Überprüfungsergebnisse einer Störung im Energienetz Berlin-Ost
8. April 1968
Einzelinformation Nr. 405/68 über die bisherigen Überprüfungsergebnisse einer Störung im Energienetz Berlin-Ost am 6. April 1968
Am 6.4.1968, gegen 18.54 Uhr, trat eine Störung im Energienetz Berlin-Ost ein, welche bis 19.11 Uhr im Umspannwerk (UW) Wuhlheide anhielt und Stromausfall in den Stadtteilen Köpenick, Schöneweide, Friedrichshagen, Rahnsdorf, Grünau, Adlershof und Johannisthal sowie insbesondere Sendeausfälle beim Deutschen Fernsehfunk zur Folge hatte.
Über den Verlauf der Störung bzw. über deren Ursachen wurde vom MfS bisher ermittelt: Am 6.4.1968, 18.54 Uhr, löste im UW Wuhlheide auf der 30-kV-Seite das Lastabwurf-Relais aus. Daraufhin mussten die nachgeordneten Abspannstationen – u. a. Köpenick, Adlershof und Friedrichshagen – über Umgehungsleitungen versorgt werden. Nach Durchführung der dazu notwendigen Schalthandlungen konnte um 19.11 Uhr das 30-kV-Sammelschienensystem im UW Wuhlheide wieder in Betrieb genommen werden.
Gleichzeitig stand dadurch die 30-kV-Spannung in den genannten nachgeordneten Abspannwerken an. Da jedoch die Zuschaltung in den Abspannwerken von Hand vorgenommen werden muss und die schaltberechtigten Personen nicht sofort zur Verfügung standen, erfolgte diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten und war erst gegen 19.45 Uhr beendet. Seit diesem Zeitpunkt erhielten alle Abnehmer wieder volle Leistung.
Die Störung wurde nach bisherigen Ermittlungen durch Metallspäne ausgelöst, die von früheren Bohrarbeiten stammten. Die Metallspäne sammelten sich aufgrund der offenen Durchführungen der Grundplatte zwischen den Kontakten des Relais an und bildeten eine Art Kontaktbrücke, die das Auslösen von 13 Leistungsschaltern zur Folge hatte. Zu dieser Kontaktbrücke kam es vermutlich durch Erschütterungen bei Bohrarbeiten, die an diesem Abend zum Einbau eines Spannungsmessers an einem Reservefeld des UW Wuhlheide durchgeführt wurden. Ein umfassendes technisches Gutachten über die Störquelle steht zzt. jedoch noch aus.
Diese Bohrarbeiten erfolgten, obwohl der Generaldirektor der VVB Energieversorgung, Lewandowski, bereits am 28.3.1968 ein »Regime zur Gewährleistung einer erhöhten Sicherheit am 5. und 6.4.1968 anlässlich des Volksentscheides zur Bestätigung der sozialistischen Verfassung«1 erlassen hatte, in welchem u. a. festgelegt wurde, dass an beiden Tagen – ingenieurtechnisches Personal der Umspannwerke sich vor Ort (an Schaltwarten) aufzuhalten hat und – die Durchführung von Reparaturen und Schalthandlungen nicht gestattet ist.
Diese Verfügung wurde durch den Direktor der BEWAG, Bergau, am 1.4.1968 seinem Leitungskollektiv verlesen und die Weisung zur Erarbeitung eines entsprechenden Planes erteilt. Der mit der Ausarbeitung des Planes beauftragte kommissarische Produktionsdirektor Fiedler erarbeitete jedoch einen Maßnahmeplan, der vorgenannte Festlegungen des Generaldirektors der VVB nur ungenügend berücksichtigte. Der Direktor der BEWAG, Bergau, nahm vom Inhalt dieses Maßnahmeplanes keine Kenntnis. (B. hat in einer nach der Störung durchgeführten Aussprache seine Pflichtverletzung zugegeben.) Durch diese mangelhafte Leitungstätigkeit bedingt, wurde der mit Mängeln behaftete Routineplan der BEWAG nur oberflächlich von den Bereichsleitern und Leitern der Umspannwerke realisiert.
Aus diesem Grund war dem Schichtpersonal im UW Wuhlheide nur bekannt, dass am 5. und 6.4.1968 keine Schalthandlungen in Umspannwerken durchgeführt werden durften. Über die Weisung, keine Reparaturarbeiten durchzuführen, wurden sie nicht in Kenntnis gesetzt. (Schichtmeister [Name 1] und Monteur [Name 2]/SED, die die Montagearbeiten durchführten, sind langjährige Angehörige der BEWAG und als positive Kräfte bekannt.)
Beim Deutschen Fernsehfunk kam es durch die Störung im Energienetz gegen 18.55 Uhr zu einem kurzen Sendeausfall infolge automatischer Umschaltung auf das 6-kV-Reservekabel vom Abspannwerk Oberspree. Nach dieser ersten Netzunterbrechung wurden sofort die Notstromaggregate der Studiotechnik Fernsehen angefahren, um im Falle eines totalen Energieausfalls den Programmbetrieb aufrechterhalten zu können.
Die Umschaltung auf das Reservekabel gewährleistete jedoch keine volle Stromversorgung. In dieser Zeit trat eine verminderte Bildqualität auf. Da das Abspannwerk Oberspree durch die Versorgung des Deutschen Fernsehfunks jedoch überlastet wurde, brach gegen 19.35 Uhr das gesamte Netz Oberspree zusammen. Dadurch kam es zum totalen Sendeausfall des Deutschen Fernsehfunks, der daraufhin auf Notstromaggregate umschaltete. Objektiv nahm das eine Zeitdauer von zehn Minuten in Anspruch, sodass der Sendebetrieb gegen 19.46 Uhr fortgesetzt werden konnte. Der erneute Sendeausfall von 19.51 bis 19.55 Uhr ist auf die Rückschaltung auf den Netzbetrieb zurückzuführen. Um 20.02 Uhr konnte das Programm fortgesetzt werden.
Mehrmalige kurzzeitige Unterbrechungen am Fernsehsender Berlin-Köpenick waren durch die notwendige Auswechselung von Einschüben im Richtfunkturm – Beschädigung durch Spannungsspitzen bei Zuschaltung – bedingt.
Die letzte Störung (20.52–20.54 Uhr) wurde durch ein defektes Netzkabel an einem Übertragungswagen in Leipzig ausgelöst und steht in keinem Zusammenhang mit den vorher geschilderten Ereignissen.
Die Energiesituation im Deutschen Fernsehfunk ist bei Ausfall des Verbundnetzes von zwei Diesel-Notstromaggregaten (Hersteller Firma Deutz/Hamburg – je 120 kV A Leistung) abhängig. Mit der Leistung beider Aggregate können nur die Minimalanforderungen an Energie zur Aufrechterhaltung des Sendebetriebs gedeckt werden (Deziturm, 1 Regie, 1 Filmgeber oder Bandaufzeichner).