Tagung des Arbeitsausschusses der CFK in Paris
17. Oktober 1968
Einzelinformation Nr. 1146/68 über die Tagung des Arbeitsausschusses der »Prager Christlichen Friedenskonferenz« in der Zeit vom 1. bis 4. Oktober 1968 in Paris
In der Zeit vom 1. bis 4. Oktober 1968 tagte in Paris der Arbeitsausschuss der »Prager Christlichen Friedenskonferenz«,1 wozu auch die Internationalen Sekretäre eingeladen waren. Den Delegierten aus der DDR war die Einreise verweigert worden. In Abänderung der ursprünglichen Tagesordnung befasste sich die Tagung lediglich mit drei Fragen:
- 1.
Wahl von drei stellvertretenden Generalsekretären;
- 2.
Festlegung von Terminen für die nächste Zeit;
- 3.
Lage in der ČSSR.
Zu 1.
Als stellvertretende Generalsekretäre wurden gewählt:
- –
Pfarrer Santa Ana, Afrika.
Zu 2.
Im Dezember 1968 soll das Internationale Sekretariat in London tagen. Dazu soll der britische Regionalausschuss der »Prager Christlichen Friedenskonferenz« mit dem britischen Außenamt klären, dass alle eingeladenen Delegierten die Einreisegenehmigung erhalten. Während der Diskussion wurde empfohlen, dass sich die Teilnehmer aus der DDR direkt und inoffiziell mit dem ehemaligen britischen Verteidigungsminister Kirk4/London in Verbindung setzen, der in der Leitung des britischen Regionalausschusses mitarbeitet.
Der Arbeitsausschuss der »Prager Christlichen Friedenskonferenz« wird für Februar 1969 einberufen. Es wurde noch nicht festgelegt, in welchem Land diese Tagung stattfinden soll.
Zu 3.
Die Vertreter aus der ČSSR u. a. der »Präsident der Prager Christlichen Friedenskonferenz« Hromádka5 und der Generalsekretär Ondra6 hatten von ihren zuständigen staatlichen Dienststellen in Prag die strikte Weisung erhalten, nicht an der Sitzung der »Prager Christlichen Friedenskonferenz« in Paris teilzunehmen, wenn sie sich mit den Ereignissen in der ČSSR befasst. In diesem Sinne informierten sie in Paris das Internationale Sekretariat und den Arbeitsausschuss. Es kam daraufhin zu einer Beschlussfassung, in der die anwesenden Delegierten die Vertreter aus der ČSSR von der Teilnahme an der Behandlung des 3. Punktes befreiten (auch Metropolit Nikodim7/Sowjetunion, stimmte zu.) In der anschließenden Debatte bedauerten neben Metropolit Nikodim auch die Vertreter der VR Polen und der VR Ungarn, dass die Delegierten aus der ČSSR an dieser Sitzung nicht teilnahmen. (Das Ergebnis der Diskussion der Ereignisse in der ČSSR spiegelt sich im Kommuniqué wider, das in der Anlage beigefügt wird.)
Der Regionalausschuss der »Prager Christlichen Friedenskonferenz« in der Bundesrepublik hat nach der Pariser Tagung folgende Erklärung abgegeben: »Der Regionalausschuss der ›Prager Christlichen Friedenskonferenz‹ in der Bundesrepublik Deutschland hat in seiner Erklärung vom 10.7. dieses Jahres im Hinblick auf die Notwendigkeit und Förderung der europäischen Zusammenarbeit Verhandlungen über ein europäisches Sicherheitssystem auf der Grundlage des territorialen Status quo gefordert und festgestellt: Nur wenn die Bundesregierung die gegenwärtigen Grenzen als Folge der Niederwerfung Hitlerdeutschlands und der Befreiung vom Nationalsozialismus anerkennt, ist der Ausgangspunkt für eine Friedensordnung in Europa gegeben.
Die bestürzenden Ereignisse des 21. August in der ČSSR8 haben diese Auffassung bestätigt und in erschreckender Weise gezeigt, dass das Fehlen eines europäischen Sicherheitssystems, in dem die Beziehungen der europäischen Staaten untereinander dauerhaft geregelt werden, jede progressive Entwicklung hindert und die Teilung Europas in zwei mächtige Paktsysteme verfestigt. Nach wie vor gilt die Maxime der ›Prager Christlichen Friedenskonferenz‹, dass militärische Aktionen – wo immer sie stattfinden – die politischen Probleme der Völker nicht lösen können und werden. Wir fordern deshalb den Abzug sämtlicher Truppen der fünf Länder des Warschauer Paktes aus der ČSSR, müssen aber diese Forderung mit dem Verlangen nach der Anerkennung der Folgen des Zweiten Weltkrieges durch die Bundesrepublik Deutschland verbinden, weil nur in einem Europa, in dem faktisch und juristisch keine territorialen Veränderungen erstrebt werden, eine ungestörte progressive Entwicklung der bestehenden Gesellschaftssysteme möglich wird.«
Diese Information darf bis zur publizistischen Auswertung der Tagung in der internationalen Presse nicht öffentlich ausgewertet werden.
Anlage zur Information Nr. 1146/68
Kommuniqué der Tagung des Arbeitsausschusses der »Prager Christlichen Friedenskonferenz« im Oktober 1968 in Paris
»Wir sind uns einig in unserem Bedauern, dass die Vorgänge in der ČSSR eine solche Wendung nahmen. Wir sind uns jedoch nicht einig in der Analyse ihrer Ursachen. Einige unter uns von außerhalb der sozialistischen Länder in Osteuropa, die bereits im Namen ihrer Regionalausschüsse Stellungnahmen abgegeben hatten, wünschen eine kategorische Verurteilung des Vorgehens der fünf Warschauer Paktstaaten in der Form einer massiven, bewaffneten Intervention in den souveränen ČSSR-Staat. Andere unter uns, die im Namen anderer Regionalausschüsse und Mitgliedskirchen der Prager Christlichen Friedenskonferenz ihrerseits Stellungnahmen abgegeben hatten, halten eine solche Verurteilung für das Ergebnis eines falschen Verständnisses und einer oberflächlichen Analyse der Ereignisse. Sie glauben, dass die zeitweilige Verlegung von Truppen der Warschauer Paktstaaten in ein Land, das diesem Pakt angehört und mit den anderen sozialistischen Ländern durch Zusammenarbeit beim Aufbau des Sozialismus und seiner Sicherheit verbunden ist, ein – wenn auch außergewöhnlicher – Ausdruck der Solidarität mit den Menschen in diesem Lande ist.
Teilnehmer aus Asien, Afrika und Lateinamerika, ebenso aus Westeuropa und Amerika, glauben, dass das ČSSR-Volk unter Führung der KP in seinem Lande begonnen hatte, einem Sozialismus der Zukunft und ebenso der Zukunft des Sozialismus Gestalt zu geben, und beklagen es deshalb, dass diese Entwicklung gebremst worden sei und unzulässiger Druck auf die ČSSR-Führer ausgeübt werde. Sie vertreten darum die Ansicht, dass der Verlauf der Ereignisse seit der Katastrophe des 21.8.1968 einen Rückschlag für den Fortschritt eines sozialistischen Humanismus in der Welt bedeute und dazu beigetragen habe, den Zug zum Polizeistaat in vielen westlichen Ländern zu stärken. Eine Anzahl von Staaten, die in ihrer nationalen Verteidigung – zumindest in hohem Maße – von den großen Mächten abhängig waren, sähen sich jetzt gezwungen, auf dem Rüstungssektor mehr und mehr selbstständig zu werden, was bedeutet, dass sie durch Anstrengungen auf dem militärischen Gebiet die begrenzten Mittel vergeuden, die sie verzweifelt notwendig für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung brauchen. Andere Teilnehmer halten die Ereignisse des 21.8.1968 für das logische Ergebnis der vorangegangenen Entwicklungen und der Übereinkommen zwischen den Führern der sechs sozialistischen Länder, die nicht die »Okkupation« der ČSSR zum Ziele hätten, sondern die Verhinderung einer Krise, die sich zu einem Bürgerkrieg in der ČSSR auszuwachsen drohte, die Aktivität imperialistischer Kräfte begünstigte und schreckliche Folgen für Frieden und Sicherheit in Europa und der ganzen Welt haben würde und einen internationalen Konflikt verursachen könnte. Diejenigen, die dem Vorgehen der Warschauer Paktstaaten positiv gegenüberstehen, sind der Meinung, dass die Entwicklung der Ereignisse in der ČSSR und das durch sie Wiederaufleben der konterrevolutionären Kräfte nicht nur die ČSSR, sondern alle Menschen in den sozialistischen Ländern und auf lange Sicht die ganze Menschheit unmittelbar und direkt beträfen. Was am 21. August geschah, ermögliche es darum der sozialistischen Demokratie, sich in Zukunft in größerer Sicherheit vor reaktionären Kräften auszubreiten. Es sei klar, dass die Führer der ČSSR die Gefahr erkannt hätten, die von antisozialistischen Kräften drohte, und dass das Moskauer Abkommen die Festigung der Macht der Arbeiterklasse bedeute. Sie betonen, dass die gegenwärtige Situation in der ČSSR den kleinen Staaten keinen Anlass zum Misstrauen gegen die SU gebe, da das Ziel ihrer Außenpolitik das ständige Bemühen um Zusammenarbeit und internationalen Frieden sei.
Wir sind uns einig in der Überzeugung, dass die ČSSR als ein souveräner Staat das fundamentale Recht hat, ohne Einmischung von außen ihre Zukunft innerhalb der sozialistischen Welt in Freiheit zu gestalten. Wir sind uns einig, dass es unsere Pflicht ist, alles in unseren Kräften stehende zu tun, um die reaktionären Kräfte in der Welt daran zu hindern, die Schwierigkeiten innerhalb des sozialistischen Lagers für ihre eigene Ausdehnung und das Zerschlagen der progressiven Kräfte in der sich entwickelnden Welt und in den entwickelten Ländern auszunutzen. In einer durch Blockbildung gekennzeichneten und in Einflussbereiche geteilten Welt sollten wir versuchen zu verhindern, dass die jüngsten Entwicklungen zu einer Verschärfung des Kalten Krieges und einer Beschleunigung des Rüstungswettlaufs führen. Auch sollten sie die nichtatomaren Mächte nicht dazu zwingen, durch den Aufbau einer eigenen Atomstreitmacht in das Wettrüsten einzutreten. Wir bekräftigen frühere Stellungnahmen der CFK, dass die Existenz von Militärblocks ein Hindernis für dauernden Frieden ist, und dass alle Schritte unternommen werden sollten, die den Blocks ermöglichen, die Spannungen in der Welt zu mindern.
Wir sind uns einig, dass es nötig ist, jede Art von Bitterkeit und den Mangel an Vertrauen zueinander zu überwinden. Wir sind uns ebenfalls darin einig, dass die Lage in der ČSSR normalisiert werden soll. Einige unter uns sind der Meinung, dass in Übereinstimmung mit dem Moskauer Abkommen der Abzug der Alliierten Truppen aus der ČSSR durch den Normalisierungsprozess im Lande bedingt sei, was auch der von den Führern der ČSSR. die volle Handlungsfreiheit hätten, angenommen und wiederholt bestätigten Linie entspräche. Andere glauben, dass nur der Abzug der Warschauer Pakttruppen aus dem Territorium der ČSSR den Weg für eine endgültige Normalisierung bereiten könne, und dass die gegenwärtige Regierung der ČSSR und die Führer der KP ohne Druck von außen amtieren und in voller Zusammenarbeit mit andern sozialistischen Ländern und Völkern ungehindert für den Fortschritt des sozialistischen Humanismus arbeiten können müssten, auf der Hut vor dem Aufleben reaktionärer und antisozialistischer Kräfte im Lande. Wir glauben, dass es besonders wichtig ist, dass Äußerungen und Taten zum Zeitpunkt der Krise nicht zum Anlass für Verfolgung oder Bestrafung genommen werden.
Wir sind erneut zur Erkenntnis gebracht worden, wie stark und tiefverwurzelt unsere Verschiedenheit sind. Wir wollen aber trotzdem versuchen, weiter gemeinsam für den Aufbau des Friedens zu arbeiten. In diesem Sinne bekräftigen wir unsere Entschlossenheit, im Namen Christi unseren Kampf für einen Frieden voller Gerechtigkeit und Würde für alle Menschen zusammen fortzusetzen.«