiter und den Parteisekretär statt. Nach anfänglichem Leugnen gab [Name 1] während einer Auseinandersetzung am Vormittag des 20.9.1968 in der Parteigruppe Lehrer zu, ein intimes Verhältnis zu einer gewissen [Name 2, Vorname], wohnhaft in Beeskow unterhalten zu haben. Bei der [sic!] [Name 2] handelt es sich um eine leichtlebige Person, die Genosse [Name 1] bereits während seines Besuches der Sonderschule im Jahre 19551 kennengelernt hat. In der Parteigruppenversammlung wurde von dem Genossen erklärt, dass ein Parteiverfahren gegen [Name 1] eingeleitet werde. Bisher wurden noch keine Schritte dazu unternommen.
An Nachmittag des 20.9.1968 fuhr Genosse [Name 1] zu einem Qualifizierungslehrgang für Lehrer nach Brandenburg. Nach bisherigen Feststellungen wurde er am 23.9.1968 wegen seines parteischädigenden Verhaltens auf Weisung der Bezirksleitung Frankfurt/O. zurückgerufen. Welche Begründung dem [Name 1] in Brandenburg für seine sofortige Rückreise gegeben wurde, konnte bisher noch nicht festgestellt werden.
Am 23.9.1968, gegen 17.00 Uhr, traf Genosse [Name 1] in Beeskow ein. Eine weitere Aussprache fand danach mit ihm nicht statt.
Genosse [Name 1] ist zum 2. Mal verheiratet. Seine erste Ehe wurde aufgrund außerehelicher Verhältnisse seiner Ehefrau geschieden. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Mit seiner jetzigen Ehefrau führt er eine an sich harmonische Ehe. Seine Ehefrau will sich auch nicht von ihm scheiden lassen. Nach ihren Angaben soll Genosse [Name 1] bereits nach der Scheidung von seiner 1. Frau einen Selbstmordversuch mit Tabletten unternommen haben. Nach dem bisherigen Stand der Aufklärung ist einzuschätzen, dass es sich beim Selbstmordversuch des [Name 1] um eine Kurzschlusshandlung handelt. Anhaltspunkte für politische Motive liegen nicht vor.