Tausendjahrfeiern des katholischen Bistums Meißen (Langfassung)
22. Januar 1968
Einzelinformation Nr. 61b/68 über die sogenannten Tausendjahrfeiern des katholischen Bistums Meißen im Jahre 1968 [Langfassung]
Vom katholischen Bistum Meißen wird das Jahr 1968 als Gründungsjahr des Bistums vor 1000 Jahren1 gefeiert, wobei sich die Feierlichkeiten über das gesamte Jahr erstrecken sollen. (Laut Vorgeschichte wurde das Bistum Meißen im Jahre 968 durch Otto I.2 gegründet. Es existierte bis 15813 und wurde 1921 mit Sitz in Bautzen neu eingerichtet. 1968 wird deshalb nicht als Jahr des tausendjährigen Bestehens, sondern als Jahr der Gründung des Bistums Meißen vor 1 000 Jahren gefeiert.)
Vonseiten der Berliner Ordinarienkonferenz4 werden die Feierlichkeiten weitgehend als lokale Angelegenheiten des Bistums Meißen betrachtet. Beim Bistum Meißen handelt es sich um das einzige Bistum auf dem Territorium der DDR, das unmittelbar dem Vatikan untersteht (exemtes5 Bistum). Es liegt territorial in den Bezirken Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Gera.6
Wie dem MfS bekannt wurde, sollen die Hauptfeierlichkeiten im September 1968 zu einem Treffen leitender katholischer Geistlicher von internationalem Rang gestaltet werden, um auch dadurch eine Aufwertung der Tausendjahrfeiern zu erreichen. Es ist zu erwarten, dass die weitere Vorbereitung der Feierlichkeiten sowohl vom Vatikan als auch von westdeutscher katholischer Seite im Sinne der sogenannten Ostpolitik stark unterstützt wird.
Für die Hauptfeierlichkeiten im September 1968 sollen nach bisher vorliegenden Informationen u. a. folgende Personen eingeladen werden:
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Kardinal Franz König7 (Wien/Österreich),
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Kardinal Julius Döpfner8 (München/Westdeutschland),
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zwei polnische Bischöfe, darunter Erzbischof Bolesław Kominek9 (Wrocław, Breslau),
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zwei Bischöfe aus der ČSSR, darunter der Tscheche Erzbischof František Tomášek10 (Prag) und ein Slowake, Name nicht bekannt,
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zwei ungarische Bischöfe und
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weitere namentlich noch nicht bekannte westdeutsche Bischöfe.
Soweit bekannt wurde, ist aus dem katholischen Bistum Meißen die Absicht geäußert worden, bei der Einladung westdeutscher Bischöfe darauf achten zu wollen, nur solche Bischöfe auszuwählen, die auf dem Gebiet der DDR keinen Anteil ihres Bistums haben.11
Die Feierlichkeiten 1968 werden im Bistum Meißen seit Jahren intensiv vorbereitet. Hierzu gehören u. a.:
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die inzwischen erschienenen vier Romane von Prälat Johannes Derksen12 (Dresden) über die Geschichte des Bistums,
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die Herausgabe einer offiziellen Bischofsgeschichte (der erste Band ist bereits erschienen),13
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die Vorbereitung einer Festschrift als wissenschaftliche Arbeit,
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die Vorbereitung in den einzelnen Gemeinden, z. B. durch Fastenpredigten, besonders Einkehrtage und Ausrichtung der Seelsorgearbeit auf dieses Thema.
Zu bemerken ist, dass zur Zeit der Hauptfeierlichkeiten Anfang September 1968 der westdeutsche Katholikentag in Essen14 stattfindet. Es muss deshalb mit einem Austausch von Grußadressen gerechnet werden.
Dem MfS liegen Hinweise auf Absichten von Führungskräften der »Evangelischen Kirche in Deutschland«15 vor, die katholische Tausendjahrfeier des Bistums Meißen zu einer »Demonstration der Gemeinsamkeit zwischen beiden Kirchen« zu gestalten. Nach Vorstellungen der »EKD« solle die Tausendjahrfeier unter dem Gesichtspunkt der Gemeinsamkeit beider Kirchen weniger den Charakter eines Jubiläums, sondern mehr den der Christianisierung überhaupt erhalten. Damit würde das Jubiläum unter kirchenhistorischen Gesichtspunkten beide Konfessionen in gleicher Weise berühren. In Durchführung dieser Vorhaben beabsichtigt der »Landesausschuss der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsen«16 im Mai 1968 einen Landeskirchentag im Zusammenhang mit der Jahrtausendfeier des Bistums Meißen durchzuführen. Dazu sind Gottesdienste am 23.5.1968 in Meißen und am 25.5.1968 in Dresden vorgesehen. Geplant ist, den sogenannten Festgottesdienst in Dresden gemeinsam mit dem katholischen Domkapitel durchzuführen.
Über den Verlauf der Feierlichkeiten des katholischen Bistums Meißen wurde dem MfS bisher Folgendes bekannt: Die Feierlichkeiten wurden bereits am 13.1.1968 in der Dresdner Hofkirche durch einen vom Bischof Dr. Otto Spülbeck17/Meißen gehaltenen sogenannten Eröffnungsgottesdienst eingeleitet. Als nächster Höhepunkt ist eine Bischofssynode vorgesehen, die spätestens Anfang Mai 1968 beginnen soll. Diese 2. Synode des katholischen Bistums wurde durch einen Hirtenbrief vom 29.1.1966 vom Bischof Spülbeck angekündigt. (Die 1. Synode des Bistums Meißen fand im Jahre 1923 statt.) Diese 2. Synode wäre die erste Beratung dieser Art im sozialistischen Lager nach dem II. Vatikanischen Konzil.18 Das Generalthema der 2. Meißener Bistumssynode lautet: »Aggiornamento der Kirche von Meißen/Die Anpassung an den Geist und die Beschlüsse des Konzils«.
Die Thematik der Synode und die Zusammensetzung der Fachkommissionen weisen eindeutig darauf hin, dass das Ziel der Synode in der Durchsetzung der Konzilsbeschlüsse besteht, wobei es sich vor allem um solche Konzilsbeschlüsse handelt, die der Einheit und Festigung der katholischen Kirche und der Verstärkung der Aktivität der kirchlichen Tätigkeit dienen. Offensichtlich soll das Bistum Meißen in diesen Fragen als Beispiel für die übrigen Bistümer der DDR ausgebaut werden.
Mit der Vorbereitung der 2. Synode sind folgende 16 Fachkommissionen beauftragt:
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Liturgie,
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Kirchenmusik,
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Verkündigung,
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Pastoral,
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Caritas,
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Ökumenismus,
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Klerus,
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Theologieausbildung,
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weibliche Orden,
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Laien in der Kirche,
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Mitarbeiter im kirchlichen Dienst,
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Rechtsfragen und Angelegenheiten der allgemeinen Verwaltung,
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kirchliche Vermögensverwaltung,
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Bau und Kunst,
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technische Durchführungsfragen für Bauangelegenheiten,
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sorbische Angelegenheiten.
Diesen 16 Fachkommissionen gehören 160 Mitglieder an, davon 104 Priester und 56 Laien. Mitarbeiter des Bischöflichen Ordinariats bzw. der Kirchenverwaltung sind in diesen Kommissionen nicht tätig.
Die Fachkommissionen leisteten bisher eine umfangreiche Vorarbeit für die Durchführung der Synode. Von Klerikern, Laien sowie kirchlichen Organisationen und Institutionen des Bistums wurden etwa 2 000 Vorschläge zur Vorbereitung der Synode eingebracht. Diese Vorschläge werden in den entsprechenden Fachkommissionen gesichtet, bearbeitet und dann ähnlich dem Konzil in Schemata zusammengefasst. Diese Schemata werden in den einzelnen Priesterkonferenzen und einem Laienrat des Bistums Meißen zur Stellungnahme zugeleitet.
Im öffentlichen Teil der Synode (Celebratio) werden zu den einzelnen Schemata Berichte gegeben, und jeweils wird ein Korreferat gehalten. Im Gegensatz zum Konzil gibt es auf einer Bistumssynode keine Abstimmung. Die Synodalen sind zwar berechtigt, ihre Meinung zu den Schemata zu äußern, die letzte Entscheidung und die Verkündung derselben sind jedoch dem Bischof vorbehalten. Mit der Verkündung durch den Bischof (Promulgation) erlangen die Schemata für das Bistum Gesetzeskraft.
Weiter wurde bekannt, dass einige Fragen des technischen Ablaufs der Synode noch nicht geklärt sind, da im Ergebnis des II. Vatikanischen Konzils noch an der Reform des katholischen Kirchenrechts gearbeitet wird und Änderungen u. a. auch an der Synodeordnung zu erwarten sind. (Entsprechend der noch geltenden Synodalordnung würden 100 Delegierte am offiziellen Teil der Synode teilnehmen, und zwar Erzpriester, deren Stellvertreter, die Delegierten der Priesterkonferenzen des Bistums, das Domkapitel, die Pfarrer der Stadt, in der der öffentliche Teil der Synode stattfindet, und eventuell noch Synodalrichter und Laien des Bistums. Außerdem würden am öffentlichen Teil der Synode Gäste aus den anderen Bistümern der DDR sowie Vertreter anderer Konfessionen teilnehmen.) Der Tagungsort der Synode steht bisher noch nicht fest. Es ist damit zu rechnen, dass aufgrund der Vielzahl der Themen im Jahre 1968 nur etwa ein Drittel der vorgesehenen 16 Schemata behandelt und verkündet wird.
Die Hauptfeierlichkeiten zur Tausendjahrfeier der Gründung des Bistums Meißen finden im September 1968 statt und werden am 1.9. durch einen Gottesdienst in der Bischofsstadt von Bischof Spülbeck eingeleitet. Die »Hauptfeier« soll am 8.9.1968 in der Dresdner Hofkirche durchgeführt werden. Weitere feierliche Gottesdienste sollen besonders am 8., 15. und 22.9.1968 in Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Gera, Zwickau und Zittau erfolgen.
Die Feierlichkeiten an den drei genannten Sonntagen im September 1968 sollen außer in Dresden ausschließlich in kircheneigenen Gebäuden stattfinden. Für die Feierlichkeiten am 8.9.1968 in Dresden benötigt die katholische Kirche einen Raum außerhalb der kircheneigenen Gebäude, in dem der Bischof den Gästen einen Empfang bzw. ein Essen geben kann. Bisher wurde nicht bekannt, ob vorgesehen ist, staatliche Vertreter zu den Feierlichkeiten einzuladen.
Während seines letzten Rom-Besuches im November 1967 hat Bischof Spülbeck über die Tausendjahrfeierlichkeiten seines Bistums mit dem vatikanischen Ostexperten und Sekretär für die außerordentlichen Angelegenheiten im vatikanischen Staatssekretariat, Monsignore Agostino Casaroli,19 Verhandlungen geführt. Angeblich hat Bischof Spülbeck Monsignore Casaroli über Einzelheiten der Durchführung der Feierlichkeiten, so auch der Einladung von Gästen u. Ä. unterrichtet. Dabei soll auch besprochen worden sein, dass anlässlich der Feierlichkeiten des Bistums Meißen durch einen päpstlichen Delegaten ein Sendeschreiben des Papstes überbracht wird.
Vom MfS wird vorgeschlagen zu prüfen und zu entscheiden, wie auf die beabsichtigte Einreise geistlicher Würdenträger aus dem Ausland in die DDR, speziell eines päpstlichen Delegaten und des österreichischen Kardinals König, reagiert werden soll. Bei Genehmigung der Einreise des päpstlichen Delegaten in die DDR wäre es weiter zweckmäßig zu prüfen und zu entscheiden, ob ein offizielles Gespräch zwischen dem Staatssekretär für Kirchenfragen und dem Delegaten – in welchem dem Vertreter des Vatikans der Standpunkt der DDR zu nationalen und internationalen Fragen dargelegt werden könnte – anzustreben sei. Bei der Prüfung und Entscheidung über eine mögliche Einreise westdeutscher Bischöfe und anderer westdeutscher katholischer Würdenträger sollten u. E. die vorhandenen Kenntnisse darüber berücksichtigt werden, inwieweit es sich dabei um erklärte Anhänger der Bonner Alleinvertretungsanmaßung handelt.
Um Bestrebungen bestimmter führender Kreise der katholischen Kirche in der DDR, die Kontakte und persönlichen Verbindungen in die sozialistischen Länder zu verbreitern, entgegenzuwirken, wird empfohlen, auch die Einreisemöglichkeiten von katholischen Würdenträgern aus den sozialistischen Ländern zu beschränken (eventuell durch Absprachen mit den zuständigen Staatssekretariaten für Kirchenfragen dieser Länder). Weiter wird empfohlen zu prüfen und zu entscheiden, inwieweit die Leitung der evangelischen Kirche in der DDR unter entsprechenden Vorwänden darauf hingewiesen werden sollte, dass eine Ausnutzung der katholischen Tausendjahrfeiern durch die evangelische Kirche, z. B. zur Erweiterung von Kontakten mit ausländischen Besuchern, als Verletzung der geltenden Normen aufgefasst wird.
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