Strafbare Handlungen von VP-Angehörigen des Kommandos Autobahn
11. November 1968
Einzelinformation Nr. 1254/68 über strafbare Handlungen von VP-Angehörigen des Verkehrskommandos Autobahn des VPKA Burg, Bezirk Magdeburg
Am 6.10.1968 wurden durch die Untersuchungsorgane der BdVP Magdeburg gegen 22 VP-Angehörige des VPKA Burg, Verkehrskommando Autobahn, Ermittlungsverfahren eingeleitet, da sie von 1963 bis 1968 teils gemeinschaftlich, teils als Einzeltäter handelnd Gegenstände des privaten und persönlichen Eigentums durch rechtswidrige Zueignung weggenommen bzw. unterschlagen haben.
Sie führten die strafbaren Handlungen unter Ausnutzung ihrer dienstlichen Tätigkeit durch, indem sie nach Verkehrsunfällen auf der Autobahn aus Ladungen von westdeutschen Lastkraftwagen bzw. Personenkraftwagen 13 Radiogeräte, fünf elektrische Nähmaschinen, fünf Ferngläser, 50 m Wollstoff, einen Fotoapparat, einen elektrischen Rasierapparat sowie eine beträchtliche, nicht mehr genau feststellbare Menge an Genussmitteln wie Spirituosen, Tabakwaren sowie Kosmetikartikel, Autowerkzeuge usw. entwendeten bzw. unterschlugen.
Die VP-Angehörigen bereicherten sich bei diesen strafbaren Handlungen an Waren im Werte von ca. 25 000 M. Acht VP-Angehörige wurden aufgrund der Schwere der von ihnen begangenen Straftaten inhaftiert.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben Folgendes:
Das Verkehrskommando ist insgesamt 27 Mann stark, besteht in dieser personellen Zusammensetzung im Wesentlichen seit 1962 und ist entsprechend dem Befehl 6/62 des Ministers des Innern dem VPKA Burg unterstellt. Der überwiegende Teil der im EV bearbeiteten VP-Angehörigen (14) gehört bereits seit vor 1960 der Volkspolizei an.
Alle im EV bearbeiteten VP-Angehörigen haben ein gutes Einkommen, besitzen zum Teil Kraftfahrzeuge und Grundstücke.
19 von 22 im Ermittlungsverfahren bearbeiteten VP-Angehörigen sind Parteimitglieder, darunter drei Parteileitungsmitglieder und ein Parteigruppenorganisator.
Allen im EV bearbeiteten VP-Angehörigen einschließlich den Inhaftierten wird eine überwiegend gute gesellschaftliche und politisch-ideologische Arbeit sowie eine gute fachliche Tätigkeit bestätigt, was u. a. auch zu Auszeichnungen als »Verdienter Volkspolizist«, Beförderungen und Prämierungen führte. (Im Gegensatz dazu stehen jedoch elf disziplinarische Bestrafungen seit 1962, dabei fast die Hälfte wegen Vernachlässigung der Wachsamkeit.)
Die Untersuchungen ergaben weiter, dass ein Teil der im EV bearbeiteten VP-Angehörigen intensive familiäre Westverbindungen direkt oder über dritte Personen unterhielt und Verwandte ersten Grades mit Genehmigung der Vorgesetzten zu Besuchen in WD weilten.
In der Untersuchung wurde herausgearbeitet, dass die Ursachen für diese kriminellen Verhaltensweisen in egoistischer Habgier verbunden mit ideologischer Beeinflussung durch die westlichen Massenmedien, die persönlichen Westverbindungen sowie in einer labilen Einstellung zur Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR liegen und im Widerspruch zum sonstigen Auftreten dieser VP-Angehörigen stehen. Als eine begünstigende Bedingung erwies sich die nicht den Erfordernissen entsprechende Führungs- und Leitungstätigkeit der Amtsleitung des VPKA Burg, insbesondere die Anleitungs- und Kontrolltätigkeit des Leiters des VPKA Burg, Oberstleutnant der VP Rohde, der Stellvertreter und des Leiters der Abteilung Verkehrspolizei als unmittelbare Dienstvorgesetzte.
So war die relativ hohe Zahl von disziplinarischen Bestrafungen und aktiven Westbeziehungen nicht Anlass einer sorgfältigen Auswahl von Kadern für diese Diensteinheit, die täglich unmittelbar mit Personen aus Westdeutschland, Westberlin und dem nichtsozialistischen Ausland in Berührung kommen. Andererseits wurden diese Vorkommnisse auch nicht zum Anlass von kadermäßigen Veränderungen genommen.
Fast alle im EV bearbeiteten VP-Angehörigen absolvierten die ständigen Schulungen mit der Note sehr gut und gut. Demgegenüber stand jedoch ein nicht entsprechendes praktisches Verhalten. Dieser Widerspruch war ebenfalls nicht Anlass einer tiefgründigen politisch-ideologischen Untersuchung der Ursachen.
Die bereits im Juli 1968 bei der Leitung des VPKA Burg sowie der BdVP Magdeburg vorhandenen Hinweise über negative Vorkommnisse mit Angehörigen des Verkehrskommandos Autobahn wurden nicht mit der notwendigen Konsequenz und Sorgfalt geklärt.
Die im Zusammenhang mit diesem Vorkommnis aufgetretenen Probleme der mangelhaften Führungs- und Leitungstätigkeit im VPKA Burg haben auch Auswirkungen in den anderen Dienstzweigen dieses Amtes gezeigt.
So u. a. in der Abteilung Kriminalpolizei, deren Leiter, Hauptmann der VP [Name], schon seit Jahren aktive Westverbindungen über seine Familie unterhält, ohne dass eine parteiliche Klärung erfolgte. Angehörige der Abteilung K feierten mit der Ehefrau einer inhaftierten Person in deren Wohnung. In der Abteilung Schutzpolizei zeigte sich im Verlaufe des Jahres 1968 eine ansteigende Tendenz von Disziplinarverstößen, indem
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gegen die Prinzipien der Wachsamkeit verstoßen wurde,
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Alkohol während des Dienstes genossen wurde,
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die Streifenzeiten und vorgeschriebene Streifenwege nicht eingehalten werden,
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mit Schusswaffen unsachgemäß umgegangen wird,
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VP-Angehörige in der Öffentlichkeit durch Trunkenheit in Erscheinung treten und
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zweifelhafte Frauenbekanntschaften unterhalten werden.
In der gleichen Abteilung zeigt sich die Tendenz, dass sich eine Reihe von ABV außerdienstlich mit »privaten« Nebenarbeiten belasten, die eine ordnungsgemäße Sicherung ihres Abschnittes beeinträchtigen können. So haben sich einige ABV umfangreiche Viehzuchten zugelegt, betreiben in großem Maße Acker- und Pflanzenbau (bis zwei Morgen), unterhalten Imkereien oder reparieren »nebenberuflich« Kraftfahrzeuge, bauen eigene Häuser usw.
Die Untersuchungen, insbesondere zur umfassenden Herausarbeitung der politisch-ideologischen Momente, werden fortgesetzt, um die Einsatzbereitschaft wieder voll herzustellen.